Archiv des Autors: aergernis

Kritik und Eigensinn im Zeitalter der Katastrophe

Im Folgenden werden drei Beiträge dokumentiert, die thematisch mehr oder weniger zusammen hängen, jedoch jeweils einen eigenen thematischen Fokus haben. Es geht um Rechtsruck, ökologische Krise, Widerstand auf verlorenem Posten, Erziehungsweisen, die Kategorie des Eigensinns und um Ästhetik.

1.) Widerstand ohne Hoffnung

Am 08. Januar 2019 hat der Autor Wolfram Ette einen Vortrag im Chemnitzer Lesecafé Odradek gehalten. Der Vortrag wirft die Frage auf, wie angesichts der historischen Erfahrungen des 20. Jahrhunderts, der Antiquiertheit des Fortschrittsglaubens und düsterer Zukunftserwartungen überhaupt noch eine emanzipatorische Perspektive formuliert werden kann. Dafür wird das Motiv des „Widerstands ohne Hoffnung“ eingeführt, das Ette aus der Lektüre der „Ästhetik des Widerstands“ von Peter Weiß entwickelt. Zudem argumentiert Ette, dass der Erfolg rechtspopulistischer und rechtsextremer Motive ein Stück weit aus der Desavouierung des Fortschrittsglaubens erklärbar ist. Die Thesen des Vortrags sind unter dem Eindruck der Ereignisse in Chemnitz im Spätsommer 2018 entstanden.

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Einige Motive des Vortrags werden auch in dem Manifest „Schwarze Linke unter Sternen“ entwickelt. Texte von Wolfram Ette und Anderen finden sich unter wolframettetexte.wordpress.com.

2.) Das eigensinnige Kind

2019 hat Wolfram Ette im Büchner-Verlag das Buch „Das eigensinnige Kind. Über unterdrückten Widerstand und die Formen ungelebten Lebens“ veröffentlicht. Dieses Buch wurde im Oktober 2021 in der Sendereihe Wutpilger-Streifzüge vorgestellt, wobei Wolfram Ette ausführlich zu Wort kommt. Es geht in der Sendung um das Märchen vom eigensinnigen Kind (Gebrüder Grimm), die Kategorie des Eigensinns und um die pathologischen Folgen unterdrückten Eigensinns.

„Es war einmal ein Kind eigensinnig und tat nicht, was seine Mutter haben wollte. Darum hatte der liebe Gott kein Wohlgefallen an ihm und ließ es krank werden, und kein Arzt konnte ihm helfen, und in kurzem lag es auf dem Totenbettchen.“ – So beginnt eines der kürzesten Märchen aus den Sammlungen der Gebrüder Grimm. Das Märchen vom eigensinnigen Kind verdeutlicht die Bedeutung dessen, was Eigensinn ist: Eine Reaktion auf unterdrückende Verhältnisse, die das Leben tendenziell unmöglich machen. Aber Eigensinn muss keineswegs eine emanzipatorische Stoßrichtung haben, er kann auch gemeine, barbarische, reaktionäre Züge tragen. Wolfram Ette untersucht in seinem Buch „Das eigensinnige Kind – Über unterdrückten Widerstand und die Formen ungelebten Lebens“ die pathologischen Folgen unterdrückten Eigensinns. Einigen Gedanken dieses gesellschaftspolitischen Essays folgt diese Sendung.

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3. Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind

Die nachfolgende Ausgabe der Sendereihe Wutpilger-Streifzüge widmet sich dann einer kritischen Auseinandersetzung mit Johanna Haarer und dem nationalsozialistischen Erziehungsratgeber „Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind„. In der Sendung kommt vor allem die Literaturwissenschaftlerin Karin Nungeßer zu Wort. Die Sendung ist auch ein Ergebnis des Seminars „Das eigensinnige Kind„, das Karin Nungeßer und Wolfram Ette im November 2021 im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Kritik und Eigensinn“ im Conne Island Infoladen in Leipzig durchgeführt haben. Ausgehend vom „eigensinnigen Kind“ wird der Frage nachgegangen, wie das Nachwirken von Johanna Haarers Erziehungsratgebern nach 1945 zu erklären ist.

Diese Radiosendung setzt sich kritisch mit der Pädagogik von Johanna Haarer (1900-1988) auseinander. Mit den Büchern „Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind“ und „Unsere kleinen Kinder“ schrieb Haarer die wichtigsten nationalsozialistischen Erziehungsratgeber. Doch „Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind“ wurde auch nach 1945 unter verändertem Titel bis in die 1980er Jahre wieder aufgelegt. Was machte die Pädagogik von Johanna Haarer aus? Was war das neue an dieser Pädagogik? Worin bestehen Kontinuitäten bis heute? Was machte Haarers Bücher auch nach 1945 anschlussfähig? Zu diesen Fragen kommen Karin Nungeßer, Wolfram Ette, Anne Kratzer und Benjamin Ortmeyer zu Wort.

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Auf dem Youtube-Kanal Schachtel1000 werden zahlreiche Folgen der Sendereihe Wutpilger-Streifzüge hochgeladen. Hier findet sich ein Verzeichnis von Wutpilger-Sendungen – auf aergernis.org finden sich wesensverwandte Interview und Beiträge.

»Ein Jahrhundert verlassen!«

Vom Mythos der russischen Kommune
zum Spektakel um 1917

Im Oktober 2017 haben Zwi und Negator auf Einladung des Anachistischen Netzwerks Stuttgart einen Vortrag zur Geschichte der Oktoberrevolution gehalten. Schwerpunkte des Vortrags liegen auf den trügerischen Bildern, die um die „große sozialistische Oktoberrevolution“ entstanden sind; dem Bezugspunkt der Kommune in der Revolution (Pariser Commune, die bäuerliche Kommune bzw. Obshchina bzw. commune rural); dem Antisemitismus, der sich gegen die Revolution richtet und sie begleitet.

In der herrschenden Geschichtsschreibung wirkt der Oktober 1917 wie ein riesenhafter retrospektiver Zerrspiegel. Die Verhältnisse zwischen den Gesellschaftsklassen, Organisationen, Nationen und Personen erscheinen darin bis heute in der Regel als Personenkult mit positiven oder negativen Vorzeichen, zugleich entzünden sich hier wie in einem Brennspiegel immer neu die linken Rivalitäten um die Repräsentation der Revolution. In der Jahrhundertbilanz gar hat sich eine totale Spiegelverkehrung im Blick auf das «sowjetische System» 1917-1991 eingestellt: «Das war der Kommunismus» (Schwarzbuch). Und so können die für jene Ära aufgerechneten zig Millionen Menschenopfer des «Realsozialismus» als dessen notwendige Betriebskosten verbucht werden: mit Lamento oder Achselzucken, je nachdem, aus welcher Perspektive der jeweils «besten aller möglichen Welten». Was von der «Großen Sozialistischen Oktoberrevolution“ seine Legitimation für den «Arbeiter- und Bauern-Staat» als angeblicher «Übergangsgesellschaft» zur Abschaffung der Herrschaft von Menschen über Menschen bezog, ist von der andauernden Herrschaft totaler Warenproduktion und -konsumtion über die Menschen, von einer «klassenlosen Klassengesellschaft» die keinen Widerspruch mehr duldet, integriert worden. Gerade auch in Russland.

Radikale Kritik der seit 1917 dergestalt veränderten weltkapitalistischen Herrschaft erfordert die Reflexion auf ihre wirklichen historischen Grundlagen, d.h. die besonderen Produktionsverhältnisse und den Charakter ihrer Umwälzung. Diese Arbeit einer materialistischen Erklärung der gesellschaftlichen «Spiegelbilder» und ideologischen Spiegelverkehrungen wurde von der situationistischen Spektakelkritik angegangen, um «das 20. Jahrhundert verlassen» zu können. Die Frage ist aber, ob Letzteres «nach hinten», in einen vor- und antimodernen romantischen Antikapitalismus, oder in Richtung auf eine communistische Produktionsweise und Zivilisation im Weltmaßstab des 21. Jahrhunderts geht.

Im Versuch einer spektakelkritischen Skizze soll an diesem Abend der besondere russische Ursprung und Verlauf der «Revolution in Permanenz“ vor und nach 1917 vor Augen geführt werden. Die Reflexion der bäuerlichen, bürgerlichen und proletarischen Revolutionszwecke ineinander wird als blutig roten Faden auch etwas sichtbar machen, was sich als spiegelverkehrende Konter-Revolution schlechthin gegen alle diese wirklichen Bewegungsmomente gekehrt hat. Immer wieder, bis in das Welt-Bild des heutigen Russland hinein.

Vom Autorenkollektiv Biene Baumeister Zwi Negator stammen zwei Bände über „Situationistische Revolutionstheorie“ in der Reihe theorie.org [via]

    Download: via AArchiv (mp3; 316.1 MB; 3:17:17 h)

Der im Vortrag erwähnte Film „Die Kommissarin“ (1967/1987) findet sich hier. Siehe auch »Vorwärts und nicht vergessen!«.

Dunkelheit und Schwarz in der Kultur

Kunst, Spektakel & Revolution 2013/14

Wir dokumentieren hier die Aufnahmen des fünften Teils der Weimarer Veranstaltungsreihe Kunst, Spektakel & Revolution, der bereits vor einiger Zeit (2013/14) in der ACC Galerie Weimar stattgefunden hat. Das Thema dieser Veranstaltungsreihe – Dunkelheit und Schwarz in der Kultur – findet sich auch in der jüngst erschienenen KSR-Publikation wieder, die hier bestellt werden kann. Zwei Beiträge zur aktuellen Publikation seien der Dokumentation der Reihe vorangestellt:

In einer Audio-Collage gibt es einen hörbaren Einblick in das aktuelle Heft – vertont sind die Einleitung zum Themenschwerpunkt und Auszüge aus dem Text „Lautréamont und kein Ende“ von Julien Graque. Die Collage enthält Samples aus dem Film „Bambule“ von Ulrike Meinhoff und dem Film „if …“ von Lindsay Anderson.

    Download: via FRN (mp3; 36 MB; 15:41 min)

In einem Gespräch mit Radio Corax gibt einer der verantwortlichen Redakteure einen Einblick in die Themen des Heftes:

    Download: via FRN (mp3; 18 MB; 13:45 min)

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Vortragsreihe über Johannes Agnoli

Wir dokumentieren hier eine Reihe von Vorträgen, die Ali Ma 2019 an verschiedenen Orten in Leipzig gehalten hat. In den vier Vorträgen gibt Ma eine Einführung in je verschiedene Aspekte des Werks von Agnoli. Die Vorträge haben einen sehr grundlegenden und einführenden Charakter. Alle Vorträge können auch bei Mixcloud nachgehört werden, unsere Dateien sind leicht nachbearbeitet.

1.) 1968 und die Folgen – Johannes Agnoli und die ApO

Im ersten Vortrag geht Ma auf Agnolis Reflexionen über 1968 ein (bei ça ira erschienen in einem Sammelband). Um ein Verständnis herzustellen, schildert er zunächst wichtige Ereignisse um 1968 herum und den Verlauf der Bewegung. Anschließend skizziert er, wie Agnoli sich auf die Bewegung von 1968 bezog, wobei das Verhältnis von Erfolg und Niederlage sowie der Begriff der Desintegration hervorgehoben werden. Außerdem geht der Vortrag auf das Faschismus-Verständnis von Agnoli ein. Zuletzt erfolgt ein Ausblick auf das, was für Agnoli „Subversion“ bedeutet. Der im Vortrag erwähnte Film „Das negative Potential“ findet sich hier – die Dokumentation über die Schlacht am Tegeler Weg, auf die im Vortrag ebenfalls Bezug genommen wird, findet sich hier – die Fernsehdiskussion mit Rudi Dutschke und Daniel Cohn-Bendit von 1978 hier.

1968 ist für die Linke und deren Praxis ein wichtiger Ausgangspunkt. Es entstanden Protest- und Organisationsformen, die bis heute prägend sind. Diese wurden in den 70er Jahren weiterentwickelt und beeinflussten die Entstehung der Neuen Sozialen Bewegungen. Um diese besser zu verstehen und einzuordnen sollten die Ereignisse von 68 genauer betrachtet werden.

Agnoli war selbst ein Protagonist dieser Zeit. Als Mitbegründer des Republikanischen Clubs 1967 wirkte er auf die damaligen Proteste ein und verfasste bereits währenddessen wichtige Reflexionen.

Als Professor für Politikwissenschaft an der FU Berlin von 1972 bis 1990 beeinflusste er maßgebend die studentische Linke. Seine politisch-ökonomischen Analysen auf Grundlage der marxistischen Theorie zielten auf eine emanzipatorische Praxis.

In dem Sammelband 1968 und die Folgen wirft Agnoli einen kritischen Blick auf die Revolte. Er beschreibt die Außerparlamentarische Opposition und hinterfragt ihre Wirkung. Dabei greift er die wichtigsten Diskussionen über Theorie und Praxis der Bewegung auf. Provokation und Öffentlichkeit, Basisdemokratie und Willensbildung sind die großen Schlagwörter dieser Zeit. Weitere Themen die im Vortrag anhand seiner Texte vorgestellt werden, sind seine Analyse des Faschismus und der Begriff der Klassenautonomie. Damit setzt er sich erstens mit der Diskussion der damals beginnenden Aufarbeitung des Nationalsozialismus auseinander und bespricht zweitens die Frage nach emanzipatorischen Veränderungen in einer kapitalistischen Gesellschaft.

Der Vortrag soll einen ersten Einstieg in Agnolis Theorien bieten und zu einer kritischen Diskussion über die 68er Ereignisse beitragen.

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2.) Die subversive Theorie – Negation und Widerstand

Im zweiten Teil stellt Ma das Buch „Die subversive Theorie“ vor, das eine Verschriftlichung der Vorlesungsreihe enthält, die Johannes Agnoli im Wintersemester 1989/90 an der FU Berlin gehalten hat und einen ideengeschichtlichen Abriss des subversiven Denkens beinhaltet. Während er nur kurz auf die Häretiker des Mittelalters eingeht, rekonstruiert Ma vor allem die begriffliche Essenz des Buches: Den Begriff der Subversion und damit eng verbunden die Begriffe von Negation und Destruktion.

Im Vortrag wird es um eine Annäherung und eine Bestimmung des Begriffs Subversion bei Johannes Agnoli gehen. Sein Buch „Die Subversive Theorie – Die Sache selbst und ihr Geschichte“ basiert auf einer Vorlesung von 1989/90 und ist als Ideengeschichte konzipiert. Agnoli untersuchte Theoretiker_innen von der Antike bis zur Französischen Revolution, die aus seiner Sicht subversiv handelten. Kurz zusammengefasst bedeutet Subversion Herrschaftskritik mit der gleichzeitigen Bewahrung von errungenen Fortschritten und die Benennung von Möglichkeiten der gesellschaftlichen Transformation. Um sich ein Bild davon zu machen, was das genau bedeutet, werden im Vortrag drei wichtige Aspekte genauer betrachtet: Die Vorbereitung auf die Revolution, Theorie&Praxis und die Negation des Bestehenden. Das Besondere an Agnolis Buch ist seine spezielle Form der Dialektik, die er hier veranschaulicht. Denn der Subversion gehe es nicht um die Negation der Negation, sondern um die Negation destructio. Diese spiegelt sich in seiner fesselnden Analyse der Geschichte wieder und macht die Aktualität seiner Herrschaftskritik aus.

    Download: via AArchiv (mp3; 69.9 MB; 43:37 min)

3.) Der Staat des Kapitals – Ein Beitrag zur Kritik der Politik

Den dritten Vortrag hat Ali Ma gemeinsam mit einem Genossen gehalten. Die beiden geben zunächst einen Überblick über linke Staatstheorien, wobei sie vor allem auf die Staatsmonopol-Kapitalismus-Theorie und die Staatsableitungsdebatte eingehen, die Johannes Agnoli sowohl aufgenommen als auch kritisiert hat. Sie rekonstruieren dann Agnolis Staatskritik, in der Agnoli den Staat als ein gesellschaftliches Verhältnis begreift, in dem Herrschaft abstrakt vermittelt ist. Zugrunde liegt hier Agnolis Buch „Der Staat des Kapitals“ (als PDF hier). Die Aufnahme ist leider stark verhallt – daher verweisen wir auf diesen Beitrag, in dem es um Agnolis Buch „Transformation der Demokratie“ geht und seine Staatskritik ebenfalls besprochen wird und auf diese Beiträge zur Staatskritik.

Was ist eigentlich der Staat? Nach Johannes Agnoli ist der Staat der konkrete politische Ausdruck der unterdrückenden Gesellschaft. Er hat im bestehenden System eine gewisse Autonomie gegenüber der Ökonomie, wird aber von dieser in seinem Handlungsspielraum begrenzt. Mit dem Staat ist daher keine Emanzipation und aufgrund seiner herrschaftlich verfassten Form auch kein progressiver Fortschritt zu machen. Um die Relevanz dieser Positionen zu verstehen wird im Vortrag zuerst mit gängigen linken Vorstellungen über den Staat aufgeräumt. Der Staat ist weder ein reines Unterdrückungselement der Kapitalisten, noch bloßer Überbau, hinter dem sich das Kapital versteckt. Sondern er ist konkreter Ausdruck eines Herrschaftsverhältnisses zwischen den Menschen. Er ist Reproduzent und Organisator der Gesellschaft, zudem unterdrückt er soziale Konflikte. Zum Abschluss des Vortrags werden Möglichkeiten der Überwindung des bürgerlich-kapitalistischen Systems diskutiert und welche Aktualität “Der Staat des Kapitals” heute noch hat. Ziel ist es eine Debatte über aktuelle Formen linker Staatskritik anzustoßen und neue, so wie radikale Perspektiven zu eröffnen.

    Download: via AArchiv (mp3; 100.7 MB; 1:02:52 h)

4.) Faschismus ohne Revision – Der italienische Korporativismus

Im vierten Vortrag stellt Ali Ma Agnolis Buch „Faschismus ohne Revision“ vor. Er gibt eine Einführung in die Geschichte des italienischen Faschismus, den er in seinen verschiedenen Phasen skizziert. Im Zentrum steht dabei der Korporativismus als ökonomisches Modell des Faschismus. Er geht außerdem auf den Begriff des Postfaschismus ein, der im Anschluss an Agnoli entwickelt wurde – es geht dabei um die Fragestellung, welche Vermittlungsfunktionen vom Faschismus in die Nachkriegsgesellschaft eingegangen sind. Zuletzt kritisiert er bei Agnoli den geringen Stellenwert des Antisemitismus in der Faschismuskritik. [Anmerkung des Referenten: Minute 15:03 muss „Italien“ hat an der Seite der Franquisten eingegriffen heißen und nicht „Spanien“.]

>Johannes Agnoli analysierte in Faschismus ohne Revision den italienischen Faschismus der 20er und 30er Jahre. Seine Grundthese war, dass der Kapitalismus den Faschismus hervorbringt, in Zeiten in denen die Wirtschaft in der Krise ist und daher eine politisch-autoritäre Stabilisierung benötigt. Historisch wurde dies in Italien durch die Einführung des Korporativen Systems bewerkstelligt. Eine Zusammenarbeit von Unternehmen, Arbeiter_innen und Regierung um gemeinsam die Wirtschaft zu verwalten. Das Besondere daran ist, dass der Klassengegensatz des Kapitalismus dadurch anerkannt wird. Die Aufgabe besteht darin ihn zu verrechtlichen und damit in kontrollierbare Bahnen zu lenken. Das Ziel war, das es zu keinen sozialen Konflikten kommt.

Anschließend an Agnolis Faschismusanalyse wurde der Begriff des Postfaschismus entwickelt. Damit sind autoritäre Kontinuitäten in den nachfaschistischen Staaten gemeint die bis heute fortbestehen. Genau diese Weiterexistenz in den bestehenden Systemen, sowohl auf staatlicher als auch auf gesellschaftlicher Ebene ist die eigentliche Gefahr, die sich aktuell stellt. Es geht also nicht um die Möglichkeit eines neuen faschistischen Staates, sondern das es diesen bereits gab.

Im Vortrag werden Agnolis Thesen des Korporativismus und des Postfaschismus vorgestellt und ihre Aktualität für die Analyse bestehender gesellschaftlicher Verhältnisse besprochen.

    Download: via AArchiv (mp3; 77.1 MB; 48:09 min)

Zur Kritik der Prostitution – Theorie & Praxis

In mehreren Beiträgen des Audioarchivs, die sich mit Prostitution auseinandersetzen, sind bisher eher sexarbeit-positive Positionen zu Wort gekommen:

Wir dokumentieren hier einen Beitrag, der eine dezidierte Kritik der Sexarbeit formuliert: Einen Vortrag von Naida Pintul, den diese im März 2018 in Stuttgart bei Emanzipation und Frieden gehalten hat. Im Vortrag schildert sie zunächst Erfahrungen aus ihrer Arbeit bei einer Beratungsstelle für Prostituierte und geht auf einige soziologische Daten zur Prostitution in Deutschland ein. Anschließend skizziert sie kurz Positionen von „klassischen“ MarxistInnen zur Prostitution: Alexandra Kollontai, Friedrich Engels, Clara Zetkin, Karl Marx und Rosa Luxemburg. Es folgen drei weitere Punkte: Wer sind eigentlich die Freier? / Was spricht gegen die Betroffenheitsperspektive? / Psychische Folgen und Mechanismen in der Prostitution.

Prostitution kann zu Recht als eines der Goldenen Kälber des Feminismus bezeichnet werden: Kaum ein Thema erzeugt innerhalb feministischer Kreise so viele, teils erbittert geführte Kontroversen. Der liberale und queere Feminismus der Dritten Welle hat sich mittlerweile die Deutungshoheit erobert, Prostitution in »Sexarbeit« umbenannt und ihr empowerndes, gar emanzipatorisches Potential zugeschrieben. So heißt es, dass selbstbestimmte Sexarbeit mit dem Feminismus nicht nur vereinbar, sondern per se auch feministisch sei. Veranstaltungen wie die Ladyfeste lassen regelmäßig Frauen referieren, die das Narrativ der glücklichen Sexarbeiterin bedienen, in aller Regel in individualistisch-liberaler Manier. Was hier oft zu kurz kommt, ist jedoch zum einen die Frage, wie Prostitution in ihrer aktuellen Ausprägung gesellschaftlich ermöglicht wird, zum anderen sind es die Stimmen derjenigen Frauen in der Prostitution, die nicht das Narrativ vom »Job wie jeder andere« bedienen. Der Vortrag wird Prostitution vor dem Hintergrund patriarchaler Geschlechterverhältnisse aufrollen und ein Grundgerüst liefern, um diese Institution über individuelle Betroffenengeschichten hinaus zu analysieren.

Naida Pintul arbeitet ehrenamtlich in einer Beratungsstelle für Frauen in der Prostitution und fokussiert sich in ihrer politischen Arbeit als Feministin in der Tradition der Zweiten Welle neben der Sexindustrie auf den Islam bzw. die islamische Bedeckung, in dessen Verklärung zum Empowerment-Tool seitens Queerfeministinnen sie Parallelen zum Umgang mit Prostitution sieht.

Eine Veranstaltung in Kooperation von Laboratorium und Emanzipation und Frieden [via]

    Download: via AArchiv (mp3; 59.1 MB; 43:05 min) | bei Youtube

Wir verweisen außerdem auf den Blog von Huschke Mau, in dem immer wieder Texte zur Kritik der Prostitution erscheinen – ihr Text „Ich habe die Schnauze voll“ hatte 2014 für einige Diskussionen gesorgt. Verwiesen sei außerdem auf einen Podcast, in dem Huschke Mau ausführlich zu Wort kommt und über ihre eigenen Erfahrungen als Prostituierte spricht: hier (Triggerwarnung: hier wird explizit und detailliert sexualisierte Gewalt beschrieben).

Kairós: Kritische Theorie der Gelegenheit

Ende des Jahres 2019 hat Alexander Neupert-Doppler im Mandelbaumverlag das Buch „Die Gelegenheit ergreifen – eine politische Philosophie des Kairós“ veröffentlicht. Wir dokumentieren hier eine Buchvorstellung, die Neupert-Doppler bei der Association for the Design of History abgehalten hat. Er stellt dabei das Motiv seines Buches vor: Die Revolution ist weder durch den bloßen Willen der Revolutionäre machbar, noch folgt sie aus objektiven Gesetzmäßigkeiten der Geschichte. Vielmehr müssen die Revolutionäre die Bedingungen ihres Handelns kennen und in einer günstigen Situation handlungsfähig sein – dazu bedarf es der Organisierung. Ein Aufsatz, in dem dies ausgeführt wird, ist kürzlich bei kritiknetz erschienen.

Unter Menschen, die die Welt verändern wollen, sind vier Perspektiven auf Geschichte populär: Die einen glauben immer noch an einen chronologischen Fortschritt der Menschheit in die Utopie, die anderen wetten hingegen eher auf die konkrete Dystopie einer unvermeidlichen Selbstzerstörung. Wieder andere meinen, dass Weltverbesserung immer und überall möglich ist, einige denken sogar, dass sich am großen Ganzen ohnehin nichts mehr ändern wird und wir nur an Details ansetzen können. Gegen diese fortschrittlichen, katastrophischen, voluntaristischen und postmodernen Denkweisen richtet sie die Kairós-Theorie.

Angesichts der verpassten Gelegenheiten und eingetretenen Katastrophen des 20. Jahrhunderts entwickelten Philosophen wie Walter Benjamin und Paul Tillich eine kairologische Geschichtsphilosophie. Kurz gesagt: „Nicht jedes ist zu jeder Zeit möglich, nicht jedes zu jeder Zeit wahr, nicht jedes in jedem Moment gefordert“ (Tillich 1922). Heute vertreten Theoretiker wie Immanuel Wallerstein, Antonio Negri und Michael Hardt, dass wir uns einem Gelegenheitsfenster zum Überschreiten des Kapitalismus nähern. Aber: „Den Kairós – den günstigen Augenblick […] – muss ein politisches Subjekt ergreifen“ (Hardt/Negri 2010).

Was folgt aus der Kairós-Theorie für politisches Denken und Handeln? Zu diesem Thema erschien im Herbst 2019 das Buch ‚Kairós – Politische Philosophie der Gelegenheit‘ von Dr. Alexander Neupert-Doppler. Er arbeitet zur Zeit als Mitarbeiter für Politische Theorie am IASS in Potsdam und veröffentlichte bisher die Bücher ‚Staatsfetischismus‘ (2013) gegen zu kritisierende Widrigkeiten und ‚Utopie‘ (2015) über die Möglichkeiten utopischen Denkens. Mit ‚Kairós‘ (2019) soll die theoretische Lücke zwischen Kritik und Utopie durch ein Denken in politischen Gelegenheiten gefüllt werden. [via]

    Download: via AArchiv (mp3; 73.1 MB; 53:15 min) | bei Youtube (inkl. der Vortragsfolien)

Revolution in Deutschland 1918-23 #3

Die Frauen der Novemberrevolution

Im letzten Teil unserer Beitragsserie über die Novemberrevolution ging es um politische Veränderungen innerhalb der Arbeiterbewegung. Auch im Bezug auf das Geschlechterverhältnis bedeuteten der 1. Weltkrieg und die Novemberrevolution eine Neuzusammensetzung der Arbeiterbewegung. Durch die Industrialisierung im Kaiserreich war auch ein weibliches Proletariat entstanden, im Zuge des ersten Weltkriegs gab es insbesondere in der Kriegsindustrie eine Zunahme des weiblichen Anteils der Belegschaften. Auch in den Revolten und Demonstrationen gegen den 1. Weltkrieg waren oft Frauen in der ersten Reihe. Der darin entstandene Anspruch, das Geschehen mitzubestimmen und entsprechend in den Räten vertreten zu sein, wurde jedoch von der männlich dominierten Arbeiterbewegung nicht umgesetzt. Dies schildert die Sozialwissenschaftlerin und Historikerin Gisela Notz im Gespräch mit Radio Corax. Im Gespräch wird auch auf den Schwerpunkt der Ausgabe 643 / November 2018 von Analyse und Kritik hingewiesen, in der mehrere Texte zu den Frauen in der Novemberrevolution veröffentlicht sind.

    Download: via FRN (mp3; 34 MB; 21:14 min)

Dania Alasti hat 2018 im Unrast-Verlag ein Buch mit dem Titel Frauen der Novemberrevolution – Kontinuitäten des Vergessens veröffentlicht. Am 29.01.2019 hat sie bei der Hellen Panke in Berlin ihr Buch vorgestellt. Darin schildert sie, wie Frauen im Zuge des 1. Weltkriegs Kampferfahrungen gemacht und eigene Formen der Solidarität entwickelt haben. Sie stellt bisherige Forschungen zur Rolle der Frauen in der Novemberrevolution vor und arbeitet auch heraus, wie die männliche Arbeiterbewegung den Frauen die Solidarität größtenteils verweigerte und wie die Rolle der Frauen in der Geschichtsschreibung zur Novemberrevolution unterschlagen wurde. In der Ausblendung der Sorgetätigkeit von Frauen macht sie eine Kontinuität aus und stellt darin einen Bezug zur Gegenwart her.

Frauen protestierten vor hundert Jahren in Massen gegen den Ersten Weltkrieg und das deutsche Kaiserreich. Ihre Streiks, Demonstrationen und Ausschreitungen leisteten einen wesentlichen Beitrag zur Vorbereitung der Novemberrevolution. Doch während der Formung und Kämpfe um die Richtung der Revolution tauchten Frauen als Massenerscheinung nicht mehr auf.

Ihre Kämpfe entstanden aus einer prekären Mobilisierung auf den Arbeitsmarkt, wobei ihre vorangegangenen Lohnarbeitsverhältnisse, wie Hausanstellung oder Heimarbeit, zumeist erst gar nicht als Beschäftigungsverhältnisse wahrgenommen wurden. Sie zeigten sich bei der Doppelbelastung von Lohn- und Versorgungsarbeit, deren Anerkennung bereits damals gefordert, aber nicht umgesetzt wurde.

Diese Strukturen sind bestehen geblieben. Anhand der Proteste der Frauen der Novemberrevolution und den vielfältigen reaktionären Antworten soll diskutiert werden, welche grundlegenden gesellschaftlichen Konflikte bis heute dringend feministischer Kämpfe bedürfen, und wie sich diese Kämpfe in Hinblick auf die weltweiten Frauen*streikbewegungen gestalten. (via)

    Download: via AArchiv (mp3; 40.4 MB; 29:26 min) | Hören: via Soundcloud

Im Anschluss geht auch Gisela Notz (u.a. „Wegbereiterinnen„) auf die Frauen der Novemberrevolution ein. Sie schildert zunächst, wie die sozialistische Frauenbewegung das Frauenwahlrecht durchsetzte (siehe hierzu auch das Buch, das Notz mitherausgegeben hat), geht dann auf Konzeptionen ein, die Frauen im Zuge der Novemberrevolution entwickelten und beleuchtet zuletzt beispielhaft Wege von Frauen in der Novemberrevolution.

    Download: via AArchiv (mp3; 55.7 MB; 40:34 min) | Hören: via Soundcloud

Revolution in Deutschland 1918-23 #2

Im August 1914 beschloss die SPD die Bewilligung der Kriegskredite – wichtige Voraussetzung für die Kriegsführung des Deutschen Reichs im 1. Weltkrieg. Dies bedeutete unweigerlich die Spaltung der Arbeiterbewegung, die für den Verlauf der Novemberrevolution entscheidend wird. M-SPD, USPD, Gruppe Internationale, Bremer Linksradikale, Spartakusbund und später KPD – damit sind nur die wichtigsten Ergebnisse dieser Spaltung genannt. Im zweiten Teil unserer Beitrags-Serie über die Novemberrevolution fokussieren wir auf diese Neuzusammensetzung der Arbeiterbewegung. Im nächsten Teil beschäftigen wir uns mit den Frauen der Novemberrevolution.

1.) Der Bruch mit dem Bestehenden

Wir stellen zunächst noch einmal ein Gespräch voran, in dem eine zusammenfassende Einordnung über die Geschehnisse der Novemberrevolution gegeben wird. Philipp von den Falken Erfurt – die immer wieder Veranstaltungen zur Geschichte der Novemberrevolution organisiert haben – spricht über die Ursachen der Novemberrevolution und die Frage, wie konkret und verankert revolutionäre Ideen damals in der Arbeiterschaft gewesen sind. Dabei geht es auch um die Rolle der SPD. Im Gespräch, das Radio Corax bereits im Dezember 2015 geführt hat, antwortet er zunächst auf die Frage nach den Ursachen der Novemberrevolution.

    Download: via FRN (mp3; 36 MB; 15:53 min)

2.) Die Osterkonferenz 1916 in Jena

Während die SPD nach der Bewilligung der Kriegskredite gemeinsam mit den Gewerkschaften eine Politik des Burgfriedens vertrat, wehrten sich viele Mitglieder der sozialdemokratischen Jugendorganisationen gegen den Kriegskurs und traten aktiv gegen den Krieg ein – wie sich etwa in der Autobiografie von Karl Retzlaw oder in der Biografie von Karl Plättner nachlesen lässt. Die Arbeiterjugendbewegung war daher auch besonders empfänglich für radikalere Ideen, wie sie von der Gruppe um Liebknecht und Luxemburg oder den Bremer Linksradikalen vertreten wurden. So fanden sich zu Ostern 1916 in Jena auf der „Osterkonferenz gegen Militarismus und Krieg“ Aktive der Arbeiterjugend aus ganz Deutschland zusammen und berieten über die Perspektiven einer antimilitaristischen Opposition. Im Januar 2016 haben die Thüringer Falken eine Veranstaltung zur Erinnerung an die Osterkonferenz organisiert. Radio Corax hat mit Philipp von den Erfurter Falken darüber gesprochen und ihn zunächst nach der gesellschaftlichen Situation gefragt, in der die Osterkonferenz organisiert worden ist.

    Download: via FRN (mp3; 38 MB; 16:36 min)

3.) Die Arbeiterbewegung in der Novemberrevolution

Im Gespräch mit dem Historiker Dietmar Lange – Mitglied der Redaktion der Zeitschrift „Arbeit – Bewegung – Geschichte“ – hat Radio Corax explizit darauf geschaut, wie sich die Arbeiterbewegung im Zuge der Novemberrevolution verändert hat. Voraussetzung ist dafür zunächst, sich die Klassenverhältnisse im Deutschen Kaiserreich und die damalige Rolle der SPD anzuschauen. Das Gespräch dreht sich dann um die Ursachen, warum SPD und Gewerkschaften den 1. Weltkrieg mitgetragen haben und im Zuge der Novemberrevolution zu einer gegenrevolutionären Kraft wurden. Es geht dann um die Rolle der USPD und die Forderung nach einem „Ende des Bruderstreits“, die im Zuge der Novemberrevolution in der sozialdemokratischen Basis laut wurde.

    Download: via FRN (mp3; 36 MB; 19:52 min)

4.) Von Spartakus zur KPD

Die KPD gründete sich erst im Zuge der Novemberrevolution, zum Jahreswechsel 1918/19. Mit der „Gruppe Internationale“, dem „Spartakusbund“, den Bremer Linksradikalen und den Internationalen Kommunisten Deutschlands sind wichtige Vorgängergruppierungen aus der radikalen Linken genannt. Über die Aktivitäten dieser Vorgänger-Gruppierungen (mit Fokus auf Gruppe Internationale und Spartakusbund), die Ursprünge der Kommunistischen Partei und ihren Charakter sprach Radio Corax mit dem Historiker Ottokar Luban, u.a. Sekretär der Internationalen Rosa-Luxemburg-Gesellschaft.

    Download: via FRN (mp3; 58 MB; 41:54 min)

5.) Rosa Luxemburg und die Bremer Linksradikalen

Die Bremer Linksradikalen wurden hier schon benannt. In einer Ausgabe der Sendereihe Wutpilger-Streifzüge vom Januar 2018 wurde gemeinsam mit dem Historiker Jörg Wollenberg ein genauerer Blick auf diese Gruppierung geworfen. Dabei geht es insbesondere um die Beziehung zwischen den Bremer Linken und Rosa Luxemburg – um Gemeinsamkeiten und Kontroversen zwischen ihnen. Ein Vortrag von Wollenberg über die „Dissidenten der Arbeiterbewegung“ ist hier dokumentiert – dort gibt es einen genaueren Überblick über die radikaleren Spaltprodukte der Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik. Im zweiten Teil der Sendung geht es dann auch um den Rätekommunismus in der Weimarer Republik, insbesondere um die KAPD – das zugrundeliegende Interview mit Seb Bronsky findet sich hier, ein Vortrag von ihm zum Thema ist hier dokumentiert.

    Download: via archive.org (mp3; 96.1 MB; 1 h)

Gewerkschaft oder Klassenkampf?

Wir dokumentieren hier eine Veranstaltung zur Kritik der Gewerkschaften – einen Vortrag von Christian Frings, organisiert von der Translib Leipzig. Anlässlich dieser Veranstaltung ist auch eine Radiosendung entstanden – eine Ausgabe der Sendereihe Wutpilger-Streifzüge, die wir hier voranstellen. In der Radiosendung geht es um die historischen Ursprünge der Gewerkschaftsbewegung, um die Rolle der Gewerkschaften im 1. Weltkrieg und ihren Charakter als halbstaatliche Organisationen, sowie um den Charakter von Tarifverträgen und dem damit verbundenen Streikrecht. Eingestreut sind außerdem kurze Ausführungen zu Waren- und Lohnfetisch.

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Ähnliche Punkte führt Christian Frings auch im Vortrag aus – er geht zusätzlich auf Beispiele der Entwicklung von Gewerkschaften in den letzten 40 Jahren in Brasilien, Südafrika und Südkorea ein und berichtet von den Erfahrungen des Streiks bei Gate Gourmet.

Die rechtspopulistischen Mobilisierungen nicht nur in Ostdeutschland, sondern auch in anderen Ländern Europas, in den USA, der Türkei oder Brasilien haben zu einem neuen Interesse in linken Kreisen an Fragen des Klassenkampfs geführt. Dabei richten sich die Hoffnungen oft auf eine Revitalisierung gewerkschaftlicher Kämpfe und die Überwindung einer sozialpartnerschaftlichen Befriedungspolitik, die sich an nationalen Standortvorteilen in der internationalen Konkurrenz orientiert und damit den aufkommenden Nationalismus geradezu fördert.

Solche Erwartungen sind in der Vergangenheit immer wieder enttäuscht worden, ohne dass nach den grundlegenden Zusammenhängen zwischen der Organisationsform Gewerkschaft und den Mystifikationen der kapitalistischen Produktionsweise gefragt wurde. Als das internationale Kapital Ende der 1960er-Jahre massiv in die industrielle Produktion in Brasilien und Südafrika investierte, entstanden dort in kurzer Zeit militante Klassenkämpfe, aus denen neue kämpferische Gewerkschaftsorganisationen entstanden. Die brasilianische CUT und die südafrikanische COSATU galten als beispielhaft für die Möglichkeit, alte bürokratisch verkrustete Gewerkschaftsstrukturen durch soziale Bewegungsgewerkschaften zu überwinden. Ähnlich vielversprechend war die gewerkschaftliche Entwicklung in Südkorea, nachdem dort eine massive Streikwelle 1987 die sozialen und politischen Verhältnisse erschüttert hatte. Heute müssen wir ernüchtert feststellen, dass es in allen drei Fällen mit dem Rückgang der offenen Kämpfe wieder zu einer Bürokratisierung und Verknöcherung dieser Organisationen gekommen ist. Sie treiben nicht die Klassenkämpfe voran, sondern haben sich in den Staat integriert und tragen zur sozialen Befriedung bei. Reiner Zufall?

In diesen Ländern des globalen Südens scheint wie im Zeitraffer ein Prozess abgelaufen zu sein, für den es im 19. Jahrhundert in Westeuropa Jahrzehnte brauchte. In mühevollen Debatten und Kämpfen musste überhaupt erst geklärt werden, was „freie Lohnarbeit“ sein soll, wenn doch in jedem Arbeitsverhältnis der Eigentümer der Produktionsmittel die Befehlsgewalt hat und kommandiert. Eine kollektivvertragliche Regelung der Arbeitsbedingungen, wie wir sie heute als Tarifvertrag für selbstverständlich halten, war zunächst sowohl für die Juristen und Staatsmänner als auch für die ersten Zusammenschlüsse von Arbeiter*innen völlig undenkbar – zumal es noch gar keine gerichtlichen Instanzen gab, die die Einhaltung solcher Verträge hätten erzwingen können. Erst nach der großen Streikwelle der Jahre 1889/1890 in Westeuropa, die zum größten Teil von bis dahin noch nicht organisierten Arbeiter*innen ausging, kam es zu einer Verfestigung von Gewerkschaften als Massenorganisationen. Sie konnten sich zunehmend auf die Anerkennung durch Unternehmer und den Staat stützen, von der wiederum ihre organisatorische Stabilität abhing. Die nationalistische Haltung dieser Organisationen im Ersten Weltkrieg war lediglich das konsequente Ergebnis dieser Integration in den Staat.

Diese historischen Befunde werfen die Frage auf, was diese Entwicklungstendenz gewerkschaftlicher Organisierung, die schon Anfang des 20. Jahrhunderts als „ehernes Gesetz der Oligarchie“ bezeichnet wurde, mit den allgemeinen Mystifikationen und Fetischformen der kapitalistischen Produktionsweise zu tun haben könnte. Von zentraler Bedeutung ist dabei die radikale Kritik der Lohnarbeit, wie sie Marx im „Kapital“ entwickelt hat – von der aber heute in linken Kreisen wenig gesprochen wird, weil die Wiederherstellung eines auf Lohnarbeit beruhenden „Normalarbeitsverhältnisses“ das einzig denkbare linke Reformziel zu sein scheint. Das Leiden der Menschen an dieser Normalität findet damit aber keinen – jedenfalls keinen linken und gesellschaftskritischen – Ausdruck mehr.

Diese theoretische und historische Kritik der Gewerkschaft verfolgt einen praktischen Zweck: Möglichkeiten und Wege zu eröffnen, an radikalen Tendenzen in sozialen Konflikten und Streiks anzuknüpfen und ihre Potentiale auszuloten, über die institutionelle Befriedung der Klassengegensätze hinauszugehen. Dies soll abschließend an einigen Beispielen und Erfahrungen erläutert werden.

Christian Frings ist Aktivist, Autor und Übersetzer aus Köln. Seit den 1970er-Jahren beschäftigt er sich mit der Kritik der politischen Ökonomie von Karl Marx und Fragen der globalen Klassenkämpfe. Als prekärer Jobber und Leiharbeiter hat er die verschiedensten Fabriken und Unternehmen in seiner Region kennengelernt und unterstützt selbstständige Arbeiter*innenkämpfe. (via)

    Download: via AArchiv (mp3; 99.5 MB; 1:12:31 h)

Bei labournet findet sich von Christian Frings der Text Should I Stay Or Should I Go? Gewerkschaften zwischen Sozialpartnerschaft und realen Arbeitskämpfen.

Revolution in Deutschland 1918-23 #1

Wir beginnen hier eine Beitragsreihe, die sich mit der Geschichte der Novemberrevolution bzw. der Revolution in Deutschland 1918-23 auseinandersetzt. Unsere Zusammenstellung orientiert sich dabei weitestgehend an einer thematischen Sendereihe von Radio Corax, wobei wir jedoch zusätzlich ergänzende Beiträge und Vortragsmitschnitte hinzufügen.

1.) Deutsche ohne Bahnsteigkarte

Wir beginnen mit einem Studiogespräch mit Daniel Kulla, in dem er einen allgemeinen Überblick über den Charakter der „Novemberrevolution“ gibt. Dabei korrigiert er einige Missverständnisse über diese Revolution – u.a. merkt er an, dass sie sich weder auf den November noch auf die Jahre 1918/19 beschränkt hat. Er vertritt dabei den Ansatz, die Geschichte der Novemberrevolution jenseits der bisherigen Partei-Geschichtsschreibungen in den Blick zu nehmen und sie als eine Massenbewegung von unten zu begreifen. Unter dem Titel „Deutsche ohne Bahnsteigkarte“ hat Kulla auch einen Beitrag in der Corax-Programmzeitung Oktober/November 2018 veröffentlicht – eine extended version dieses Textes stellt das Transit-Magazin zur Verfügung.

    Download: via FRN (mp3; 49 MB; 30:40 min)

2.) Revolution 1918/19 – Die Spaltung der Sozialdemokratie

Der marxistische Politikwissenschaftler Wolfgang Abendroth (1906-1985) hat als Professor in Marburg zahlreiche Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung (auch ihres dissidenten und radikalen Teils) ermöglicht. Ende der 1970er-Jahre hat er selbst eine Vorlesungsreihe zur Geschichte der Arbeiterbewegung gehalten, die auf einer Dokumentationsseite zur Verfügung gestellt wird. Im Rahmen dieser Vorlesungsreihe hat er auch zur Novemberrevolution gesprochen. Er rekonstruiert die Revolution zunächst knapp ereignisgeschichtlich, um dann auf die marxistischen Debatten innerhalb der Sozialdemokratie jener Zeit einzugehen. Die ganze Vorlesungsreihe kann hier nachgehört oder hier heruntergeladen werden.

    Download: via AArchiv (mp3; 42.2 MB; 23:02 min)

3.) 100 Jahre Revolution 1918/19

Im März 2018 hat der Regisseur und Autor Klaus Gietinger das Buch November 1918 – Der verpasste Frühling des 20. Jahrhunderts veröffentlicht. Es trägt den aktuellen Forschungsstand zur Novemberrevolution zusammen und bringt ihn in eine gut lesbare Form. Wir dokumentieren hier einen Vortrag, den Gietinger an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg gehalten hat. Es empfiehlt sich die Video-Version des Vortrags anzusehen, da Gietinger in seinem Vortrag immer wieder Bezug auf die gezeigten Folien nimmt – die von uns dokumentierte Audioversion ist leicht nachbearbeitet. Im Vortrag skizziert er die Ereignisse von 1918/19 – von der Veränderung der Sozialdemokratie vor und im Zuge des 1. Weltkriegs, über den 9. November 1918, bis hin zu den Januarkämpfen und der Ermordung Luxemburgs und Liebknechts… – es wird vor allem das Agieren einzelner Personen dargestellt. Klaus Gietinger hat außerdem ein Buch über die Ermordung Rosa Luxemburgs veröffentlicht – gerade bereitet er ein Buch über den Kapp-Putsch und dessen Abwehr vor.

Was bleibt? Eine Revolution, die einen Weltkrieg beendete, parlamentarische Demokratie erkämpfte, die aber noch viel mehr im Köcher hatte. Die revolutionären Arbeitermassen wünschten eine neue Form von Demokratie, die nicht bloß parlamentarisch sein sollte, sondern auch den Kapitalismus und Militarismus abschaffen wollte, eine Demokratie ganz neuen Typs’. Ob dies neben oder mit einer Nationalversammlung möglich war, bleibt offen. Aber es war eine ungenutzte Chance. Hätte die Novemberrevolution wenigstens in Teilen gesiegt, es hätte vermutlich keinen Hitler und vermutlich auch keinen Stalin gegeben. (via)

    Download: via AArchiv (mp3; 83.9 MB; 1:01:06 h)

4.) Revolution in Deutschland 1918-23

2018/2019 hat Daniel Kulla in zahlreichen Städten Vorträge über die Novemberrevolution gehalten. Wie schon zum oben dokumentierten Studiogespräch angemerkt, legt Kulla Wert darauf, dass wir es mit einem längeren Zeitraum zu tun haben, in dem eine kommunistisch-rätesozialistische Revolution eine reale Option ist – daher steckt er den Zeitraum von 1918 bis 1923 ab. Wir dokumentieren hier einen Vortrag, den Kulla am 12.09.2018 in Kassel gehalten hat. Er gibt dabei einen Überblick über die revolutionären Bestrebungen in diesem Zeitraum und wie die Konterrevolution diese Bestrebungen vernichtet, was schließlich auch eine Voraussetzung zum Aufstieg des Nationalsozialismus wird. Am Ende empfiehlt er, der Verdrängung der wirklichen Revolutionsgeschichte entgegenzuwirken, schlägt einen Bogen zur Gegenwart, argumentiert für die Aktualität der damaligen Kämpfe und gibt u.a. Betriebsbesetzungen in Argentinien als positives Beispiel der Gegenwart an. Auch hier lohnt es sich, die Video-Version anzusehen, in der Folien und Video-Auszüge zu sehen sind – die Folien stellt Kulla auch auf seinem Blog zur Verfügung.

Die Novemberrevolution 1918 hat es gerade so ins landläufige Geschichtsbild geschafft, zumindest unter Linken geht sie noch bis Januar 1919 weiter. Der Höhepunkt der revolutionären Bewegung im März 1919 ist hingegen unter den diversen historischen Siegererzählungen fast verschwunden, was auch die Rückschau auf die weiteren Massenstreiks, Sozialisierungen und Erhebungen bis 1923 sowie die Folgegeschichte prägt. (Nazis redeten nicht gern genauer darüber, wen sie da zusammengeschossen hatten und für wen; die SPD redete gar nicht gern darüber, auf wen sie die ersten Nazis so alles hat schießen lassen; die KPD redete nicht ganz so gern darüber, auf wen geschossen wurde, wenn es nicht ihre Leute waren oder sich zumindest als solche reklamieren ließen.)

So ist das wichtigste revolutionäre Vorbild in der deutschen Geschichte genau deshalb fast vergessen, weil es in so hohem Maß selbstorganisiert war und damit nicht in die übliche nationale wie antinationale Vorstellung vom Deutschen passt, sich weder für Vereinnahmung noch als Schreckbild anbietet. Gleichermaßen in Vergessenheit geraten sind die Konsequenzen: Sowohl der Aufstieg des Nationalsozialismus als auch sein konkretes Erscheinungsbild – mehr als bei jedem anderen Faschismus eine Verkleidung als Arbeitskräfterevolution – erscheinen ohne diese Vorgeschichte kaum begreiflich. Kulla schlägt vor, die kommenden fünf Jahre der revolutionären 100. Jahrestage ab November 2018 dazu zu nutzen, diese Geschichte so sichtbar wie möglich zu machen. (via)

    Download: via AArchiv (mp3; 125.6 MB; 1:31:29 h)

5.) Zur Rezeptionsgeschichte der Novemberrevolution

Die Aufmerksamkeit, die historischen Ereignissen zuteil wird, unterliegt stets Konjunkturen – sie sind geschichtspolitisch umstritten und wenn die Bezugnahme auf sie zum „Kanon“ wird, spricht dies dafür, dass sie erfolgreich für das Bestehende instrumentalisiert werden. Die Novemberrevolution war lange Zeit unbeachtet, da sie den verschiedenen Parteien nicht recht in den Kram passte – inzwischen spricht gar das Kieler Stadtmarketing von einer Revolution für die Demokratie. Radio Corax hat mit dem Historiker Marcel Bois gesprochen, der zur Rezeptionsgeschichte der Novemberrevolution geforscht hat. Im Gespräch schildert er die Konjunkturen, die die Beforschung und geschichtspolitische Bearbeitung der Novemberrevolution in unterschiedlichen Phasen von verschiedenen Akteuren erfahren hat. Im Gespräch antwortet er zunächst auf die Frage, welche Deutungen zur Novemberrevolution in der Weimarer Republik vorherrschend gewesen sind:

    Download: via FRN (mp3; 31 MB; 19:09 h)

Etwas ausführlicher hat Marcel Bois seine Überlegungen auf einem Workshop der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Kiel dargelegt (vom Sound her etwas angenehmer als das Telefon-Interview):

    Download: via FRN (mp3; 46 MB; 33:30 h)

Im nächsten Beitrag dokumentieren wir Beiträge, in denen genauere Abläufe geschildert werden (Matrosenaufstand in Wilhelmshaven Kiel, die Revolution in Berlin und Halle) und wie sich die Arbeiterbewegung im Zuge des Weltkriegs und der Novemberrevolution neu zusammengesetzt hat.

Zur marxistischen Kritik des Kolonialismus und Rassismus

1.) Negrophobie – Grundsätzliches zum Rassismus gegen schwarze Menschen

Im ersten Teil seines Vortrags, den Dennis Schnittler am 18.04.2019 in der Translib Leipzig gehalten hat, rekonstruiert er den Zusammenhang von Kapitalismus und Kolonialismus, wie daraus eine globale Trennung innerhalb des Proletariats entsteht und wie dies im Rassismus naturalisiert wird. Im zweiten Teil stellt er einige psychoanalytische Überlegungen an, wobei es insbesondere um sexuelle Projektionen auf Schwarze geht. In einem dritten, politischen Teil geht es um die Stellung der Geflüchteten in der bundesdeutschen Ökonomie und wie darauf aus kommunistischer Sicht zu reagieren wäre. Der Vortrag basiert in großen Teilen auf einem Beitrag, den Schnittler zum Sammelband „Freiheit ist keine Metapher – Antisemitismus, Migration, Rassismus, Religionskritik“ (Querverlag) beigetragen hat. Überlegungen zum Thema gibt es auch auf dem Blog marias first und einen Podcast zum Thema hier.

Die stereotypen Ressentiments, die viele weiße Menschen gegen schwarze Menschen hegen und das Phänomen des anhaltenden, weit verbreiteten Rassismus überhaupt werden heutzutage primär soziologisch und psychologisch gedeutet. In den Vorstellungen, auch linker Antirassistinnen und Antirassisten, erscheint der Rassismus immer wieder als eine Art ‚toxischer Volksglaube’, als bloße Herrschaftsideologie, die mit engagierter Aufklärung und staatlichen Antidiskriminierungsmaßnahmen aus der Welt geschafft werden könnte. Dass dies so nicht funktionieren kann, zeigen die diversen, rassistisch motivierten Angriffe, z.B. gegen geflüchtete Menschen. Es reicht jedoch nicht aus, die traurige Don Quijoterie vieler bürgerlich-antirassistischer und linksradikaler Kampagnen zu bejammern und den mangelhaften Interpretationen des Phänomens zu widersprechen. Was zu bewerkstelligen wäre, ist zuvorderst eine materialistische und historische Untersuchung des negrophoben, bzw. rassistischen Syndroms, das über alle gesellschaftlichen Entwicklungen hinweg, in allen „zivilisierten“ Ländern des Westens, mindestens in den letzten 150 Jahren, in seinem Charakter weitgehend gleich geblieben ist.

Dabei sind zwei Fragen zentral:

1. Warum hat der Rassismus gegen Schwarze seine grundsätzlichen Wesenszüge beibehalten, obwohl sich die kapitalistische Gesellschaft immer wieder verändert hat und Schwarze inzwischen alle Rechte innehaben und nahezu alle Bastionen erobert haben, die zuvor häufig nur Weißen vorbehalten blieben?

2. Aus was besteht der gesellschaftliche Nährboden, aus dem sich die rassistisch-stereotypen Denkweisen speisen, die sich immer wieder (v.A. in Zeiten der persönlich erlebten, gesellschaftlichen Krise) zum mörderischen Hass aufpeitschen?

Dennis Schnittler ist Autor gesellschaftskritischer Texte und Vorträge und unterhält den Blog Marias First. Zuletzt beschäftigte er sich mit Verschwörungstheorien. Der Vortrag umfasst einen ökonomischen, einen psychoanalytischen und einen politischen Teil und dauert circa 120 Minuten. Zum Vortrag gehört ein ausführlicher Reader, der hier heruntergeladen werden kann und bei der Veranstaltung ausliegen wird. Nach dem Vortrag kann diskutiert werden.

Triggerwarnung/FSK: Der Vortrag enthält die Darstellung drastischer rassistischer und sexueller Gewalt und die Nennung diverser rassistischer Begriffe in Wort und Bild und ist deswegen nur für erwachsene Menschen ab dem 18. Lebensjahr geeignet.
(via)

    Download: via AArchiv (mp3; 105 MB; 1:16:50 h) | hören bei Youtube

Gruß an S. von L. aus Halle.

2.) Black Marxism

In einem Vortrag, den Christian Frings 2013 bei den linken Hochschultagen in Zürich gehalten hat, arbeitet er Schwachstellen in der marx’schen Theorie heraus: Marx habe keinen ausreichenden Begriff von Kolonialismus und Sklaverei gehabt, reproduziere Vorstellungen von „geschichtslosen Völkern“ und halte Kolonialisierung zum Teil für einen notwendigen Zwischenschritt innerhalb einer Fortschrittsgeschichte. Gleichzeitig verweist Frings auf einen antikolonialistischen Ansatz in Marxens Werk, der u.a. im Fetischkapitel sichtbar wird. Im Anschluss daran gibt er einen Überblick über den „Black Marxism“ (in Anschluss an das Buch „Black marxism: the making of the black radical tradition“ von Cedric Robinson). Dabei geht es insbesondere um den Versuch, den Zusammenhang von Kapitalismus und Sklaverei zu fassen, und u.a. um die Geschichte schwarzer Arbeiterrevolten in den USA und der Revolution in Haiti (siehe: Hegel und Haiti). Ein Text von Frings über Sklaverei und Lohnarbeit findet sich hier.

Mit dem Beginn der weltweiten ökonomischen Krise seit 2007 findet die radikale Kapitalismuskritik von Marx wieder größeres Interesse. Ihr Anspruch war und ist es, in den Widersprüchen der heutigen Gesellschaft Bedingungen und Möglichkeiten einer allgemeinmenschlichen Emanzipation zu finden. Aber dieser Anspruch auf universelle und damit wirklich globale Befreiung bricht sich an westlichen oder eurozentristischen Prägungen dieser theoretischen Kritik, die oftmals ausgeblendet bleiben. Marx und Engels hatten von Hegel unreflektiert dessen Begriff der „geschichtslosen Völker“ übernommen, von dem sie sich erst unter dem Eindruck der großen außereuropäischen Sozialrevolten der 1850er Jahre (der Sepoy-Aufstand in Indien 1857 und die Taiping-Revolte in China 1850-1864) und durch die Orientierung am antikolonialen Kampf der Iren teilweise lösen konnten. Ebenso ungeklärt bleibt in Marx‘ Kritik die Bedeutung des rassistisch eingefärbten globalen NordSüd-Gefälles, und damit auch der modernen Sklaverei, für das Funktionieren und Überleben des kapitalistischen Weltsystems. An dem heutigen Wendepunkt der Weltgeschichte, an dem sich die revolutionäre Dynamik unabweisbar im globalen „Süden“ entfaltet, muss sich die Linke in den Metropolen mit den eurozentristischen Grenzen der Marxschen Kritik auseinandersetzen, gerade um an ihrer radikalen Entmystifizierung der Fetischgestalten des Kapitals festhalten zu können. Im Vortrag sollen auf den Spuren eines „Black Marxism“ (Cedric Robinson) Ansatzpunkte und Perspektiven einer solchen Überwindung metropolitaner Begrenztheiten der Kapitalismuskritik dargestellt und diskutiert werden. (via)

    Download: via AArchiv (mp3; 168 MB; 2:02:34 h) | hören bei Youtube

„Wir werden nicht zur Normalität zurückkehren!“

Beiträge zur jüngsten Aufstandsbewegung in Chile

Wir dokumentieren hier zwei Beiträge, die sich mit der jüngsten Aufstandsbewegung in Chile auseinandersetzen. Zunächst ein Interview, das Radio Corax Ende Oktober, also kurz nach Ausbruch der Proteste, mit Dr. Bettina Schorr vom Lateinamerika Institut der Freie Universität in Berlin geführt hat. Sie ordnet Ursachen und Motivation der Proteste ein, spricht über soziale und ökonomische Bedingungen in Chile, über historische Hintergründe und die Repression.

    Download: via FRN (mp3; 43 MB; 18:54 min)

Unter dem Titel „Wir werden nicht zur Normalität zurückkehren, da die Normalität das Problem war“ fand am 30.11.2019 ein Gesprächsabend in der Translib Leipzig statt. Zu Gast waren drei GenossInnen aus Chile, die über ihre Erfahrungen während der Proteste berichtet haben. Zunächst gibt ein Mitglied der Translib eine Einführung, in der er die globalen Aufstandsbewegungen miteinander vergleicht – u.a. nimmt er Bezug auf die Gelbwestenbroschüre der Translib (dazu Interview: hier). Die GenossInnen aus Chile sprechen dann über die Ursachen und Motive der Bewegung, über ihre soziale Zusammensetzung, die Ausgangsbedingungen in Chile und über konkrete Kampferfahrungen. Während der Veranstaltung wurde auch der Film „Chile in Flammen“ gezeigt (in der Aufnahme nicht enthalten).

Seit Mitte Oktober kommt Chile nicht mehr zur Ruhe. Spontane Proteste von Schülerinnen und Studentinnen gegen eine Fahrpreiserhöhung vermochten es, mit der schrecklichen Normalität zu brechen, die viele Chileninnen seit Jahrzehnten verarmt und verschuldet in einer „Oase des Wachstums“ (Präsident Piñera) gefangen hält. Dieser Moment barg nun enorme Sprengkraft in sich. Den jungen Protesten gegen die Fahrpreiserhöhung schlossen sich sogleich Arbeiter_innen, ein urbanes Sub-Proletariat, die indigenen Mapuche, wie auch Teile der prekären Mittelschicht an. Aus einem limitierten Protest gegen Verteuerung wurde schnell eine soziale Mobilisierung gegen die gesamte politische Ordnung. Der Staat reagierte prompt und, wie in Chile üblich, mit brutaler Repression. So hat die Bewegung bereits zahlreiche Tote zu beklagen, ebenso wird über Folter, Vergewaltigungen und das Verschwindenlassen von Demonstranten berichtet. Die Regierung hat mittlerweile die Erhöhung zurückgezogen und weitere Zugeständnisse gemacht. In einem letzten Versuch, die Lage zu beruhigen, hat Piñera die Bildung einer von der Opposition geforderte verfassungsgebende Versammlung in Aussicht gestellt. Trotz der massiven staatlichen Gewalt und entgegen der Befriedungsversuche der Regierung halten die Proteste an und anstatt „zur Normalität zurückzukehren“ sind viele Leute weiterhin auf der Straße. Stellenweise haben sich lokale Versammlungen gebildet, die als Orte der Diskussion und der Selbstorganisation dienen.

Wir wollen gemeinsam mit chilenischen Genoss_innen aus Leipzig die Proteste in Chile in den Kontext der globalen Revolten einordnen, über die chilenische Normalität und die Proteste dagegen sprechen und uns insbesondere darüber austauschen, wie mit dieser Normalität gebrochen werden kann. Außerdem zeigen unsere Gäste ihren Kurzfilm „Chile in Flammen“, den sie anlässlich der Proteste produziert haben. (via)

    Download: via AArchiv (mp3; 102.9 MB; 1:14:55 h) | bei Youtube

Ein Auszug aus der im Anschluss geführten Diskussion findet sich hier. Im Vortragsgespräch wird gegen Ende auch auf die Tendenz zur Bildung von Vollversammlungen hingewiesen – dazu ein Text aus Chile „über die Wichtigkeit und Möglichkeiten der territorialen Vollversammlungen“, übersetzt von der Gruppe Eiszeit.

„Das Leben ändern, die Welt verändern“

Kunst, Spektakel & Revolution #7

Wir veröffentlichen einen weiteren Sammelbeitrag im Anschluss an die Beitragsreihe Talkin‘ bout a revolution und dokumentieren den siebten Teil der Weimarer Veranstaltungsreihe Kunst, Spektakel & Revolution (Teaser zur Reihe hier). „Das Leben ändern, die Welt verändern“ ist eine Reminiszenz an ein Zitat von André Breton: »›Die Welt verändern‹, hat Marx gesagt; ›das Leben ändern‹, hat Rimbaud gesagt. Diese beiden Losungen sind für uns eine einzige.« Gleichzeitig ist es Titel eines Sammelbandes von Edition Nautilus, in dem Dokumente und Berichte der 68er-Revolte zusammengestellt sind. Die Veranstaltungsreihe dreht sich um 1968, verweigert jedoch die Blickverengung auf ein einziges Jahr und bildet stattdessen einen Zyklus der Revolte von den 50er-Jahren bis in die 80er-Jahre ab.

Den Vortragsmitschnitten sind jeweils Interviews von Radio Corax mit den ReferentInnen vorangestellt, die im Vorfeld der Veranstaltungen entstanden sind. Die Interviews behandeln zum Teil bereits den Gegenstand des jeweiligen Vortrags, enthalten zum Teil aber auch Wissenswertes jenseits des engeren Veranstaltungsprogramms.

1.) »Geht doch arbeiten!« – Nicht-Arbeit und soziale Diskriminierung vom ›Halbstarken‹ bis zum ›Gammler‹

Interview mit Bodo Mrozek über Gammler und andere Sozialtypen in den 50er- und 60er-Jahren:

Ansammlungen von sogenannten Gammlern erregten in den ’60er Jahren großes Aufsehen und sorgten mitunter für äußerst aggressive Reaktionen. Anhand der Figur des Gammlers wurde verhandelt, wie die Öffentlichkeit, die Rollen der Geschlechter und das Verhältnis von Arbeit und Freizeit ausgerichtet sein sollen. Der Historiker Bodo Mrozek hat sich mit der Figur des Gammlers auseinandergesetzt. Da die Forschungen von Bodo Mrozek oft einen popgeschichtlichen Zugang haben, haben wir ihn zunächst gefragt, aus welcher Perspektive und mit welchen Fragestellungen er auf die Bewegung der Gammler blickt. (via)

    Download: via FRN (mp3; 31 MB; 19:10 min)

Im Vortrag schildert Bodo Mrozek (Zentrum für zeithistorische Forschung Potzdam) wie bereits in den 50er-Jahren Subkulturen entstehen, die sich der vorgesehenen Lebensplanung verweigern, in der die Lohnarbeit im Zentrum steht: Eckensteher, Halbstarke, Langhaarige, Gammler… Er geht insbesondere darauf ein, wie die Gesellschaft auf diese Art von Delinquenz reagiert hat und blickt sowohl in die BRD als auch in die DDR.

Ab den 50er Jahren treten in der BRD verschiedene Sozialtypen ins Zentrum von gesellschaftlichen Debatten – etwa Eckensteher, Halbstarke, Langhaarige oder Gammler. An diesen Figuren verdichteten sich auf je unterschiedliche Weise Diskurse über jugendliches Verhalten, Männlichkeit und Weiblichkeit, die Nutzung des öffentlichen Raumes und die Zuständigkeit des Staats. Zentral war dabei auch die tatsächliche oder unterstellte Verweigerung der (Lohn-)Arbeit. Die gegen Abweichler*innen in Stellung gebrachte Nützlichkeitsideologie wurde von Denormalisierungsängsten grundiert und mobilisierte neue Regierungstechnologien, führte aber langfristig zu veränderten Rollenbildern. Bodo Mrozek (Historiker am Zentrum für Zeithistorische Forschung, Potsdam) geht auf diese Debatten und auf Selbstbeschreibung und Fremdzuschreibung dieser Jugendlichen ein. (via)

    Download: via AArchiv (mp3; 108.1 MB; 1:07:26 h)

Bodo Mrozek spielt im Vortrag zwei Lieder, die in der Aufnahme nicht enthalten sind: Antoine »Les élucubrations« (bei h 1:04), Freddy Quinn »Wir« (bei h 1:06).

2.) Beat und Gammler, Konsum und Verweigerung – Jugend in Westdeutschland

Interview mit Wolfgang Seidel über die „Long Sixties“ in Westdeutschland:

„Alle reden von 1968 – Wir auch.“ Das ist in der aktuellen Programmzeitung von Radio Corax zu lesen. Es ist zugleich hinzugefügt, dass wir einen Unterschied machen wollen: wenn wir das Jubiläum „50 Jahre 1968“ thematisieren, dann mit einer gehöriger Portion Misstrauen gegenüber dem offiziellen Gedenk-Kanon. Die Fokussierung auf das Jahr 1968 ist verkehrt – es geht um eine langfristigere Entwicklung. Und diese Entwicklung war am wenigsten von der Studentenbewegung geprägt, wenngleich sich aus ihren Reihen diejenigen erhoben haben, die für Hartz IV und die Agenda 2010 verantwortlich sind. Das sagt Wolfgang Seidel – Drummer in der Gründungskonstellation der Ton-Steine-Scherben, Musiker und Autor. Wir sprachen mit ihm über seine Perspektive auf 1968 und fragten ihn zunächst, wie er den Jubiläums-Hype um 1968 wahrnimmt. (via)

    Download: via FRN (mp3; 28 MB; 17:36 min)

Im Vortrag formuliert Wolfgang Seidel (u.a. „Wir müssen hier raus! Krautrock, Freebeat, Reeducation“ – Interview zum Buch hier) eine Kritik der sogenannten 68er-Bewegung – er rekonstruiert, wie der studentische Teil der Bewegung in der Selbsthistorisierung den proletarischen Teil der Bewegung verdrängt hat. Er kritisiert in essayistischer Weise außerdem einige regressive Gehalte der 68er-Bewegung.

Kaum ist das Luther-Jahr vorbei, wird dieses Jahr 1968 als historische Wegmarke gefeiert. Dabei kommt 68 oder „die 68er“ untrennbar angekettet daher an die Begriffe Studentenbewegung oder Studentenrevolte. Die sollen, so der Tenor des Jubiläumsjahres, zwar nicht ihre sozialistischen Träume verwirklicht haben. Aber sie hätten eine Kulturrevolution vollbracht, die gescheiterte bürgerliche Revolution von 1848 vollendet, das Land demokratisiert und entnazifiert – also das moderne Deutschland geschaffen, das mit moralischem Überlegenheitsanspruch in der Welt auftreten darf.

Dazu eine Binsenweisheit: Geschichte wird von den Siegern geschrieben. Aus den Studenten von damals sind die Professoren, Journalisten, Autoren von heute geworden, die die Geschichtsschreibung bestimmen. Tatsächlich war die Zahl der Studenten gering. In den 1960ern machten nicht einmal 10% eines Jahrgangs Abitur. Davon waren nur wenige Teil des linken Spektrums, das heute als „die 68er“ erscheint. Dementsprechend begrenzt war ihre politische Wirkmacht. In Frankreich wurden die Studentenproteste erst dann für die Regierung De Gaulles bedenklich, als die Arbeiter von Renault die Fabriken besetzten. Der nicht studentische Teil des Protestes gegen die alten, autoritären Strukturen wie die Lehrlingsbewegung ist heute aber weitgehend vergessen.

Im Medien-Zeitalter hängt die Diskurshoheit ganz wesentlich davon ab, wer die einprägsamsten Bilder produziert. Im Jubiläumsjahr werden wir durch alle Medien hindurch eine Wiederholungsschleife erleben mit Bildern von untergehakt unter roten Fahnen voranstürmenden Demonstranten, der von einem Polizisten erschossene Benno Ohnesorg, oder den nackt posierenden Mitgliedern der Kommune und Uschi Obermaier mit dem Joint in der Hand. Bei dieser doppelt gefilterten Geschichtsschreibung fällt sehr viel unter den Tisch wie die Rolle junger Arbeiter und Lehrlinge oder die Rolle der Frauen.

Auch die Fixierung auf die Jahreszahl 68 ist fraglich. Die meisten Veränderungen, die das Land in dem Jahrzehnt von 1960 bis 1970 erfuhr, waren nicht das Ergebnis singulärer Ereignisse oder der Taten heldenhafter Revolutionäre sondern Prozesse, die sich auch ohne die Studentenbewegung auf Grund ökonomischer Entwicklungen und des Generationenwechsels vollzogen hätten. Das fing lange vor 68 an mit den Halbstarkenkrawallen, den Ostermärschen, der Beat-Musik oder den Gammlern, zumeist proletarischen Aussteigern, die die Gemüter der Spießer Mitte der 60er erregten. Man könnte die Frage stellen, ob nicht die von den Gewerkschaften durchgesetzte 5-Tage-Woche mehr für die kulturelle Veränderung getan hat, als die gesamte Textproduktion des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes.

Die 5-Tage-Woche war das Ergebnis des nach dem Krieg notwendig gewordenen Kompromisses zwischen Kapital und Arbeit und des Nachkriegsbooms. Freizeit ist auch ein Vorgeschmack auf Freiheit. Durch die gestiegenen Einkommen und das Mehr an Freizeit wurde erst so etwas wie eine Jugend- oder Popkultur möglich. Die ist zwar durchaus ambivalent in ihrer Mischung aus Freiheitsversprechen und Konsumismus. Für die Ideologen der Studentenbewegung aber war sie vor allem eines: angepasst. Die bogen sich das falsch verstandene Wort von der Kulturindustrie zurecht, indem sie es mit dem bürgerlichen antimodernen und antiwestlichen Kulturchauvinismus vermählten. Der Arbeiter, der endlich mehr wollte als nur malochen, war für sie der vom Konsum verblödete „eindimensionale Mensch“, weswegen sie sich ihr „revolutionäres Subjekt“ lieber in einer romantisierten Ferne bei nationalen Befreiungsbewegungen der Dritten Welt suchten. Man könnte die provokante Frage stellen, ob es eine gerade Linie gibt von der, trotz aller sozialistischer Rhetorik, Verachtung des Arbeiters hin zur Agenda 2010. Die haben die 68er ausgeheckt, die es beim Marsch durch die Institutionen an die Spitze geschafft hatten. (via)

    Download: via AArchiv (mp3; 150.9 MB; 1:34:13 h)

Im Interview und Vortrag werden zwei Filme angesprochen: »Das ist unser Haus« (1971), »Allein machen sie dich ein« (1973). Eine schriftliche Version des Vortrags findet sich hier. Eine Reaktion auf Seidels SDS-Kritik findet sich in einem Interview mit Peter Cardorff, das wir hier dokumentiert haben (direkt Nachhören hier).

3.) Politik und Psychedelik: Ostblock-Popkultur zwischen Nonkonformismus und “Normalisierung” 1968 – 1978

Interview mit Alexander Pehlemann über Ostblock-Popkultur 1968 – 1978:

Für die Jugendrevolten um das Jahr 1968 herum gaben Beat und Rock’n’Roll entscheidende Impulse. Dies war nicht nur im Westen der Fall, sondern auch im damaligen Ostblock. Dort gab es zum Teil ganz ähnliche pop- und subkulturelle Entwicklungen, die sich jedoch unter anderen Bedingungen entfalteten: Repression und Auftrittsverbote ließen einen Untergrund im tatsächlichen Wortsinn entstehen. (via)

    Download: via FRN (mp3; 28 MB; 17:25 min)

Alexander Pehlemann (Zonic) erkundet in seinem Vortrag musikalisch-subkulturelle Milieus des Ostblocks im Jahrzehnt nach 1968. Er schildert kenntnis- und anekdotenreich subkulturelle Zusammenhänge und Szenen in verschiedenen Ländern des Ostblocks und befördert dabei Radikales wie Skurriles zutage. Es ist im Grunde der gleiche Vortrag, den wir bereits hier dokumentiert haben.

Das Jahr 1968 war weltweit ein Aufbruch in vehementer Ablehnung der Verhältnisse, oft getragen vom Nonkonformismus der Hippie-Bewegung, die sich schnell auch in den Ländern des Warschauer Pakts etablierte. Deren „Love, Peace & Happiness“ wurde dort wegen der transportierten radikal-demokratischen, sexuell libertären, pazifistischen oder spirituellen Ideen schnell zur Provokation, auf die repressiv reagiert wurde. Am extremsten in der ČSSR nach dem Einmarsch des Warschauer Pakts im August 1968, der den „Prager Frühling“ beendete und die sogenannte „Normalisierung“ auslöste. Aber die Saat der Subkultur konnte nicht komplett unterdrückt werden, zumal das System sich im Widerspruch bewegte, den antikapitalistischen Jugend-Bewegungen des Westens wie der Dritten Welt aufgeschlossen gegenüber wirken zu wollen. Parallel entwickelten sich so auch Tendenzen der Tolerierung und sogar Förderung, die mit Einhegung und Reglementierung einhergingen, jedoch auch zu einer einzigartigen Phase gegenseitigen kulturellen Austauschs führte. Die mehrmedial unterfütterte Präsentation von „Post ´68“ wird daher nicht nur die jugendkulturelle und künstlerische Opposition betrachten, sondern zugleich das widerspruchsreiche Einsickern ihrer Ästhetik, in dessen Vor- und oft auch Rückbewegungen. Dabei geht es quer durch den gesamten Ostblock mit den jeweiligen Landesbedingungen sowie einmal durch die Dekade 1968-1978, an deren Ende mit Punk ganz neue radikale Ansätze kamen. An dem mit der Charta 77, gegründet in Reaktion auf die Unterdrückung künstlerischen Ausdrucks, sowie in Polen mit dem Komitee zur Verteidigung der Arbeiter zudem auch zwei politische Gruppen existierten, die den Beginn des Wegs zum Systemkollaps von 1989 markierten. (via)

    Download: via AArchiv (mp3; 217.2 MB; 2:15:35 min)

4.) Der Beginn einer Epoche? Eine kurze Geschichte von Detournement und Récupération des Mai ’68

Im Rahmen der KSR-Veranstaltungsreihe fand zum einen ein Vortrag über die Situationistische Internationale, andererseits ein Wochenendseminar über 1968 in Frankreich, Italien und weltweit statt. Im Vorfeld beider Veranstaltungen hat Radio Corax ein Interview mit Negator (der den Vortrag gehalten hat) und Kazimir (der am Wochenendseminar beteiligt war) über die Situationisten und den französischen Mai 1968 geführt, das wir bereits hier dokumentiert haben (hier zum Nachhören). Im Vortrag rekonstruiert Negator (Biene Baumeister Zwi Negator) die Ereignisse des Mai 1968 in Frankreich und geht dabei insbesondere auf die Situationistische Internationale ein, deren Vorgeschichte und Revolutionstheorie er einführt.

Sie haben „Deutschland wahlweise gründlich zivilisiert“ oder „an die Wand gefahren“: DIE 68er, vor dreißig, vierzig Jahren von den Punks noch als jener kumpelige Führungsnachwuchs gehasst, der nun die Zwänge im mitbestimmbaren Gewand exekutierte; Modernisierungsadel, Minister, Avantgarde für jeden Scheiß; in der Toskana, in Rente, verarmt – oder auch schon längst tot, verzweifelt daran, dass alles so weiterging. Aber auch in Italien, England, Mexiko, Japan oder den USA, ganz besonders aber Frankreich hat sich ein spektakuläres Bild von 68 in den Gencode nationaler Modernisierungserzählungen eingefressen, das vom allgegenwärtigen rechtsnationalistischen Backlash vehement bekämpft, inzwischen mit seinen Protagonisten von der Bühne abtritt. Was bleibt? Global scheint von der mit 68 konnotierten Erinnerung kaum mehr anderes kenntlich als die Modernisierung des Antisemitismus und des Antiamerikanismus. Das Projekt des Antiimperialismus und Kulturrelativismus, um 68 so gründlich modernisiert, hat sich im Islamismus wiedergefunden oder im Staat als letztlicher Appellationsinstanz.

Wars das? Dann wären alle jene massenhaft in den 60er Jahren weltweit manifest gewordenen Sehnsüchte und Hoffnungen nichts weiter als notwendiges Vorspiel zum gegenwärtigen dystopischen Resultat gewesen, jenes spektakulären Monologs des Weltzustands, der von sich nichts anderes mehr zu sagen weiß als: Es ist.

Wie aber die Arbeit der Widersprüche in der wechselhaften Epoche um dieses zum spektakulären Bild geronnenen Jahres 68 herum vor sich ging, wie ein Bewusstsein der Möglichkeiten über die Wiederaufnahme revolutionärer Kritik sich bildete und wieder verfiel, soll an einer der damals bewusstesten Assoziationen und ihrem Vorgehen namentlich in Frankreich dargestellt werden: der Situationistischen Internationale.

Erwartet werden darf eine kurze Geschichte von Detournement und Récupération im Mai ’68 – anlässlich des Jubiläums multimedial dargeboten durch Teile des Autor_en*kollektief Biene Baumeister Zwi Negator. (via)

    Download: via AArchiv (mp3; 191.1 MB; 1:59:17 h)

Die Radiosendung, die Negator im Vortrag anspielt, ist vollständig zum Nachhören hier dokumentiert.

5.) Zur Geschichte eines Bruchs: 1968 in globaler Perspektive

Vom Weimarer Wochenendseminar gibt es den Mitschnitt eines Input-Referats von Bernd Gehrke (AK Geschichte sozialer Bewegungen Ost-West). Im Vortrag rekonstruiert er global-gesellschaftliche und ökonomische Bedingungen der 68er-Revolte, macht einen Durchgang durch verschiedene Länder des Ostblocks und geht dabei auch auf marxistische Debatten jener Zeit ein.

    Download: via AArchiv (mp3; 108.7 MB; 1:07:50 h)

7.) Das Unvorstellbare ist nicht das Unmögliche: Herrschaftskritik und Literatur in der Zeitschrift ‚Die Schwarze Botin‘

Interview mit Katharina Lux über die Zeitschrift „Die Schwarze Botin“:

Die Zeitschrift „Die Schwarze Botin“ erschien von 1976 bis 1987 in 31 Ausgaben. Diese Zeitschrift zeichnete sich durch einen Anspruch auf Radikalität und Negativität aus, formulierte eine feministische Kritik am Feminismus und kam äußerst stilbewusst daher.

Katharina Lux (u.a. „Outside the Box“) wird am 07.06.2018 in der ACC Galerie Weimar einen Vortrag über „Die Schwarze Botin“ halten. Im Gespräch mit Radio Corax rekonstruiert sie die Entstehung und Entwicklung der Frauenbewegung, aus der heraus „Die Schwarze Botin“ entstand. Zunächst fragten wir sie, wie sie auf die Zeitschrift gestoßen ist. (via)

    Download: via FRN (mp3; 108.7 MB; 1:07:50 h)

Im Vortrag schildert Katharina Lux (Outide the Box) die Entstehung der autonomen Frauenbewegung und deren unterschiedliche Flügel. Im Zentrum des Vortrags steht dann die Kritik, die die Schwarze Botin an der Frauenbewegung aus feministischer Perspektive entwickelt hat, wobei sie auch auf Widersprüche und Schwachstellen dieser Kritik eingeht.

In Mitten der Revolte von 1968 und des Auflösungsprozesses des SDS nahm die Frauenbewegung mit der Gründung sozialistischer Frauengruppen wie dem Aktionsrat zur Befreiung der Frau und dem Frankfurter Weiberrat ihren Anfang. Das Ziel der Linken, alle Verhältnisse umzuwälzen, in denen der Mensch ein geknechtetes Wesen ist, verfolgte die Frauenbewegung konsequent: Kein Verhältnis – auch nicht das hierarchische Geschlechterverhältnis – sollte so bleiben wie es war. Bis Mitte der 1970er Jahre gründeten sich zahlreiche Frauenzentren und Frauengesundheitszentren, Selbsterfahrungsgruppen und Zeitschriften, die autonom von den gemischtgeschlechtlichen Gruppen der Linken, den Parteien und Gewerkschaften agierten. Sie waren die Orte, an denen eine gemeinsame Sprache gesucht und Erfahrungen geteilt, Begriffe und Theorien entwickelt und diskutiert wurden. Als Organe der Selbstverständigung und Kommunikation gründeten sich 1976/77 drei der wichtigen überregionalen Zeitschriften der autonomen Frauenbewegung, wenn auch mit unterschiedlichen Zielen: Courage. Berliner Frauenzeitung, Emma und Die Schwarze Botin.

Herausgeberin der Schwarzen Botin war die Historikerin Brigitte Classen. In der Redaktion arbeiteten neben Classen in unterschiedlicher Besetzung die Journalistin und spätere Schriftstellerin Gabriele Goettle, die Juristin Branka Wehowski, die Schriftstellerin Elfriede Jelinek und die Übersetzerin Marie-Simone Rollin mit. Ab 1983 war die Architektin Marina Auder Verlegerin der Zeitschrift. Bis zur letzte Ausgabe 1987 erschien die Schwarze Botin einunddreißig Mal in einer Auflage zwischen 3000 und 5000 Exemplaren. Die Zeitschrift versammelt wissenschaftliche Aufsätze, Essays, literarische Texte und Gedichte, Collagen, Glossen und satirische Kommentare. Sie lässt sich nicht eindeutig zuordnen: Sie ist weder ein wissenschaftliches Journal im akademischen Sinne, noch eine reine Literaturzeitschrift, noch ist sie eine Szene-Zeitschrift der Frauenbewegung, in der Informationen über Frauenzentren und Frauenfeste veröffentlicht werden, wie es in anderen Zeitschriften der autonomen Frauenbewegung der Fall war. Eindeutig aber ist die Zeitschrift in ihrem Anspruch, der „kritischen Auseinandersetzung mit feministischer Theorie und Praxis einerseits und der Zerstörung patriarchalischen Selbstverständnisses andererseits“ (Die Schwarze Botin) dienen zu wollen. Feministische Ideologiekritik war für die Zeitschrift die Kritik des gesellschaftlichen Bewusstseins und damit auch die (Selbst)Kritik des feministischen Bewusstseins. Was die Zeitschrift zu einem ungewöhnlichen Zeugnis ihrer Zeit macht, ist jedoch weniger die feministische Kritik des Feminismus als vielmehr die Mittel und der Modus der Kritik: Die Ideologiekritik der Schwarzen Botin vereinte provokative Satire und das Beharren auf der Negativität der Kritik. (via)

    Download: via AArchiv (mp3; 100.4 MB; 1:02:39 h)

8.) Züri brännt: Über die Jugendrevolten der ’70er und ’80er Jahre in der Schweiz

Der 7. Teil der KSR-Veranstaltungsreihe endete mit einer Doppelveranstaltung: Einem Vortrag von Miklós Klaus Rózsa und einer Vorführung des Films „STAATENLOS – Klaus Rózsa, Fotograf“ von Erich Schmid. Der Film zeigt Lebenswege von Klaus Rózsa und wie er sich mit der Polizeigewalt, die er dokumentiert hat und von der er betroffen war, und mit seiner jüdischen Vergangenheit auseinandersetzt. Hier zunächst das Interview mit Erich Schmid:

Klaus Rózsa ein bekannter, politisch engagierter Fotograf, lebte jahrzehntelang staatenlos in Zürich.Der Film arbeitet chronologisch und dokumentarisch das bisherige Leben von Klaus Rózsa auf. 1956 aus Ungarn geflohen, wuchs er in der Schweiz mit einem jüdischen Vater auf, der Auschwitz überlebte. Klaus Rózsa dokumentierte über Jahrzehnte die politischen Bewegungen von unten. Rozsa wurde mit 17 Jahren bei Protesten zu der Schließung des AJZ Bunker 1972 politisiert und diese Zeit fing er auch an zu fotografieren und Protest und polizeiliche Gewalt zu dokumentieren. Fokus des Films liegt auch auf der Staatenlosigkeit von Rozsa. Jahrzentelang lebte Klaus Rozsa in Zürich, alle seine Einbürgerungsversuche, 3 an der Zahl, wurden aus politischen Gründen abgelehnt. Wir haben uns mit Erich Schmid über seinen Film unterhalten und über die Hintergründe der Entstehung, und welche Prozesse der Film bei den Mitwirkenden ausgelöst hat. (via)

    Download: via FRN (mp3; 17 MB; 18:10 min)

Interview mit Miklós Klaus Rózsa:

1968 fand – wenn auch mit etwas Verzögerung – auch in der Schweiz statt. Die Kämpfe wurden dort vor allem immer wieder um Autonome Jugendzentren geführt – so im Jahr 1968 bei den Globuskrawallen oder 1980 beim Opernhauskrawall.

Am kommenden Donnerstag wird Miklós Klaus Rózsa in der ACC Galerie Weimar über die Jugendrevolten in den 70’er und 80’er Jahren in der Schweiz sprechen. Wir sprachen mit ihm vorab am Telefon über sein Vortragsthema und fragten ihn zunächst, was die Chiffre „1968“ in der Schweiz bedeutete. Zuletzt fragten wir ihn nach seiner Erfahrung mit Antisemitismus in linken Zusammenhängen. (via)

    Download: via FRN (mp3; 32 MB; 20:09 min)

Im Vortrag schildert Miklós Klaus Rózsa Verläufe der 68er-Bewegung in der Schweiz und deren Übergang in die Schweizer Jugendrevolten der 80er-Jahre. In der Schweiz drehten sich die Konflikte immer wieder um den Kampf um autonome Jugendzentren.

Am 30. Oktober 1970 eröffnete der Zürcher Stadtrat in einem Luftschutzkeller den Lindenhof-Bunker. Es sollte ein Autonomes Jugendzentrum sein. Der Bunker wird in der Folge rege frequentiert. Bereits Ende Dezember wird die, inzwischen besetzte, Autonome Republik Bunker durch die Polizei geräumt. Wenig später entsteht dort die Tiefgarage Urania. Hätte der Stadtrat (Exekutive) geahnt, was diese Schließung bewirken wird, er hätte wohl auf die Eröffnung des Zentrums oder auf die Schließung verzichtet.

Auf jeden Fall haben die 68-er Unruhen das Leben zumindest in Zürich, wenn nicht in der ganzen Schweiz, verändert. Die Jugend war nicht mehr bereit, alles als göttlich gegebene Ordnung hinzunehmen. In den 70er Jahren war natürlich die Anti-AKW Bewegung im Brennpunkt. Neben dem Dauerbrenner um den Kampf für autonome Räume, alternative Lebensformen und gegen die totale Kommerzialisierung des Lebensraumes.

Die 8oer Jahre waren geprägt von der Radikalisierung der Jugend: Nach Jahrzehntelangem Kampf um selbstverwaltete Räume, war die Jugend nicht mehr bereit, es bei friedlichen Protesten zu belassen. Dass die Repression in der Schweiz extreme Ausmaße annahm, dürfte immer noch – oder wieder, überraschen.

Die zweite Hälfte des Jahrzehnts war geprägt von einer kulturellen Entwicklung und dem Versuch, das von der Jugendbewegung erreichte nicht wieder zu verlieren. Die Wohnungsnot wurde immer drängender, die Gentrifizierung forderte ihre Opfer: Die Drogenszene nahm gigantische Ausmaße an und Zürich wurde zum Zentrum der europäischen Hausbesetzerszene. (via)

    Download: via AArchiv (mp3; 123.5 MB; 1:17:03 h)

Der Titel des Vortrags ist eine Reminiszenz an den Film „Züri brännt„. Ein Interview mit Christian Koller über die im Vortrag erwähnten Opernhauskrawalle gibt es hier.

Lost in Transformation

Konferenz zu aktuellen Analysen der ostdeutschen Gesellschaft

Anschließend an den Beitrag zur politischen Ökonomie des Ostens dokumentieren wir hier Aufnahmen von einer Tagung, die im Oktober 2019 in der Galerie KUB in Leipzig stattgefunden hat (leider liegen uns nicht die Mitschnitte von allen gehaltenen Vorträgen vor). Im Ankündigungstext zur Tagung hieß es:

Die Konferenz „Lost in Transformation“ möchte geläufige und weniger geläufige Analysen über die Eigenarten Ostdeutschlands versammeln und mit einer interessierten Öffentlichkeit debattieren. Neben aktuell diskutierten Fragen zum ostdeutschen Wohnungsmarkt, zum Rechtsruck und zur spezifischen ostdeutschen Wirtschaftsweise werden auch die ideologischen Hinterlassenschaften der DDR-Gesellschaft und die Widersprüchlichkeiten der Debatten zu Migration damals und heute beleuchtet. (via)

Wir dokumentieren zunächst ein Interview, das Radio Corax im Vorfeld der Tagung mit Dominik Intelmann geführt hat. Es geht um die Hintergründe der Tagung und die Motivation der OrganisatorInnen:

    Download: via FRN (mp3; 15 MB; 12:48 min)

0.) Wie schauen wir heute zurück?

Am Freitag Abend wurde die Konferenz mit einer Lesung und einem Podium eröffnet (die Lesung steht leider nicht zur Veröffentlichung zur Verfügung). Auf dem Podium diskutieren Caroline Krahl (Politisch Schreiben) und Anne Hoffmann (Outside the Box). Es geht um persönliche Erfahrungen in der Wendezeit, Anlässe der Auseinandersetzung mit der Geschichte der DDR, Zugänge zu Feminismus in der DDR und weiblicher Ost-Literatur, Position der Frauen in der DDR und in der Nachwendezeit. Diskutiert werden u.a. Christa Wolf, Brigitte Reimann, Irmgard Morgner… Leider gibt es irgendeinen Wackelkontakt, der sich negativ auf die Aufnahme ausgewirkt hat.

Hinweis: Wir warten noch auf die Freigabe zur Veröffentlichung.

    Download: via AArchiv (folgt)

1.) Einleitung zur Konferenz

Im Eröffnungsvortrag vom Samstag schildert Dominik Intelmann chronologisch die Konjunkturen der Aufmerksamkeit auf Ostdeutschland in der bundesdeutschen Öffentlichkeit seit dem ersten Jahrzehnt nach der Wiedervereinigung. Es geht um eine Art Bestandsaufnahme der Diskurse über Ostdeutschland: von regierungspolitischen Erzählungen, über die Kenntnisnahme und Analyse von rassistischen Mobilisierungen, bis zu einer emanzipatorischen ostdeutschen Perspektive. Eine weitere an der Organisation der Tagung beteiligte Person schildert die Vorgeschichte zur Tagung.

    Download: via AArchiv (mp3; 74.9 MB; 32:43 MB)

2.) Kapitalismus in der Peripherie – die Politische Ökonomie Ostdeutschlands

In seinem Vortrag geht Dominik Intelmann auf den Staatsinterventionismus im Osten ein und auf den spezifischen Transferkreislauf, der Kapital und Wert im Osten Deutschlands zirkulieren lässt. Zuletzt fasst er die Charakteristik ostdeutscher Ökonomie in mehreren Thesen zusammen. Im Grunde handelt es sich um eine leicht überarbeitete Version seines Vortrags, den wir bereits hier dokumentiert haben. In der Diskussion geht Intelmann noch einmal darauf ein, was es u.a. für Lohnkämpfe bedeutet, dass sich in Ostdeutschland keine lokale Bourgeoisie herausgebildet hat.

Die Politische Ökonomie Ostdeutschlands ist geprägt durch eine strukturelle Abhängigkeit vom westdeutschen Landesteil. Dabei schlägt sich das Fehlen einer lokalen Eigentümer*innenklasse in einer dauerhaften Transferabhängigkeit nieder. Im Beitrag wird diese bis heute andauernde Konstellation anhand der politischen Richtungsentscheidungen im Wiedervereinigungsprozess rekonstruiert.

    Download: via AArchiv (mp3; 153 MB; 1:07:11 h)

3.) Die Widersprüche der SED-Ideologie und ihre Auswirkungen

Absicht des Vortrags von Jeanne Franke ist es, die Widersprüche der SED-Ideologie aus nicht-antikommunistischer Sicht darzulegen. Es geht dabei um die Frage, ob die DDR eine Diktatur des Proletariats oder eine Parteiendiktatur gewesen ist. Diese Frage diskutiert Franke anhand der Produktionsbrigaden, deren Entstehung und Entwicklung sie rekonstruiert. These des Vortrags ist, dass die Brigaden zur Integration in die Parteidiktatur dienten, von den Arbeitern jedoch im Sinne des Begriffs des Eigensinns (Hegel) angeeignet wurden. In der Diskussion dreht es sich u.a. um Klassen-, Milieu- und Generationsunterschiede innerhalb der DDR und um die Frage nach der Möglichkeit des Vergleiches zwischen DDR und Nationalsozialismus.

In den öffentlichen Auseinandersetzungen um Ostdeutschland wird die DDR häufig pauschal als eine zweite deutsche Diktatur und autoritäres Regime bestimmt. Ziel des Vortrags ist es, einen differenzierteren Blick auf die politische Herrschaft der SED zu werfen und die Idee eines sozialistischen Staates ernst zu nehmen. Im Mittelpunkt stehen dabei das Verhältnis zwischen Demokratie und Diktatur sowie Internationalismus und Antiimperialismus.

    Download: via AArchiv (mp3; 194 MB; 1:24:49 h)

4.) Migrationserfahrungen in Ostdeutschland

In der Podiumsdiskussion geht es um Die Perspektiven ehemaliger Vertragsarbeiter*innen und der Nachwendegeneration. Am Podium nahmen teil: Nhi Le, freie Journalistin und Bloggerin und Emiliano Chaimite, Vorsitzender des Dachverbands Sächsischer Migrantenorganisationen. Fragen des Podiums sind u.a.: Welche Erfahrungen haben MigrantInnen in der DDR gemacht, wie haben MigrantInnen die Wendezeit erfahren, wie hat sich der Rassismus seit der Wende verändert, welche Kontinuitäten gibt es, welche (spezifischen) Formen von Rassismuserfahrungen gibt es in Ostdeutschland heute? Die Aufnahme bricht nach etwa 1:20 h (nach der Öffnung der Diskussion zum Publikum) ab.

In einem Gespräch mit anschließender Diskussion werden die Erfahrungen unterschiedlicher Generationen von Menschen mit Migrationserfahrung in Ostdeutschland in den Blick genommen. Welche spezifischen Veränderungen brachte die Wiedervereinigung und inwiefern knüpfen aktuelle Widersprüchlichkeiten innerhalb der Debatten um Migration an diejenigen der Wendezeit an? Welche Rolle spielen die Kategorien Ost und West heute?

    Download: via AArchiv (mp3; 184 MB; 1:20:34 h)

5.) Die Wohnungsfrage(n) in Ostdeutschland

– zwischen sozialer Ungleichheit und politischem Autoritarismus. Im Doppelvortrag skizziert zunächst Elisa Gerbsch grob die Ursprünge der Wohungsfrage im 19. Jahrhundert, um dann auf die Wohnungsverhältnisse (und damit verbundene soziale Segregation) in der DDR einzugehen. Basierend auf einer kurzen (polit-ökonomischen) Rekonstruktion der Wendezeit beschreibt sie dann die Besonderheiten der Wohnungsfrage in Ostdeutschland nach 1991. Dass die Wohnungsfrage sich in Ostdeutschland besonders verschärft darstellt, ist ihres Erachtens vor allem auf politische Entscheidungen zurückzuführen. In seinem Vortragsteil geht dann Paul Zschocke auf das Fallbeispiel Leipzig-Grünau ein. Er stellt einen Zusammenhang zwischen sozialer Segregation und rassistischen Mobilisierungen in Grünau her, wobei er zunächst allgemein auf Thesen zum Zusammenhang von „Rechtsruck“ und sozialer Entwicklung eingeht. Er schildert dann die Entstehung des Stadtteils Leipzig-Grünau und dessen Veränderung in der Wendezeit. Der Vortrag bricht dann nach etwa 20 Minuten leider ab (ein Interview zum Thema von Radio Corax wird folgen).

Die Suche nach Antworten auf die Wohnungsfrage aus sozialistischer Perspektive fand mit der Wende ihr jähes Ende. In den 1990er Jahren breitete sich eine Landschaft schrumpfender Städte aus. Erst in den 2000er Jahren gelang es der politischen Ökonomie Ostdeutschlands Städten wie Dresden, Leipzig oder Jena eine neue Anziehungskraft zu verleihen. Die revitalisierten Wohnungsmärkte leben jedoch von einem dauerhaften Verdrängungsdruck. In der Folge entsteht in den ostdeutschen Städten eine Wohnungsfrage von neuem Charakter.

Die Großwohnsiedlung galt ihren Erbauern in der DDR als architektonische visionäre Umsetzung sozialistischen Wohnens und Lebens. Nach 30 Jahren Transformation erfüllt sie jedoch eine gänzlich andere Funktion im städtischen Gefüge ostdeutscher Groß- und Mittelstädte. Am Fallbeispiel Leipzig-Grünaus wird verdeutlicht, wie dieser Funktionswandel einherging mit einer Abwertung von Lebensweisen, dem Aufkommen neuer städtischer Konflikte und der Zunahme gegenwärtiger autoritär-populistischer Potentiale.

    Download: via AArchiv (mp3; 159 MB; 1:09:50 h)

6.) Ostdeutschland und kein Ende?

– Gesellschaftliche Realitäten 30 Jahre nach der Wiedervereinigung. Im Abschlusspodium ging es noch einmal darum, nach den Spezifika ostdeutscher Erfahrung zu fragen. These ist dabei, dass die Erzählungen über die Wendezeit von einer westdeutschen Perspektive dominiert werden und dadurch emanzipatorische Bestandteile der Wendebewegung verschüttet werden. Am Podium nahmen einerseits OrganisatorInnen der Tagung, andererseits Vortragende teil: Stefan Meyer (Aufbruch Ost) Carolin Krahl (Autorin, Politisch Schreiben) und Emiliano Chaimite (DaMigra, Dresden) – für die OrganisatorInnen: Elisa Gerbsch und Paul Zschocke.

    Download: via AArchiv (mp3; 223.7 MB; 1:37:44 h)

Ergänzend zum Thema: Reihe der Initiative gegen jeden Extremismusbegriff.

Das unmögliche Verlangen

50 Jahre 1968 – Geschichte und Gegenwart

Anschließend an die 1968er-Sendereihe von Radio Corax fand von Mai 2018 bis Januar 2019 eine Veranstaltungsreihe in Halle (Saale) statt. Titel war: „Das unmögliche Verlangen“ (oder: „Das Unmögliche verlangen“?) Folgendermaßen wurde die Reihe angekündigt:

Pariser Mai und Prager Frühling, sexuelle Revolution und „versäumte Revolte“ (Stefan Wolle) – das Jahr 1968 wurde schon vielbeschrieben und doch gibt es noch unentdeckte oder kaum thematisierte Perspektiven. So sind nicht nur die weiblichen Akteure der “68er” sondern auch die Geschehnisse in der DDR und im ganzen Ostblock kaum im öffentlichen Gedächtnis verankert.

In Kooperation mit Radio Corax und der Oper Halle wirft die Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen-Anhalt 50 Jahre nach den bewegenden Ereignissen in Ost und West in sieben Veranstaltungen im Frühsommer und Herbst einen Blick auf die blinden Flecken dieses – zu erwartenden – Jubiläums-Spektakels und fragt dabei auch nach Bezügen zur Gegenwart. (via)

1.) Keine Ruhe nach dem Sturm

Im Februar 2018 hat Ulrike Heider ein autobiographisches Buch über 1968 und die nachfolgenden Jahre der Bewegung veröffentlicht. In der Lesung spricht sie über den SDS in Frankfurt, die Gruppe „Revolutionärer Kampf“ (RK), das Leben in Wohngemeinschaften und besetzten Häusern, Geschlechterverhältnis und sexuelle Befreiung, die Sponti-Szene und die Autonomen. Es ist eine kritische Aufarbeitung, die nicht der Abschwörung verfällt. Sie blickt auf ein linkssozialistisches, rätekommunistisches Umfeld. Siehe auch das ausführliche Interview mit Ulrike Heider, das wir hier dokumentiert haben.

Lebendig und mitreißend erzählt Ulrike Heider 50 Jahre ihrer persönlichen Geschichte als spannungsreiche Zeitgeschichte. Den politischen und kulturellen Aufbruch der späten 1960er Jahre erlebte Ulrike Heider als befreiend. In ihrem jüngst bei Bertz+Fischer veröffentlichten Buch (“Keine Ruhe nach dem Sturm“) beschreibt sie Höhepunkte, Kriminalisierung und Zerfallserscheinungen der antiautoritären Protestbewegung. Ob es um SDS-Versammlungen, Experimente mit der freien Liebe, die Frankfurter Universitätsbesetzung, um Straßenschlachten oder Hausbesetzungen geht, immer sind ihre Erinnerungen intim und kritisch zugleich. Mit Ulrike Heider begegnen wir auch Mackertum, Untertanenmentalität, Antisemitismus und das alltägliche Elend des Zerfalls einer Bewegung.

Ulrike Heider, Jahrgang 1947, studierte Politik und Germanistik, promovierte, zog später nach New York und lebt seit 2000 als freie Schriftstellerin in Berlin. Sie schreibt Bücher, Essays und Radiosendungen zu den Themen Schüler- und Studentenbewegung, Anarchismus, afroamerikanische Politik und Sexualität. Zuletzt »Vögeln ist schön – Die Sexrevolte von 1968 und was von ihr bleibt« (Berlin 2014). (via)

    Download: via AArchiv (mp3; 76.8 MB; 47:56 min)

2.) Politik und Psychedelik

Ostblock-Popkultur zwischen Nonkonformismus und “Normalisierung” 1968 – 1978. Alexander Pehlemann erkundet in seinem Vortrag musikalisch-subkulturelle Milieus des Ostblocks im Jahrzehnt nach 1968. Er schildert kenntnis- und anekdotenreich subkulturelle Zusammenhänge und Szenen in verschiedenen Ländern des Ostblocks und befördert dabei Radikales wie Skurriles zutage.

Das Jahr 1968 war weltweit ein Aufbruch in vehementer Ablehnung der Verhältnisse, die sich schnell auch in den Ländern des Warschauer Pakts etablierte. Deren „Love, Peace & Happiness“ wurde schnell zur Provokation, auf die repressiv reagiert wurde. Aber die Saat der Subkultur konnte nicht komplett unterdrückt werden, zumal das System sich im Widerspruch bewegte, den antikapitalistischen Jugend-Bewegungen des Westens wie der Dritten Welt aufgeschlossen gegenüber wirken zu wollen. Parallel entwickelten sich so auch Tendenzen der Tolerierung und sogar Förderung, die mit Einhegung und Reglementierung einhergingen, jedoch auch zu einer einzigartigen Phase gegenseitigen kulturellen Austauschs führte. Alex Pehlemann wird daher nicht nur die jugendkulturelle und künstlerische Opposition betrachten, sondern zugleich das widerspruchsreiche Einsickern ihrer Ästhetik, in dessen Vor- und oft auch Rückbewegungen. Dabei geht es quer durch den gesamten Ostblock mit den jeweiligen Landesbedingungen sowie einmal durch die Dekade 1968-1978.

Alexander Pehlemann wurde 1969 in Berlin-Lichtenberg geboren. Er ist seit 1993 Herausgeber des »Zonic«, Magazin für »Kulturelle Randstandsblicke & Involvierungsmomente«, dabei mit Vorliebe in osteuropäische Subkulturzonen blickend. (via)

    Download: via AArchiv (mp3; 169.4 MB; 1:45:42 h)

3.) Mein ’68

Mein ’68 – Ein verspäteter Brief an meinen Vater“ ist ein Film von Hannes Heer aus dem Jahr 1988, in dem er den Bruch zwischen ihm und seinem Vater im Zuge von 1968 verarbeitet (siehe auch das Gespräch mit Hannes Heer darüber: hier). Im Vortrag geht es Hannes Heer um zwei zentrale Punkte: 1968 markiert für ihn einerseits den Punkt, an dem ein Teil der Generation, die in den 40er Jahren zur Welt gekommen ist, damit begann, die Elterngeneration nach ihrer (Mit)Täterschaft im Nationalsozialismus zu befragen. Andererseits ist für ihn 1968 ein Kulminationspunkt der Verweigerung, die Rekonstituierung des Kapitalismus nach 1945 hinzunehmen – davon ausgehend entsteht ein Experimentierraum einer Fundamentalopposition. Diese beiden Punkte erläutert er in acht Kapiteln, in denen er u.a. die Debatten innerhalb des SDS und die Diskussion mit Intellektuellen der Nachkriegszeit (u.a. Herbert Marcuse, Norbert Elias, Jürgen Habermas) beleuchtet.

Hannes Heer, Jahrgang 1941, führt in die Geschichte der Revolte in zweifacher Weise ein – mit einem Vortrag und einem Film: „Mein 68. Ein verspäteter Brief an meinen Vater“ versucht eine im Leben gescheiterte und nur filmisch mögliche argumentative Auseinandersetzung des Autors mit seinem Vater. Dieser, früher NSDAP-Mitglied und nach dem Krieg CDU-Wähler, reagierte auf den politischen Aufbruch der damaligen Studentengeneration und seines eigenen Sohnes mit hasserfülltem Unverständnis und brach 1968 alle Brücken zu ihm ab. An diesem Nichthinsehen- und Nichthinhören-Wollen setzt der Film an. Er rekonstruiert auf nachdenkliche und selbstkritische Weise im fiktiven Dialog mit dem Vater die Gründe, die die Studentenbewegung auslösten.

Hannes Heer war wissenschaftlicher Mitarbeiter am Hamburger Institut für Sozialforschung und Leiter des Ausstellungsprojektes „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“. Er dreht für ARD und ZDF zahlreiche Dokumentationen. Der Film “Mein 68” wurde, nach heftigen internen Kämpfen, vom WDR ausgestrahlt. (via)

    Download: via AArchiv (mp3; 141.7 MB; 1:01:54 h)

4.) Im Osten nichts Neues?

Von ’68, dem Autoritarismus und den späten Folgen. In der DDR gab es im Jahr 1968 keine vergleichbare Revolte wie in anderen europäischen Ländern. Ob dies eine Ursache für immer wiederkehrende nationalistische und rassistische Mobilisierungen ist, darüber haben in einer Podiumsdiskussion Bernd Gehrke, Thorsten Hahnel und Petra Dobner debattiert. Bernd Gehrke schildert, inwiefern es gleichwohl in der DDR im Jahr 1968 zahlreiche Proteste gab und wie es zum antikommunistischen Drive in der Wendebewegung kam; Thorsten Hahnel erzählt von nationalistischen, rassistischen und konformistisch motivierten Angriffen, denen sich damals auch Hahnel als Punk zu erwehren hatte; Petra Dobner vertritt einige unklare Thesen und verwendet dabei universitäre Redewendungen. Siehe auch: Ausführliches Interview mit Bernd Gehrke über 1968 im Ostblock (Unterpunkt 6) / Wendefokus-Gespräch mit Thorsten Hahnel.

Was hat die derzeitige globale Krise der Demokratie mit 1968 zu tun? Und wie sieht das mit Blick auf Ostdeutschland aus? Ist die Anziehung eines Viertels der Bevölkerung für autoritäre und rassistische Bewegungen wie Pegida oder die AfD eine Folge der fehlenden ’68 Revolution im Osten Deutschlands?
Diese und weitere Fragen diskutieren der DDR-Oppositionelle und Historiker Bernd Gehrke, Thorsten Hahnel (Miteinander e.V.) und Prof. Dr. Petra Dobner (Lehrstuhl für Systemanalyse und Vergleichende Politikwissenschaft, MLU).

Auch wenn in der DDR 1968 keine vergleichbare Revolte stattfand wie in der BRD, war es ein Jahr außerordentlicher Proteste. Bernd Gehrke spricht über die Auseinandersetzungen um Öffentlichkeit in den Betrieben und die niederschmetternden Folgen. Letzere sind für Thorsten Hahnel eine Erklärung für die heutige konformistische Rebellion um Pegida und AFD gerade auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Die derzeitige reaktione Welle, auf der in vielen Teilen der Welt wieder autokratisches, nationalistisches Denken mehrheitsfähig wird, analysiert Petra Dobner als Umkehrung eines 68er Postmaterialismus und fordert, “mehr 68” zu wagen. (via)

    Download: via AArchiv (mp3; 169.7 MB; 1:45:54 h)