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Kairós: Kritische Theorie der Gelegenheit

Ende des Jahres 2019 hat Alexander Neupert-Doppler im Mandelbaumverlag das Buch „Die Gelegenheit ergreifen – eine politische Philosophie des Kairós“ veröffentlicht. Wir dokumentieren hier eine Buchvorstellung, die Neupert-Doppler bei der Association for the Design of History abgehalten hat. Er stellt dabei das Motiv seines Buches vor: Die Revolution ist weder durch den bloßen Willen der Revolutionäre machbar, noch folgt sie aus objektiven Gesetzmäßigkeiten der Geschichte. Vielmehr müssen die Revolutionäre die Bedingungen ihres Handelns kennen und in einer günstigen Situation handlungsfähig sein – dazu bedarf es der Organisierung. Ein Aufsatz, in dem dies ausgeführt wird, ist kürzlich bei kritiknetz erschienen.

Unter Menschen, die die Welt verändern wollen, sind vier Perspektiven auf Geschichte populär: Die einen glauben immer noch an einen chronologischen Fortschritt der Menschheit in die Utopie, die anderen wetten hingegen eher auf die konkrete Dystopie einer unvermeidlichen Selbstzerstörung. Wieder andere meinen, dass Weltverbesserung immer und überall möglich ist, einige denken sogar, dass sich am großen Ganzen ohnehin nichts mehr ändern wird und wir nur an Details ansetzen können. Gegen diese fortschrittlichen, katastrophischen, voluntaristischen und postmodernen Denkweisen richtet sie die Kairós-Theorie.

Angesichts der verpassten Gelegenheiten und eingetretenen Katastrophen des 20. Jahrhunderts entwickelten Philosophen wie Walter Benjamin und Paul Tillich eine kairologische Geschichtsphilosophie. Kurz gesagt: „Nicht jedes ist zu jeder Zeit möglich, nicht jedes zu jeder Zeit wahr, nicht jedes in jedem Moment gefordert“ (Tillich 1922). Heute vertreten Theoretiker wie Immanuel Wallerstein, Antonio Negri und Michael Hardt, dass wir uns einem Gelegenheitsfenster zum Überschreiten des Kapitalismus nähern. Aber: „Den Kairós – den günstigen Augenblick […] – muss ein politisches Subjekt ergreifen“ (Hardt/Negri 2010).

Was folgt aus der Kairós-Theorie für politisches Denken und Handeln? Zu diesem Thema erschien im Herbst 2019 das Buch ‚Kairós – Politische Philosophie der Gelegenheit‘ von Dr. Alexander Neupert-Doppler. Er arbeitet zur Zeit als Mitarbeiter für Politische Theorie am IASS in Potsdam und veröffentlichte bisher die Bücher ‚Staatsfetischismus‘ (2013) gegen zu kritisierende Widrigkeiten und ‚Utopie‘ (2015) über die Möglichkeiten utopischen Denkens. Mit ‚Kairós‘ (2019) soll die theoretische Lücke zwischen Kritik und Utopie durch ein Denken in politischen Gelegenheiten gefüllt werden. [via]

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Aspekte der Traurigkeit

1.) Zur Verteidigung der Traurigkeit

Schon 2012 hat Bettina Fellmann (AK Zweifel und Diskurs) ein Essay unter dem Titel Zur Verteidigung der Traurigkeit – über Verwertung und Erfahrung veröffentlicht. Der Text stellt einige philosophische und historische Überlegungen über (Selbst)Entfremdung, Depression, Verhärtung und Vernichtung an und bezieht sich u.a. auf Adorno, Horkheimer, Freud, Alice Miller, Ilse Bindseil und Clemens Nachtmann. Der Text ist aber immer wieder auch eine Reflexion eigener Alltagserfahrungen und versucht beide Ebenen miteinander zu vermitteln. Radio Corax hat das Essay Anfang dieses Jahres in leichter Bearbeitung vertont:

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2.) Wir sind nicht depressiv, wir streiken!

In ihrem Text hat Bettina Fellmann das Pamphlet Der kommende Aufstand des Unsichtbaren Komitees erwähnt. Fellmann zitiert diesen Text ablehnend – allerdings enthält er seinerseits einige Überlegungen zum gesellschaftlichen Phänomen der Depression. Entsprechende Auszüge sind enthalten in einer Weihnachts-Sondersendung von Radio Corax aus dem Jahr 2015. In der Collage-Sendung sind außerdem Auszüge aus dem Text Wir sind nicht depressiv, wir streiken von Franza Ranner enthalten (der Titel des Textes ist ebenfalls ein Zitat des Unsichtbaren Komitees). Darüber hinaus enthält die Sendung einige geschichtsphilosophische Überlegungen zum Katastrophismus. Zuletzt sind enthalten ein prosituationistisches Hörspiel und ein Gleichnis von Franz Jung. Siehe auch hier.

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3.) Scheitern

Bereits hier und hier haben wir auf das Buch Grenzsteine – Beiträge zur Kritik der Gewalt (Edition Text und Kritik) hingewiesen. Der darin enthaltene Beitrag der Mitherausgeberin Theodora Becker ist mit dem schlichten Titel Scheitern überschrieben. Der Text verbindet eine Reflexion individuellen Scheiterns mit Überlegungen zum Scheitern der Frauenbewegung – darüber hinaus denkt er über Sexualität und Sexarbeit nach. Ähnlich wie im Text von Bettina Fellmann ist hier die kritische Theorie auf konkrete, eigene Erfahrungen bezogen. Ein Auszug des Textes ist in einer Sondersendung von Radio Corax über das Zweifeln aufgenommen worden:

    Download: via AArchiv (mp3; 18 MB; 11:16 min)

Zu Depression und weiblicher Erfahrung siehe auch den Vortrag von Katharina Zimmerhackl hier.

Zwei Berichte von der Akademie

Hier seien noch einmal zwei Beiträge hervorgehoben, die im letzten Jahr leider etwas in der Seitenspalte untergegangen sind. Beide Beiträge haben sich mit dem Ungeist der Universität auseinandergesetzt.

1. Philosophieren im Stande allgemeiner Unmündigkeit und Bedingungen philosophischen Denkens anlässlich eines Ausflugs in den geisteswissenschaftlichen, akademischen Betrieb

Bettina Fellmann (AK Zweifel und Diskurs) hat am 29.06.2014 im Laidak einen philosophisch-essayistischen Bericht über einen Ausflug an die Akademie vorgetragen. Anhand einiger Erlebnisse in den Fachbereichen der ersten Philosophie-Semester, „Philosophisches Argumentieren“, „Theoretische Philosophie“ und „Praktische Philosophie“ sowie in der Kunstgeschichte, arbeitet sie die Überflüssigkeit, Überlebtheit und zugleich die Funktion der gegenwärtigen akademischen Philosophie heraus, der ein Bezug zur materiellen Wirklichkeit immer mehr abhanden kommt. Davon ausgehend macht sie einige Anmerkungen darüber, was es überhaupt bedeutet, im Angesicht der nicht endenden Katastrophe zu denken. Auf magazinredaktion.tk war der Vortrag folgendermaßen angekündigt:

Was es bedeutet, wenn Geistesmenschen sich zusammenfinden, um von Geistigem zu sprechen, warum nichts Wahres dran sein darf und wie die Wirklichkeit dem Denken nur zur Illustration dient, beleuchtet dieser Vortrag.

Im allgemeinen wird an der Akademie bereits der Gedanke vom richtigen Denken formal erstickt; nicht zu schweigen davon, dass der richtige Gedanke oder das Denken vom Wirklichen keine Erwiderung findet, sondern im Gegenteil rigoros ausgeschlossen wird. Unter diesen Bedingungen erscheint nicht nur der Versuch, das Besondere zur Sprache zu bringen, als zweifelhaft, sondern Sprache überhaupt. An dem Umstand, dass er längst gedacht wurde, erweist sich nicht der Gedanke als falsch, sondern die allgemeinen Mechanismen, die sich durch die Epochen hindurch grundlegend ähneln — im Gewand der jeweiligen Zeit, deren Besonderheit es vor den Allgemeinheiten zu erfassen gilt, die ihren Grund bilden.

Ansatzweise wird eingegangen auf die Unfähigkeit, Zusammengehöriges und Grundverschiedenes im richtigen Verhältnis zueinander wahrzunehmen und adäquat zu beurteilen, auf die Virtualisierung menschlicher Verkehrs-​ und Ausdrucksformen und nicht zuletzt auf die verheerende Sehnsucht, sowohl durch das Aufgehen im Denken ans Bestehende anschließen, als auch umgekehrt durch den Anschluss ans Bestehende im Denken aufgehen zu können. [via]

    Download: via AArchiv (mp3; 108.7 MB; 1:35:01 h) | via hightaile

Der zugrundeliegende Text kann auf magazinredaktion.tk nachgelesen werden.

2. Die alternativlose Universität

Auf Radio Corax war im letzten Jahr ein Feature zu hören, das vom Zustand der hiesigen Universitäten berichtete und eine Kritik des Studierens formulierte. Das Feature basiert auf einem Text des Leipziger AK Gesellschaftskritik und macht dem Akademismus die wissenschaftliche Veredelung des gesellschaftlichen Unglücks zum Vorwurf.

    Download: via FRN (mp3; 32 MB; 19:59 min)

Der AK Gesellschaftskritik verweist außerdem auf den Text „Business as usual. Szenen vom Schauplatz der Entsorgung der Wahrheit durch die pluralistische Geisteswissenschaft“ von Carl G. Bronetto, der hier als PDF gelesen werden kann.

Eine emanzipatorische Kritik der Aufklärung

Auf Einladung des Ökumenischen Netzes Rhein Mosel Saar hielt Daniel Späth (EXIT!) kürzlich in Koblenz einen Vortrag zur Kritik der Aufklärungsphilosophie am Beispiel Kants. Späth stellt Kant in den Kontext der bürgerlich-kapitalistischen Entwicklung des 18. Jahrhunderts und versucht nachzuweisen, dass Antisemitismus, Antiziganismus und Sexismus dessen Philosophie nicht äußerlich sind. Ausführlicher ist diese Kritik in einer Artikelserie in der EXIT! Nr. 8 bis 10 nachzulesen und bzgl. des Antisemitismus hier nachzuhören.

    Hören:

    Download: Vorrede der Veranstalter (0:11 h, 8 MB), Vortrag (inkl. Zwischendiskussion, 1:37 h, 70 MB) via AArchiv | via archive.org

Michel Foucault – Was macht Macht?

Michael Reitz hat für RadioWissen ein hörenswertes Feature über Foucault gestaltet.

Der französische Philosoph Michel Foucault ist einer der einflussreichsten kritischen Denker der Moderne. Ihn interessierte, wie Macht entsteht, wozu sie benutzt wird und was sie aus Menschen machen kann.

Download: via BR | via RS.com (0:22 h, 20 MB)

Die »klassische deutsche Philosophie« und die kritische Theorie der Gesellschaft

Aspekte der materialistischen Auseinandersetzung mit Kant und Hegel

Die Systemphilosophie Hegels stellt als Abschluss der durch Kant eingeleiteten transzendental-idealistischen Bewegung zweifellos einen Wendepunkt der europäischen Philosophie dar. Aus dem Zusammenbruch der Hegel-Schule traten Materialisten mit Anspruch hervor, mit der so genannten klassischen deutschen Philosophie die Philosophie überhaupt zu beerben, sie revolutionär zu verwirklichen und in gesellschaftsverändernde Praxis aufzuheben.

Die folgenden Vorträge kreisen unter verschiedenen Gesichtspunkten, allerdings leider strikt androzentrisch, um die Frage, ob Hegel das letzte Wort der Philosophie gesprochen oder aber eher eine problematische Tendenz des Kantischen »Kritizismus« auf die Spitze getrieben hat, welche die materialistische Gesellschaftskritik spätestens im 20. Jahrhundert nötigte, zu Kant zurückzukehren, um über ihn und Hegel gleichermaßen hinauszugelangen.

1. Andreas Arndt, Die Hegel-Kritik des frühen Marx.

Andreas Arndt ist Professor der Philosophie an der theologischen Fakultät der Berliner Humboldtuni und ein Hegelianer vor dem Herrn. Der vorliegende Kurzvortrag stammt von der Konferenz »La réalisation de la philosophie à l’époque du Vormärz« (Paris, Februar 2012, Videodokumentation hier) und behandelt leider (fast) nur den jungen Marx. Arndt konzentriert sich auf Marxens Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie und stellt auch heraus, worin Marx selbst in seinen materialen Arbeiten Hegelianer geblieben ist. Allerdings bricht er an einer Stelle ab, an der eine materialistische Wendung Not täte: Dass Marx kategoriale Bestimmungen der Hegelschen Logik im Kapital bzw. aufs Kapital anwenden kann, ist m. E. dadurch bedingt, dass das Kapital bereits in Hegels Kategorien steckt.

    Hören:

    Download: mp3 via AArchiv (0:31 h, 18 MB) | Video bei Vimeo

2. Alfred Schmidt, Gegenwartsprobleme in der materialistischen Erkenntnistheorie. Besonders hörenswert

Auf Einladung des Verbands Sozialistischer Studenten Österreichs sprach der vor etwa einem Jahr verstorbene Horkheimerschüler, Adornoassistent und spätere Philosophieprofessor Alfred Schmidt 1970 (!) in Wien über materialistische Erkenntnistheorie. Er skizziert in seinem noch heute hörenswerten Vortrag u.a. die Auseinandersetzung Marxens mit der theoretischen Philosophie Hegels. Marx und Engels verwarfen Hegels identitätsphilosophischen Ansatz, hielten aber an seiner Kritik am Kantischen »Ding an sich« fest. Diese »prekäre« Konstellation materialistischer Erkenntnistheorie und die Frage, warum auch der Materialismus nicht (im Gefolge Hegels) völlig ohne erkenntnistheoretische Erwägungen auskommt, beleuchtet Schmidt eingehend.

3. Paul Mentz, Philosophie im Angesicht der Verzweiflung. Adornos negative Philosophie der Moral.

Moralphilosophie scheint für radikale Gesellschaftskritik kein Anliegen ersten Ranges zu sein, möchte sie doch nicht an die Einzelnen appellieren, sie mögen ihr Verhalten ändern, sondern sie anstacheln zum Umsturz jener fetischistisch objektivierten Verhältnisse, in denen sie geknechtete (usw.) Wesen sind. Und doch sah Adorno sich veranlasst, Moralphilosophie nicht allein als Gegenstand, sondern auch als Medium oder Bestandteil seiner kritischen Theorie der Gesellschaft zu behandeln. Paul Mentz (Rote Ruhr Uni) zeichnet in seinem am 3. Juli 2013 bei der ISF in Freiburg gehaltenen Vortrag Adornos Auseinandersetzung mit Kants Individualethik und Hegels Theorie der Sittlichkeit nach.

    Hören:

    Download: via AArchiv | via RS.com (1:05 h, 30 MB)

Ankündigungstext:

Eine Moralphilosophie, die den eigenen Anspruch, moralisch zu sein nicht preisgeben will, muß auf die Verstrickung von herrschender Praxis und herrschender Unfreiheit reflektieren, und dabei festhalten, daß “nur wenn, was ist, sich ändern läßt, ist das, was ist, nicht alles.” Angesichts der fortschreitenden Geschichte der Herrschaft und des Leidens läßt sich kein positiver Standpunkt der Moralphilosophie ausmachen, denn selbst “was der Mensch an sich sein soll”, läßt sich nicht sagen, da er immer nur das ist, “was er war: er wird an den Felsen seiner Vergangenheit geschmiedet.” Wie ein freier Mensch wäre, läßt sich nicht antizipieren, so daß keine moralischen Prinzipien aus der inneren Verfaßtheit des Menschen abgeleitet werden können. Adornos negative Moralphilosophie ist keine ethische Konzeption, sondern Kritik sowohl der Moralphilosophie als auch der Herrschaft und des Leidens, die, gerade weil sie auf die Unfreiheit reflektiert, zugleich auf die Realisierung von Freiheit insistiert, ohne diese positiv zu bestimmen. – Es spricht Paul Mentz (Dortmund), Autor u.a. von „Moralphilosophie im Stande der Unfreiheit – Adornos negative Moralphilosophie“ (Berlin 2012).

4. Literaturempfehlungen

1. Fragen die Erkennbarkeit der Natur betreffend, werden in Karl Heinz Haags Der Fortschritt in der Philosophie diskutiert, wobei Kant als ambivalenter Denker Gegenstand der Kritik wird ebenso wie Einspruchsinstanz gegen Hegel, den Neukantianismus, den Positivismus, ja gar gegen die materialistische Metaphysik Lenins und der marxistischen Orthodoxie. Das etwa 200 Seiten lange Plädoyer für eine negative Metaphysik, welche die Natur nicht in dem aufgehen lässt, was an ihr erkennbar ist, und die nicht von der historisch-gesellschaftlichen Vermitteltheit der Erkenntnis absieht, enthält auch ein Kapitel über Marx, in dem herausgearbeitet wird, dass dieser mit dem Begriff der immanenten Form von Naturdingen an einem Kerngedanken negativer Metaphysik festhält. Meines Erachtens überaus lesenswert, auch wenn die Auseinandersetzung mit der Philosophiegeschichte meist nur immanent-argumentativ ohne Rückbezug der behandelten Theorien auf gesellschaftliche Realität erfolgt.

2. Um Ideologiekritik an Kant und Hegel, die eine feministische Dimension nicht ausspart, bemüht sich Daniel Späth in einer Reihe von Ausgaben der EXIT! Krise und Kritik der Warengesellschaft. Kürzlich erschien der erste Teil zu Hegel.

Vom Lager, dem Ausnahmezustand und der Anstößigkeit des Denkens

Nachtrag zum Poststrukturalismus:

Der italienische Philosoph Giorgio Agamben gehört seit zehn Jahren zur Avantgarde seines Faches und wird auch in popkulturellen Zusammenhängen immer wieder zitiert und diskutiert. Mit seinen Schriften hat Giorgio Agamben in der Philosophie „die pole position eingenommen, die seit dem Tod Michel Foucaults vakant ist“. So hat es der Literaturwissenschaftler Anselm Havelkamp formuliert. Wie Michel Foucault ist Giorgio Agamben ein lästiger, sperriger und unbequemer Denker. Seine Texte sind so begeisternd wie anstößig, so anregend wie unbehaglich. [via]

Download: via BR2 | via RS.com (0:52 h, 48 MB) | Manuskript

Ebenfalls von Sammy Khamis via Bayern2 über Agamben, etwas älter:

Die Brutalität der Realität

„Die souveräne Macht und das nackte Leben“ ist der Titel eines Buches des Philosophen Giorgio Agamben. Dem italienischen Denker geht es vor allem darum zu zeigen, wie sich unsere zeitgenössische, angeblich aufgeklärte Gesellschaft ihre eigenen totalitären Strukturen geschaffen hat. Solange es Macht gibt, so eine seiner Thesen, wird es Verbrechen wie den Holocaust und Lager wie Guantanamo geben. Sammy Khamis stellt Giorgio Agamben vor. [Weitere Infos]

Download: via BR2 | via RS.com (0:26 h, 24 MB) | Manuskript

Römische Verhältnisse

Zur Aktualität von Hegels »Philosophie der Geschichte«

Deutschlandfunk stellt ein interessantes Radio-Essay von Peter Bürger zum Hören zur Verfügung, in dem dieser einige Überlegungen über die Aktualität der Hegelschen Geschichtsphilosophie anstellt. Das Essay ist meines Erachtens ambivalent: Einerseits spricht hier deutlich der bürgerliche Intellektuelle, der von der Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft und ihrer Institutionen (der »Souverenität des Volkes« und insbesondere der Kultur) enttäuscht ist, ohne in einer materialistischen Analyse herauszuarbeiten, wie dieser Verfall einer kapitalistischen Krisenlogik immanent sein könnte (und dabei auch ohne Managergehälter oder italienische Wahlen etwas mit Ausbeutung zu tun hat). Er muss daher bei seinem Vergleich dieser Institutionen mit dem Hegelschen Bild der römischen Gesellschaft auf der Ebene oberflächlicher Analogien verbleiben — auf der anderen Seite bemüht sich Bürger jedoch, ein »nach dem Kapitalismus« denkbar zu machen, ohne dabei einerseits in blinden Geschichtsoptimismus oder andererseits in ebenso blinden Fatalismus zu verfallen.

Der Philosoph Georg Friedrich Wilhelm Hegel betrachtete die Geschichte als Prozess eines dialektischen Fortschritts. Von diesem Vertrauen ist heute nicht mehr viel übrig. Die Zukunft erscheint in eher düsteren Farben. Doch auch für die Gegenwart hält Hegels „Philosophie der Geschichte“ Ermutigung bereit.

Der Literaturwissenschaftler Peter Bürger befasst sich in regelmäßigen Abständen mit vielfach als verstaubt geltenden Klassikern der Geistesgeschichte. So untersuchte er etwa die Rolle Friedrich Nietzsches als Reformator oder er versuchte Oswald Spenglers „Untergang des Abendlands“ neu zu bewerten.

Er lehrte an der Universität Bremen Literaturwissenschaften. Sein Hauptwerk über die „Theorie der Avantgarde“ wurde in fast alle Sprachen übersetzt. 2007 erschien beim Suhrkamp Verlag sein Buch „Sartre. Eine Philosophie des Als-ob“. [via]

Lesen und Hören: bei DLF (Essay und Diskurs)

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Wo keins ist, ist eins #12 – #15

Es ist schon wieder einige Zeit vergangen, seitdem wir die letzten Ausgaben der Hamburger Dialektik-Sendung „Wo keins ist, ist eins“ dokumentiert haben. Bevor wir auch dialektisch ins neue Jahr starten, seien also hier zunächst die letzten Sendungen aus dem Jahr 2012 präsentiert:

Wo keins ist, ist eins #12 (09.09.2012)

Karl Marx: Die Entwicklung vom Junghegelianer zum Kritiker der Politischen Ökonomie. Schellings Vorlesung: Philosophie der Offenbarung 1841/42 hatte ein Publikum, das aus hohen Staatsbeamten, Militärs, Universitätsprofessoren, Hörern wie Bakunin, Kierkegaard, Friedrich Engels, Jakob Burckhardt, Savigni, Steffens, Trendelenburg, Ranke, A. von Humboldt usw. bestand. Nach Hegels Tod war Berlin philosophisch durchaus geistiger Mittelpunkt. Die Diskussion der Kritik idealistischer Dialektik durch Marx ist selber zu historisieren. Es gilt die Phasen der Hegelaneignung und (Selbst-) Kritik des Junghegelianismus, denen auch Theoriephasen Marxens entsprechen herauszuarbeiten. In den Folgesendungen wird dann die Ost-West-Spaltung innerhalb des Marxismus Thema werden, die sich in einer neuen Hegelaneignung durch Lukács und Korsch und eine positivistische Marxaneignung im Osten vollzog.

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Wo keins ist, ist eins #13 (14.10.2012)

Die 13. Ausgabe der Dialektik-Sendung hat sich erneut ausführlich mit dem Positivismusstreit auseinandergesetzt. Ein etwas ausführlicherer Ankündigungstext zur Sendung ist in der Oktober-Ausgabe des Transmitter erschienen. (Siehe unten)

    Download: via AArchiv (mp3; 59 MB; 1:38:17 h)

Wo keins ist, ist eins #14 (11.11.2012)

Fortsetzung: Positivismusstreit „Das Ganze ist das Unwahre.“ „Es gibt kein richtiges Leben im Falschen“ Oder: warum ist Kritik möglich? Nachdem in der Oktobersendung die positivistische Stellung des Gedankens zur Wirklichkeit des „Kritischen Rationalismus“ kritisiert wurde, wird die dialektische Auffassung von Kritik zum Thema, wie sie anhand jener berühmten Sätze Adornos sich zeigen läßt. »Die Verdinglichung des Bewußtseins, das zur Dingwelt überläuft, vor ihr kapituliert, ihr sich gleichmacht; die verzweifelte Anpassung dessen, der die Kälte und Übergewalt der Welt anders nicht zu bestehen vermag, als indem er sie womöglich überbietet, gründet in der verdinglichten, der Unmittelbarkeit menschlicher Beziehungen entäußerten, vom abstrakten Prinzip des Tausches beherrschten Welt. Gibt es wirklich kein richtiges Leben im falschen, so kann es eigentlich auch kein richtiges Bewußtsein darin geben. Nur real, nicht durch ihre intellektuelle Berichtigung allein wäre über die falsche Meinung hinauszukommen.« (Theoder W. Adorno: Gesammelte Schriften Bd. 10.2, S. 591)

    Download: via AArchiv (mp3; 59,2 MB; 1:38:35 h)

Wo keins ist, ist eins #15 (09.12.2012)

Idealistische und materialistische Dialektik I – Die erste der Marxschen Feuerbachthesen sah den „Hauptmangel alles bisherigen Materialismus“ darin, daß der „Gegenstand, die Wirklichkeit, Sinnlichkeit nur unter der Form des Objekts oder der Anschauung gefaßt wird, nicht aber als sinnlich menschliche Tätigkeit“. Die tätige Seite sei im Idealismus lediglich abtrakt herausgearbeitet worden. In der Sendung soll anhand der Phänomenologie des Geistes und der Logik des Begriffs, diese tätige Seite herausgearbeitet (materialisiert) werden.

    Download: via AArchiv (mp3; 63,9 MB; 1:46:34 h)

Text zur 13. Sendung: Weiterlesen

Der vergessene »Kommunistenrabbi«

Zum 200. Geburtstag von Moses Hess

Exit!-Redakteur Udo Winkel hat im Dezember einen Vortrag über den weithin vergessenen Philosophen Moses Hess gehalten. Der Wegbereiter und -gefährte von Marx und Engels, 1812-1875, war einer der ersten (sozialistischen) Zionisten. Winkel liefert einen kurzen, kenntnisreichen Überblick über die Marxrezeption, die er dafür verantwortlich macht, dass Hess mittlerweile wieder vergessen worden ist. Danach geht er u.a. auf Hess‘ Religions-, Staats- und Geldkritik ein. Er bedient sich dazu ausführlicher Zitate.

Eine Kurzfassung des Referats ist erschienen in EXIT! Nr. 10.

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10.12.2012 (19:00)
Vortrag: Der vergessene „Kommunistenrabbi“ – Zum 200. Geburtstag von Moses Hess

Referent: Udo Winkel
Beginn: 19 Uhr
Ort: Jugendhaus Erlangen

Um Moses Hess ist es still geworden, seine Werke sind vergriffen und bestenfalls noch antiquarisch zu erwerben. Das sah vor dreißig Jahren noch etwas anders aus. Im Zuge der Beschäftigung mit Marx und seinen theoretischen Voraussetzungen seit der Studentenbewegung war der Linkshegelianismus und frühe Kommunismus und damit auch Moses Hess wiederentdeckt worden. Seine Schriften wurden neu aufgelegt, Arbeiten über ihn verfasst und er wurde in Kompendien gewürdigt. Dass er erneut in Vergessenheit geraten ist, sagt viel über die heutige Marxrezeption aus. Hess war nicht nur der erste deutsche Kommunist, der wesentlich dazu beitrug, dass Marx sich vom Linkshegelianismus loslöste, sondern auch der Vorläufer eines sozialistischen Zionismus. Das Referat will an den „Kommunistenrabbi“ erinnern und ihn würdigen.

Udo Winkel lebt in Nürnberg und ist Redakteur der Theoriezeitschrift EXIT! Krise und Kritik der Warengesellschaft.

veranstaltet von:
BAK Shalom Erlangen
Exit! – Krise und Kritik der Warengesellschaft
Haskala Bayern

Was bleibt vom Individuum?

Von der Entfremdung des Menschen zum Untergang des Individuums

Die Initiative Sozialistisches Forum Freiburg dokumentiert einen Vortrag zum Begriff des Individuums in der bürgerlichen Gesellschaft, den Lea Bendemann im Rahmen des ISF-Jour Fixe im Juli 2012 gehalten hat. Im ersten Teil setzt sich Bendemann mit den Marxschen Frühschriften und der Spaltung des Individuums in Bourgeois und Citoyen auseinander. Im zweiten Teil befasst sie sich mit Adornos Reflexionen über das Individuum im Zeitalter von (und nach) Auschwitz. Im Dritten bemüht sie sich um den Nachweis, dass Adorno an die Marxschen Frühschriften anknüpft.

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Antideutsche Wertarbeit

Zum Jahresende dokumentieren wir einen Kongress, der vor mittlerweile mehr als zehn Jahren, vom 29.-31.3.2002 in Freiburg stattfand. Ein halbes Jahr nach den Anschlägen auf das New Yorker World Trade Center, in deren Folge sich der Bruch innerhalb der deutschen Linken zur unleugbaren Kenntlichkeit vertiefte, richtete die Initiative Sozialistisches Forum einen Kongress aus, dessen Beiträge teilweise auch heute noch – nicht nur in »szenehistorischer« Hinsicht – interessant sind und dessen Diskussionen ihre Aktualität mitunter noch nicht vollends verloren haben. Einige der Beiträge sind bereits in Form von Radiosendungen dokumentiert worden. Weiterlesen

Roger Behrens: Versuche einer kritischen Radiopraxis

Er hielt Rundfunkvorträge, nahm an Gesprächsrunden1 teil, diskutierte im Fernsehen über Fragen der kritischen Theorie, bediente sich des Rundfunks, um im Sinne der Erziehung zur Mündigkeit mit politisch – philosophischen Beiträgen Aufklärung zu leisten: Theodor W. Adorno. Michael Schwarz, Mitarbeiter im Adorno-Archiv, hat allein 114 Rundfunkgespräche gezählt, bei denen sich Adorno vor das Mikrophon setzte. Noch höher ist die Zahl der ausgestrahlten Vorträge im Radio. Durch die Partizipation im öffentlich-rechtlichen Rundfunk versprach er sich seinen Teil zur Entbarbarisierung beizutragen; das Radio als Kommunikationsapparat zu nutzen, statt es wie in der Kulturindustrie zum Volksempfänger zu funktionalisieren.
Das (öffentlich-rechtliche) Radio, das hilft nicht zu verkümmern, ist heute Illusion: Rundfunkanstalten sind vernarrt in die Idee, dass Hörfunk eine Art überall erreichbaren Services sei. Die Konsequenz ist das kleinste zumutbare gemeinsame Vielfache: Musik, die durch den Alltag dudelt und – quasi zusätzlich- Informationen über das Wetter, den Verkehr und das tagesaktuelle Geschehen – möglichst gut und schnell verdaulich. Nicht verwunderlich daher, dass Akteure, die sich in der Tradition der Kritischen Theorie sehen, sehr selten in solchen Formaten zu Wort kommen. Die Wenigen, die dennoch zu hören sind, sind zumeist auf die limitierten Möglichkeiten freier Radios angewiesen. Ein Beispiel liefert Roger Behrens Sendung Freibaduniversität (im Winter Hallenbaduniversität genannt), die er für das Freie Senderkombinat Hamburg und Radio Corax produziert. Einige Sendungen der letzten Monate dokumentieren wir im Folgenden.
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An den Grenzen des Geistes (II)

Tagung zum 100. Geburtstag von Jean Améry

Nach einiger Verzögerungen können wir nun einige weitere Beträge der Berliner Améry-Tagung vom 17. November 2012 dokumentieren. Es handelt sich um zwei Vorträge des zweiten Podiums, das einen philosophischen Schwerpunkt hatte, sowie um den Abschlussvortrag der Améry-Biografin Irene Heidelberger-Leonard, die viele Motive der Tagung noch einmal aufgreift und einige neue Aspekte anspricht. Das Literatur-Podium wurde nicht aufgezeichnet. Es ist nach Aussage der VeranstalterInnen allerdings ein Tagungsband geplant, in dem alle Beiträge schriftlich dokumentiert werden.

Podium 2: Philosophie im Spannungsfeld von Erfahrung und Abstraktion

Gerhard Scheit, Folter und Vernichtung. Jean Amérys immanente Kritik an der Philosophie Jean-Paul Sartres

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Deborah Hartmann, »Was mir anliegt, das ist die Beschreibung der subjektiven Verfassung des Opfers.« Jean Améry, Theodor W. Adorno und das Jude-Sein nach Auschwitz

Deborah Hartmann, Studium der Politikwissenschaft und Geschichte in Wien, seit 2007 Pädagogische Mitarbeiterin der International School for Holocaust Studies Yad Vashem, lebt seit 2011 in Berlin und repräsentiert die pädagogische Abteilung Yad Vashems in den deutschsprachigen Ländern. [via]

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Festvortrag:
Irene Heidelberger-Leonard, Was bleibt? – Jean Améry zum 100. Geburtstag

    Download: via AArchiv | via RS | via Archive.org (0:43 h, 20 MB)

Vom Festvortrag gibt es auf Youtube eine Videoaufzeichnung mit mäßiger Klangqualität.