Archiv für den Monat: Januar 2011

Lateinamerikanische Staaten erkennen Palästinenserstaat in Grenzen von 1967 an

Vor kurzem haben einige lateinamerikanische Staaten Palästina als unabhängigen Staat in der Grenzen von 1967 anerkannt. Jule von Radio Corax sprach darüber mit Robert Kurz (EXIT), der in letzter Zeit durch seine heftige Kritik am Antizionismus der Linken für Aufsehen sorgte. Download via FRN (0:11h, 10 MB)

Krise und Integration der bürgerlichen Gesellschaft in den Romanen von Charles Dickens

1. Björn Oellers: Krise und Integration der bürgerlichen Gesellschaft in den Romanen von Charles Dickens

Ein hörenswerter Vortrag von Björn Oellers (Falken Hamburg), den er am 29.01.2011 im Rahmen der Reihe »Kunst und Kritik« der Falken Erfurt gehalten hat. Er beginnt mit einer kurzen Einführung in die Theorie des Romans von Georg Lukács, skizziert dann das Selbstverständnis der liberalen Epoche der kapitalistischen Gesellschaft, um anschließend, jeweils in Bezug auf Analysen von Karl Marx, darzulegen, wie Charles Dickens die Wirklichkeit dieser Gesellschaft in seinen Romanen darstellt.

Björn Oellers: Krise und Integration der bürgerlichen Gesellschaft in Romanen von Charles Dickens, in: Gerhard Stapelfeldt (Hrsg.): Interdisziplinäre Beiträge zur kritischen Gesellschaftstheorie Band 10, Hamburg 2010.

    Download: via Audioarchiv (61,9 MB, 1 h 7 min); Nachbearbeitet via Audioarchiv (23 MB)

Während der Ausdruck “Neoliberalismus” eine Neuauflage impliziert, stellt sich die Frage nach dem Inhalt des klassichen Liberalismus. Schon dieser ist durch einen tiefen Widerspruch -Verherrlichung und Liquidierung des Individuums – gekennzeichnet, was anhand einer Analyse der englischen Literatur dargelegt werden kann. Für einen näheren Blick auf das Schicksal des bürgerlichen Subjekts sollen ausgesuchte Romane von Charles Dickens (1812 – 1870) untersucht werden, der wie Marx in der Zeit der Hochphase des Liberalismus lebte. Seine Romane bilden ein Panorama zeitgenössischer sozialer Problemstellungen und gesellschaftlicher Krisen. Der Roman thematisiert bereits durch seine Form das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft, indem sich die Handlung auf eine/n oder mehrere Held_innen konzentriert, deren Erlebnisse und Gedanken den Zusammenhang des Geschehens bilden und die Ereignisse struturieren. Es sind, wie in der Theorie des klassischen Liberalismus, die freien Individuen, die handeln und die Gesellschaft gestalten. In Dickens Romanen dagegen geht die liberale Gesellschaft einen anderen Weg, der von ihrer Entstehung über Blüte und Krise in eine neue Form gesellschaftlicher Integration führt: den Imperialismus. Diese Entwicklung des Verfalls von Individualität soll in der Veranstaltung nachgezeichnet werden.

2. Bayern 2: Charles Dickens und Emily Bronte – Geschichten aus dem viktorianischen England

Ein Feature von Herbert Becker über das Leben von Charles Dickens, gesellschaftliche Hintergründe und über das soziale Engagement seiner Literatur.

    Download: via Bayern 2 (15 MB, 21 min 49 sec)

3. Hörbücher von Charles Dickens (Die Silvesterglocken, Die Geschichte des Tom Smart, Die Geschichte des Schuljungen): hier.

Auf einer Skala von eins bis zehn: Wie scheiße ist Deutschland? Konferenz zum Stand der Kritik

Die Dokumentationen dieser kleinen Konferenz mit dem etwas flapsig-ironischen Titel ist aus verschiedenen Gründen hörenswert. Zum einen handelt es sich um eine Selbstreflexion der längst im Distinktionsgerangel linker Gruppen und Publikationen zersplitterten »antideutschen Bewegung«. Zum anderen wird in den Vorträgen und Diskussionen natürlich auch Kritik gegen die übrige radikale Linke scharf gemacht, vor allem gegen den Antinationalismus des Ums-Ganze-Bündnisses, meist in Bezug auf die viel diskutierte Frage, ob und wieweit die deutsche Nation heute »normalisiert« sei.

Die Konferenz wurde am 6. November 2010 in Bremen von der Antinationalen Gruppe Bremen und kittkritik veranstaltet, unterstützt von der Zeitschrift »ExtrablattAus Gründen gegen fast Alles«.

Im Folgenden sind kleinere, qualitativ gute und ansonsten durch uns nicht weiter bearbeitete Fassungen der Dateien verlinkt, die von der ANG via Rapidshare zur Verfügung gestellt wurden. Eine Aufnahme des Referats von Clemens Nachtmann zum »Altern der antideutschen Kritik« existiert nicht. [Siehe Kommentar unten.] Alle Aufzeichnungen können auch als Zip-Archiv geladen werden (119 MB, 5:47 h): via Audioarchiv, via MF.

1. Den Anfang machten die Veranstalter_innen von der Antinationalen Gruppe Bremen. Ihr kurzes Eröffnungsstatement erläutert den Anspruch der Konferenz.

    Download: via Audioarchiv, via MF (0:13 h, 4 MB)

2. Joachim Bruhn, Echtzeit des Kapitals, Panik des Souveräns. Über die Zukunft der Krise.
Bruhn lehnt zunächst den Begriff des deutschen Sonderwegs ab, ebenso wie die falsche Entgegensetzung von deutscher Besonderheit und allgemeiner Logik der politischen Ökonomie. Anschließend stellt er anhand vieler Zitate aus der bgl. Presse Ideologie als Oszillieren zwischen den unvereinbaren Momenten der Antinomie des Geldes dar und polemisiert in gewohnter Weise gegen alle möglichen Leute und Positionen (wie bei jeder Gelegenheit auch hier wieder gegen Ingo Elbe).

Daß das Geld des Staates nichts taugt gegen die Krise des Kapitals, ist unmittelbar einsichtig: Wie sollte denn auch jenes Geld,das der Staat allein zu spendieren vermag, das Geld als Zahlungs- und Zirkulationsmittel, die Krise der Geldform des Kapitals zu therapieren vermögen? Was der Staat im Zuge des famosen „deficit spending“ in diesem sog. „keynesianischen Moment“ schöpft, d.h.: was seine Bundesbank aus dem Nichts erst erfindet und dann druckt, ist ja keineswegs Kapital, das zu einer irgend qualifizierten Profitrate zu akkumulieren vermöchte, sondern hat einzig die Qualität einer Anweisung, eines Rationierungs- oder auch Zuteilungsbescheids auf eine warenförmigen Gebrauchswert. Nicht nur jedoch, daß der Staat systematisch unter dem Niveau der Krise des Kapitals agiert; wenn er denn kommt und interveniert, kann er immer nur zu spät kommen. Die Echtzeit der kapitalen Vergesellschaftung ist der Aktion des Souveräns, zumindest des parlamentarisch verfassten, notwendig voraus. Das Kapital agiert in der Zukunft, der Staat noch nicht einmal in der Gegenwart. Der Staat kann das Kapital nicht einholen; er kann es nur überholen, indem er den Ausnahmezustand verkündet, d.h. wenn er die Unmittelbarkeit der Geltung des Geldes als Kapital mit souveräner Gewalt zu verfügen sucht. So folgt aus der Zusammenbruchskrise notwendig der Ausnahmezustand: im Interesse des sog. „Gemeinwohls“ emanzipiert sich der Souverän und setzt sich als autoritäres Kommando. In letzter Instanz erfolgt die „Deckung“ der Währung durch das Gewaltmonopol auf Leben und Tod.

3. Sonja Witte, Von der Gretchenfrage zurück zur Michelskala. Sonja Witte unterzieht in ihrem Vortrag die Frage, ob Deutschland normal geworden sei oder nicht, einer Prüfung und legt dar, wieso es sich hier um eine verkehrte Fragestellung handelt. Sie stellt hierzu anhand der Studien Wolfgang Pohrts aus den neunziger Jahren einige methodische Überlegungen an und unterstellt sowohl den antideutschen als auch den antinationalen Teilnehmer_innen an der Debatte der letzten zwei Jahre einen verkehrten gemeinsamen Ausgangspunkt: Die Frage, ob es sich beim gegenwärtigen deutschen Nationalismus um irrationale Ideologie oder rationales ökonomisches Kalkül handelt, sei falsch gestellt, da der nationalsozialistische Wahn gerade eine Aufhebung des Gegensatzes von Rationalität und Irrationalität darstellt.

4. Lars Quadfasel, Epitaph auf die antideutsche Bewegung.
Lars Quadfasel kritisiert hier auf sympathische Weise den theoretischen Verfall der verbliebenen Antideutschen, die sich von einer Offenheit des Denkens und einem Denkens gegen sich selbst (im Sinne Adornos) verabschiedet haben – unmissverständlich in einem Modus der Trauer und der rettenden Kritik. Der Vortrag läuft auf ein Motiv hinaus, welches Quadfasel schon seit Längerem in seinen Vorträgen stark macht: dass im Zerfall des bürgerlichen Subjekts ein Moment von Hoffnung liegt.

Die Antideutschen, werden die Prodeutschen zu warnen nicht müde, seien rassistische und sexistische Erzteufel, augesandt, die Linke zu zerschlagen, die Moslems zu vernichten und die Dritte Welt für den Imperialismus sturmreif zu schießen. In Wirklichkeit aber, so steht zu befürchten, ist alles noch viel schlimmer. So schmeichelhaft nämlich das Bild von den Männern und Frauen mit dem Masterplan zur Weltherrschaft ausfallen mag, so wenig wird ihm, was von den Antideutschen geblieben ist, auch nur annähernd gerecht. »Sie wollen«, stellte Wolfgang Pohrt hellsichtig fest, »nicht retten, sondern gerettet werden.« Was einmal mit dem Versprechen einer Kritik der politischen Ökonomie auf der Höhe der Zeit angetreten war, zieht sich, statt auf den Feldherrenhügeln zu thronen, inzwischen viel lieber die Bettdecke über den Kopf. Am wohlsten fühlt sich die Bewegung ganz bei sich selber. Und so lauscht man im gemütlichen Kreise den Greatest Hits vergangener Tage, sticht gemeinsam auf jene zärtlich gehegte Voodoopuppe namens ‚die Linke‘ ein und widmet sich ansonsten (wie jüngst anlässlich der Hamburger Demonstration gegen antisemitische Schläger) dem, womit sich jeder anständige Verein nun einmal am liebsten beschäftigt: wer dazugehören darf und wer nicht.
Dass die Antideutschen es geschafft haben, so langweilig, verbiestert, kurz: greisenhaft zu werden wie der Rest der Landsleute auch, daran haben sicherlich theoretische Fehler ebenso wie charakterliche Deformationen ihren Anteil. Wäre das jedoch alles, wäre die Diagnose nicht so niederschmetternd: Man müsste das ganze Unternehmen nur noch einmal, weiser und besser gewappnet, von vorne beginnen. Nur übersieht das, dass jede Wahrheit ihren Zeitkern hat, der nicht ewig tickt. Die Frage, materialistisch gestellt, müsste vielmehr lauten, was an der Theorie selber sie hat vergreisen lassen; und das geht nicht auf deren Subjekte, sondern deren Objekt. Es muss, mit anderen Worten, etwas an den deutschen Zuständen sein, das ihre Kritikerinnen und Kritiker so merkwürdig weltlos werden lässt; eine Weltlosigkeit, in welcher selbst die Reflexion auf Auschwitz nicht mehr vermag, durch Hass den Blick zu schärfen, sondern vielmehr zur Beschäftigungstherapie ausartet (welche sich wiederum mit anderen Hobbys, Islamstudien beispielsweise, auf das hervorragendste verbinden lässt). Gegen eine Gesellschaft ohne Zukunft taugt auch die Vergangenheit kaum mehr als Waffe: So lässt die seltsame Starre und Leblosigkeit der hiesigen Verhältnisse keinen ihrer Gegner unberührt. Gegen die kontemplative Rolle aber, zu der die Kritikerin sich verurteilt sieht, helfen weder weltpolitisches Fernfuchteln noch der Rückzug auf sichere Bastionen – ob auf die Klasse, das bürgerliche Individuum oder gleich den Liberalismus. Die narzisstische Kränkung, die es bedeutet, nicht mehr im Brennpunkt des politischen Weltgeschehens zu stehen, wäre vielmehr als negativer Vorschein derjenigen Hoffnung zu begreifen und zu entfalten, von der antideutsche Kritik einmal zehrte: dass dieses Land selber, in langsamem aber unaufhaltsamem Zerfall, aus dem Weltgeschehen fallen könnte.

Sympathisch übrigens: Auf dem Kongress wurde hörbar geraucht.

Ankündigungstext: Weiterlesen

Wie kapitalistisch war der Sozialismus?

Am 10.11.2010 hielt Rüdiger Mats im Rahmen der Veranstaltungsreihe »Das Ende des Kommunismus« (Mitschnitte siehe hier) der Gruppe Inex einen Vortrag über die Ökonomie des Realsozialismus. Er gibt einen Überblick über die Phasen der ökonomischen Entwicklung in der Sowjetunion, geht vor Allem auf die Neue Ökonomische Politik (NEP) ein und skizziert die Probleme der Produktion in der DDR. Ein zentrales Motiv des Referenten ist, aufzuzeigen, dass die Ökonomie des Realsozialismus, nach den Maßstäben der Produktivität und Effektivität bemessen, irrational gewesen ist.

Download: via FRN (61,6 MB), via Audioarchiv (20,5 MB)

  • Rüdiger Mats: Bloß eine neue Maschine aufstellen – Was man aus dem Scheitern des Realsozialismus für die linksradikale Praxis schließen kann – und was nicht (Phase 2 #34/2009)

    Ankündigungstext: Weiterlesen

  • Ungarns konservative Revolution

    Das Offene Antifa Treffen Dresden stellt den Mitschnitt eines Vortrags von Magdalena Marsovszky über die aktuellen Entwicklungen in Ungarn zur Verfügung. Sie referiert über die Geschichte des völkischen Nationalismus in Ungarn, informiert über den Charakter und die Erfolgsgeschichte der rechtsradikalen Parteien Fidesz und Jobbik und die Bedrohung, die u.a. von der `Ungarischen Garde´ ausgeht. (Zum Ankündigungstext)

    Download: via archive.org, nachbearbeitet via audioarchiv (28,2 MB; 1 h 1 min 35 sec)

    Kleinere Radiobeiträge über die aktuelle Situation in Ungarn:

    Europa rechtspopulistisch – Ungarische Ratspräsdentschaft im EU-Parlament diskutiert | Das ungarische Desaster | Ende der Pressefreiheit in Ungarn? | Neues Mediengesetz in Ungarn: Musikzensur, Quoten und weniger Gewalt in den Nachrichten | Tilos Radio in Budapest wird von der ungarischen Medienaufsicht abgemahnt

    Hintergrundinformationen:

    The relevancy of Adornos Critique of Culture Industry for today

    Does Popular Culture Keep Us Stupid?

    In this panel discussion on Popular Culture, held at Michigan State University in April 2010, Christian Lotz, David Stowe and Diane Wakoski discuss Adornos theses and how they are to be interpreted today.

    Lotz gives a short outline of Adornos Critique of Culture Industry as he unfolded it in the famous chapter of his „Dialectic of Enlightenment“ and the historical background in which he developed it.
    David Stowe criticizes some aspects of Adornos argumentation, claiming for example that he didn’t really try to look at what he experienced as american mass culture in its peculiarity, but rather judged it from the narrow-minded viewpoint of a traditional-educated european (as can be seen in his condemnation of jazz).
    Diane Wakoski, a poet, refutes adornos well-known sentence that one should not make art after the Holocaust.

    The discussion that follows their statements is particularly interesting, dealing with the question how the internet affects Culture Industry in these days and what Adorno might have thought about this development.
    They also talk about some movies that had a big influence on recent Popular Culture, for example „Fight Club“.

    Download: via Audioarchiv (technically reworked*, 1:19 h, 27 MB); original file via MSU (72 MB)

    * We tried to remove some noise and to adapt the volume, but the sound quality isn’t that good, though.

    Announcement text: Weiterlesen

    Der kommende Aufstand

    »Der kommende Aufstand«, ein viel diskutiertes und umstrittenes Pamphlet aus Frankreich, wurde in einer deutschen Übersetzung vertont und kann via FRN gehört/geladen werden. Eine Auseinandersetzung mit dem Text folgt hier später auch noch findet sich hier.

    EDIT: Eine kleinere Fassung des Hörbuchs kann jetzt von uns bezogen werden:

    1. 1. Teil: Vorwort, Aus welcher Sicht, 1. bis 3. Kreis
    2. 2. Teil: 4. bis 7. Kreis
    3. 3. Teil: Auf gehts, Sich finden, Sich organisieren, Aufstand

    (Je ~20 MB, ~1 h)

    Deutschlandwahn in der Popkultur. Zur Nationalisierung des Pop

    Roger Behrens über Nationalismus im Pop. Dokumentiert sind Vortrag und Diskussion, die im Juli 2009 von Ums Ganze-Gruppen veranstaltet wurden. Interessant ist, wie Roger es schafft, dass einer der Ums-Ganze-Leute am Ende der Diskussion an seinem funktionalistischen Ideologieverständnis zweifelt.

    Download: via Audioarchiv, via MF (2:45 h, 57 MB)

    Ankündigungstext: Weiterlesen

    Das negative Potential – Gespräche mit Johannes Agnoli

    Bei veoh gibt es einen Film mit einer Reihe von Gesprächen mit Johannes Agnoli, die im September 2001 in San Quirico, Lucca (Italien) aufgezeichnet wurden. Agnoli spricht darin u.a. über Subversion, Staatskritik, die Schwierigkeiten emanzipatorischer Bewegungen, das Verhältnis von Anarchismus und Kommunismus und Schlagwörter der Gegenwart. Die Audiospuren stehen hier zur Verfügung:

    1. Eva, Prometheus und die Anderen

    2. Die schönen Ideen

    3. Die Negation als Weg zur Freiheit

    Franz Kafka – Der Process

    Mehreren Hörspielproduktionen des Bayrischen Rundfunks liegt nicht, wie üblich, die von Max Brod zusammengestellte Version des Kafka-Romans „Der Prozess“ zu Grunde, sondern die unbearbeiteten, fragmentarischen, handschriftlichen und nicht nummerierten Konvolute, die nach Kafkas Tod unvollendet gefunden wurden. Die einzelnen Hörspiele ermöglichen damit einen Blick in Kafkas Prozess jenseits der posthumen Bearbeitung, die das Bild Kafkas lange Zeit geprägt hat. Äußerst spannend und hörenswert. Weitere Informationen zur Hörspielbearbeitung hier.

    Download
    : via BR online, als Zip-Paket via Megaupload (insg. 324.5 MB)

    Der Wert und die Werte oder: die Moral in der Kritik

    Gesellschaftskritik darf nicht bloß moralisch sein, möchte sie Radikalität für sich reklamieren. Denn die begriffslose Anklage der schlechten Zustände ist entweder hilflos und idealistisch, schlimmstenfalls aber personalisierend und reaktionär. Darin scheint die sog. radikale Linke sich einig und doch wird über das Verhältnis von Moral und Kritik zurecht gestritten. Hier einige Vorträge zum Thema.

    1. Christine Zunke: »Es gibt nur einen vernünftigen Grund, Freiheit gesellschaftlich verwirklichen zu wollen: Moral«

    Dieser Vortrag wurde im November 2010 im Rahmen einer Konferenz der Roten Ruhr Uni zum Thema »Die Moral in der Kritik« gehalten und von der Association Critique dokumentiert. Christine Zunke, Dozentin am Institut für Philosophie der Universität Oldenburg, versucht sich darin an der Entwicklung eines, bürgerlicher Sittlichkeit entgegengesetzten, gesellschaftskritisch brauchbaren Moralbegriffs. Mit seiner Hilfe kann sie zeigen, warum VertreterInnen einer Herrschaftskritik, die vom (Privat-)Interesse der/des Einzelnen her begründet und an dieses adressiert wird, hinter Marx zurück fallen und zudem ständig Gefahr laufen, autoritär zu werden, wenn sie an die Agitierten deren »eigentliches« oder »objektives Interesse« von außen herantragen. – Abstoßungspunkt ist also der – bei ihr namenlos bleibende – GegenStandpunkt und seine Moralkritik (Beispiele für diese zum Hören finden sich einige), der eine gewisse Verwandtschaft zum ML nachgewiesen werden kann.

      Download: nachbearbeitet via MF (1:03 h, 22 MB), via RRU (59 MB)
      Hören via Soundcloud (59 MB)

    Ankündigungstext:

    Die Vorstellung einer befreiten Gesellschaft, in der die Bedürfnisse der Menschen nicht unter dem blinden Gesetz der kapitalistischen Ökonomie bloße Mittel zur Verwertung des Werts, sondern Zweck der gesamtgesellschaftlichen Produktion wären, ist eine moralische Vorstellung, die sich nicht über das bloß individuelle Interesse begründen lässt. Denn das individuelle Interesse, meine Bedürfnisse (und die der Menschen, die ich mag) sollen Zweck der gesellschaftlichen Produktion sein, mündet konsequent in einer Vorstellung von Weltherrschaft. Nur in einem modernen Feudalismus mit mir an der Spitze hätte ich exklusiven Zugang zum gesamten Mehrprodukt und meine Bedürfnisse könnten auf höchstem Niveau verlangen und befriedigt werden. Das Interesse, das für die ganze Menschheit einen herrschaftsfreien Zustand fordert, ist dagegen nicht sinnlich, sondern aus reiner Vernunft praktisch begründet – und damit moralisch; dieses moralische Interesse an der Menschheit nannte Immanuel Kant Pflicht. Ich möchte diesen sperrigen Begriff aufnehmen und darstellen, warum die Abschaffung des Kapitalismus eine Pflicht ist, auch wenn sie meinen Interessen (Freizeit, Karriere etc.) entgegensteht.

    2. Sachzwang FM zur Kritik der Moral, eine Sendung die ich bisher zu posten vergaß. Sie enthält zunächst einen Vortrag Manfred Dahlmanns (ISF): »Der Wert und die Ideale: (Un-)Moralische Perspektiven« (2002), in dem er sich nicht zuletzt mit Nietzsche und der Existentialphilosophie Heideggers und Sartres auseinandersetzt.
    Anschließend verliest Dr. Indoktrinator noch Auszüge aus Horkheimers/Adornos Dialektik der Aufklärung, nämlich aus dem Kapitel »Juliette oder Aufklärung und Moral«.

    Ankündigungstext (Dahlmann):

    Der sogenannte Materialismusstreit beherrschte die philosophischen Debatten der Linken in den siebziger Jahren. Von den sich als Materialisten bezeichnenden kritisiert wurde ein ‚Idealismus‘, dem die Idiotie unterstellt wurde, er betrachte die Gegenständlichkeit der Natur als bloßes Gedankengebilde. Gar nicht ging es ihnen um das naheliegendste: die Kritik der Ideale im profanen, umgangssprachlichen Sinne. Der Grund dafür ist einfach – waren sie es doch, die damaligen ‚Materialisten‘ also, die die Ideale der bürgerlichen Gesellschaft in ihrer reinsten Form (Freiheit, Gleichheit, Solidarität) zu verwirklichen vorgaben, und legitimierten sie doch auf genau dieser (nicht anders als idealistisch zu nennenden) Grundlage ihre Politik. Alles also wie gehabt: die Linke als die wahren Bürger und somit als Ärzte am Krankenbett einer Welt, die den Glauben an ihre eigenen Ideen längst verloren hatte. Die bürgerliche Rechte redet denn auch seit langem schon, seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, von kaum etwas anderem als vom Verfall der kulturellen Werte (der ihnen dabei gern als Konsequenz des ‚Materialismus‘ gilt) und sieht in ihm die Ursache alles Bösen. Unter Linken und Rechten herrscht ungeachtet aller Animositäten bis auf den heutigen Tage somit der Glaube, wie in der Antike seien es die individuellen Tugenden, und somit das wohlgefällige, am Guten, Wahren, Schönen ausgerichtete Leben eines jeden, die letztlich darüber entschieden, wie es um die Qualität des gesellschaftlichen Ganzen bestellt sei. Wer wollte denn auch bestreiten, daß die Moral in seinem Alltag eine herausragende Rolle spielt (keiner behauptet schließlich von sich, er gefalle sich darin, seinen Freunden und Bekannten als Bösewicht gegenüber zu treten), und was liegt näher, als ins gesellschaftliche Allgemeine unmittelbar zu projizieren, was aus dieser Erfahrung – der, daß man selbst zweifellos nie etwas Böses im Schilde führen könne – unmittelbar folgt: daß es sich bei den anderen um Menschen mit schlechtem Charakter handeln muß, wenn es gesellschaftlich mal nicht so läuft wie man selbst es gerne hätte. Gegen die unvollkommene Verwirklichung der Werte als auch gegen den Werteverfall wird allseits die gleiche Medizin aus dem Arsenal erfolgsorientierten Managements verschrieben: konsequentes, zielgenaues Handeln. Selbst wem es um die Umwertung aller Werte (Nietzsche/Heidegger/Foucault) geht, oder auch, etwas bescheidener, nur um die Wertfreiheit der Wissenschaften (die so zur Verwirklichung allgemein anerkannter, pluralistischer Werte instrumentalisiert werden sollen), der redet immer von den anderen als denjenigen, die die falschen Ideale (oder die richtigen Ideale mit falschen Mitteln) verwirklichen würden, aber nie darüber, worum es jedem Gerede um Moral, Normen, Macht, Zwecksetzungen oder was für einer Praxis und Idealität auch immer in Wirklichkeit einzig geht: die Verwertung des Werts als die im empirischen Subjekt sich konstituierende und in Geld und Kapital inkarnierende gesellschaftliche Synthesis.

      Download via MF:
      In einem Stück (2 h) oder
      zweiteilig (je 1 h): erste Stunde, zweite Stunde
      Oder in einem Stück via AArchiv

      UPDATE: Der Vortrag Dahlmanns wurde auch in einer Café Critique-Sendung verwendet. Für die Freunde hingrundmusikfreier Referate wahrscheinlich genießbarer: Download via CC, via MF (27 MB, 1 h)

    3. Marcus Hawel: »Wieviel Politik verträgt die Moral? – Der schmale Grat zwischen moralischer Überlegenheit und Hypertrophie der Moral.« Siehe FRN.