Archiv für den Monat: August 2013

Die Anfänge der Sozialdemokratie in Leipzig

Den Feierlichkeiten zum 150 jährigen Bestehen der SPD ist es zu verdanken, dass in diesem Jahr die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung verstärkt zum Thema, etwa im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, wird. Im folgenden sei auf drei solcher Produktionen hingewiesen.

1. »Wohlan, wer Recht und Wahrheit achtet!«

Das erste Feature behandelt ausführlich Ferdinand Lassalle und die Anfänge der Sozialdemokratie in Leipzig und ist überwiegend durchaus informativ und unterhaltsam. Es wird u.a. auf das Verhältnis Lassalles zu Marx und Engels sowie zu Bismarck eingegangen. Nur die zusamenhangslos eingespielten Statements heutiger SPD- und Linkspartei-Politiker sind zum Kotzen.

Am Sonnabend, dem 23. Mai 1863 schlug im Leipziger Versammlungshaus „Colosseum“ die Geburtsstunde der deutschen Sozialdemokratie. Gemeinsam mit Delegierten aus elf deutschen Städten gründete der 38-jährige Schriftsteller und Revolutionär Ferdinand Lassalle den „Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein“, der als älteste demokratische Partei Deutschlands gilt.

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2. »Ich stand in dem Rufe, ein gefährlicher Mensch zu sein« – August Bebel in Leipzig

Kürzer sind die Beiträge über Lassalles Gegenspieler in der Sozialdemokratie, August Bebel.

Zum 100. Todestag von August Bebel am 13. August erinnert FIGARO an den Sozialdemokraten, der seine Partei durch die Illegalität führte und Bismarck die Sozialgesetzgebung abtrotzte.

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3. Bismarck hasste, die Arbeiter liebten ihn: August Bebel

Bei NDR Info – ZeitZeichen gab es ebenfalls ein kurzes Feature zum Todestag Bebels, das auf ein paar andere Aspekte zu sprechen kommt als das obige, darunter auch sein Buch Die Frau und der Sozialismus.

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In der Warteschleife

Momentaufnahmen vom Protestcamp Berlin-Oranienplatz

Immer wieder machen Flüchtlinge, Asylbewerber und Asylanten auf ihre oft sehr belastende Lebenslage in Deutschland aufmerksam. Das Feature dokumentiert ein Protestcamp am Oranienplatz in Berlin.

Viele Asylanten aus ganz Deutschland kampieren seit Monaten auf dem Berliner Oranienplatz, um gegen Arbeitsverbot und Residenzpflicht zu protestieren.

Angefangen hatte es 2012 in Würzburg, ein iranischer Flüchtling hatte sich in einem Wohnheim umgebracht. Flüchtlinge dort protestierten mit einem Zeltlager in der Stadt, darauf folgte ein „Marsch der Würde“ nach Berlin.

Es ist nicht witzig für uns, nach Deutschland zu kommen und so zu leben. Ich habe ja ein Problem: Ich komme von einer Krise in die andere. Und nochmal: Wenn die mich zurückschicken wollen, das geht nicht. Wenn ich zurück gehe, dann bringen die mich um. Einfach so.“ — Napoli, Flüchtling aus dem Sudan

Ihr Protestcamp hat die Unterstützung des Bezirksbürgermeisters von Friedrichshain/Kreuzberg und vieler Anwohner am Oranienplatz.

Die Flüchtlinge wollen so lange bleiben, bis ihre Hauptforderungen erfüllt sind: Bewegungsfreiheit in Deutschland und das Recht auf Arbeit.

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Lenin und die Oktoberrevolution

Lenins Werdegang, seine Wandlungen und zentrale Konzepte

Im Rahmen der Libertären Reihe in Halle hat Raban Witt einen sehr informativen Vortrag über W.I. Lenin gehalten. Er gibt im Vortrag eine kurze Skizze der Biografie Lenins, schildert im Bezug auf Lenins Rolle den Verlauf der Oktoberrevolution und die ersten Phasen der Sowjetunion und widmet sich zuletzt dem Staatsverständnis wie es in Lenins Schrift „Staat und Revolution“ entwickelt wird. Der Vortrag geht fließend in die Diskussion über, die Aufnahme bricht leider irgendwann ab. [Thematisch ähnliche Vorträge hat Witt auch in Frankfurt, Bremen und Wien gehalten – vielleicht existieren hier vollständige Mitschnitte, die uns die entsprechenden Gruppen zur Verfügung stellen können? edit: Der Vortrag, den Raban Witt in Bremen gehalten hat, steht nun hier zur Verfügung.]

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Über einige Aspekte der Kritik an Lenin hat Raban Witt nach einem seiner Vorträge im Interview mit der Wüsten Welle gesprochen:

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Die Russische Revolution aus libertärer Sicht

Eng verbunden mit dem Wirken Lenins ist ohne Zweifel die Oktoberrevolution von 1917. Ebenfalls in der Libertären Reihe fand ein Vortrag über die Russische Revolution aus libertärer Sicht statt. Die zwei Genossen von der FAU referieren über die geografischen und politischen Bedingungen und den Verlauf der Russischen Revolution und legen dabei einen Fokus auf revolutionäre Gruppen links von den Bolschewiki. Vgl. auch Der Kronstadt-Aufstand.

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Zum Thema sei auch der Band „Marxistischer Antileninismus“ empfohlen, in dem u.a. die „Thesen über den Bolschewismus“ von Helmut Wagner (im ca-ira-Band fälschlicherweise der Gruppe Internationaler Kommunisten zugerechnet) enthalten sind. In der Libertären Reihe fanden zudem weitere interessante Vorträge statt, von denen zum Teil Mitschnitte existieren (siehe hier oder hier) auf die eventuell nochmal gesondert hingewiesen wird.

Anarchismus und Postmoderne

1. Keine Macht für Niemand – Versuch einer anarchistischen Aneignung des philosophischen Projektes von Foucault

Einen Versuch, anarchistische Staatskritik und postmoderne Philosophie miteinander zu verbinden, stellt Jürgen Mümken vor, der im Mai gleich zwei mal vom Anarchistischen Lesekreis Jena eingeladen wurde. In seinem ersten Vortrag stellt er einführend Foucaults Machtbegriff vor und vergleicht die jeweiligen Staatsverständnisse von Landauer und Foucault. Im zweiten Teil versucht Mümken mit Hilfe von Foucault sowie Chiapello/Boltanski den Neoliberalismus zu fassen und aus anarchistischer Perspektive zu kritisieren.

Der französische Philosoph Michel Foucault (1926-84) gehört zu den wichtigsten Philosophen des 20. Jahrhunderts. In seinen Schriften hat uns Foucault eine vielseitige Werkzeugkiste hinterlassen, die auch für eine Aktualisierung des Anarchismus und der Analyse gegenwärtiger gesellschaftlicher, sozialer und ökonomischer Verhältnisse geeignet sind.

In diesem Vortrag wird es um einige dieser Werkzeuge gehen: Die Analyse der Macht und Herrschaftszustände, Gouvernementalität und das Denken des Staates und seine Auseinandersetzung mit dem Neoliberalismus. Bei all diesen Punkten geht es auch immer um Subjektivität und Kritik des autonomen Subjekts. Dabei kann das Denken von Foucault teilweise auch direkt am Anarchismus angeschlossen werden. So kommt der Anarcho-Sozialist Gustav Landauer mit seinem relationistischen Staatsverständnis dem Denken von Foucault schon sehr nahe. Auch gibt es Überschneidungen zwischen Max Stirner und Foucault bei der Kritik des bürgerlichen Subjekts.

Der Vortrag möchte Denkanstöße für eine anarchistische Auseinandersetzung mit bestehenden Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnissen geben. Es geht nicht um eine Gesamtdarstellung des philosophischen Werkes von Foucault, sondern um den Versuch einer anarchistischen Aneignung. [via Flyer]

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2. Anarchismus in der Postmoderne oder die Utopie der Anarchie in Zeiten des Neoliberalismus

In seinem zweiten Vortrag stellt Mümken etwas allgemeinere Überlegungen zum Verhältnis von Anarchismus und Philosophie der Postmoderne vor und versucht die Postmoderne als einen Ausdruck anarchistischer Tendenzen in der Gegenwart zu fassen. Im zweiten Teil widmet sich Mümken etwas ausführlicher den Problemen, vor die der Neoliberalismus eine anarchistische Staatskritik stellt.

Postmoderne, Globalisierung und Neloiberalismus haben die gesellschaftlichen Realitäten und Wahrnehmung verändert. Die subversive Ordnung in der Moderne hat anscheinend in der Postmoderne die Seite gewechselt: „Begriffe wie Autonomie, Selbstorganisation, Dissidenz oder auch Befreiung haben die Fronten gewechselt, und es ist unklar, wo überhaupt die Fronten verlaufen. Fanden der liberale wie der anarchistische Einsproch gegen ‚Regierbarmachung der Gesellschaft und der Individuen‘ ihren gemeinsamen Nenner darin, das passive Regiertwerden durch ein aktives Sich-selbst-Regieren ersetzen zu wollen, so verliert dieses Programm in dem Maße seinen Stachel, in dem Freiheit nicht die Antithese von Herrschaft darstellt, sondern den avancierten Modus ihrer Ausübung“ (Ulrich Bröckling). Selbstverwaltung, Selbstbestimmung, und Sich-selbst-Regieren stehen anscheinend nicht mehr im Widerspruch zur neoliberalen Herrschaft, velmehr scheinen sie zu Technologien des Neoliberalismus geworden zu sein.

Was bedeutet diese Umwertung für die Utopie der Anarchie in Zeiten des Neoliberalismus? Die Frage soll beantwortet werden mit Bezug auf Foucault und seine Analyse des Neoliberalismus. Was nützt die Macht-Analyse von Foucault und die postmoderne Kritik des bürgerlichen Subjekts für die Utopie einer herrschaftsfreien Gesellschaft? Diesen Fragen geht Jürgen Mümken nach. [via Flyer]

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Beide Vorträge enthalten nützliche Einführungen in einige Aspekte der Theorien Foucaults und sind dahingehend interessant, als dass sie zeigen, wie anarchistische Theoretiker_innen mit Postmoderne und Neoliberalismus umgehen (können). Ob Mümken die Verbindung von postmoderner Philosophie und Anarchismus glückt oder ob der Anarchismus nicht vielmehr dort zu tradieren wäre, wo er sich tatsächlich der Aufklärung verpflichtet, bleiben m.E. offene Fragen.