Archiv für den Monat: Juni 2017

Der 17. Juni 1953

Arbeiteraufstand oder Volksaufstand?

Kürzlich hat sich wieder der Aufstand vom 17. Juni 1953 in der DDR gejährt. Die Geschichte der mit diesem Datum verbundenen Ereignisse ist seit jeher Gegenstand einer Deutungsschlacht: Volksaufstand zur Wiedervereinigung Deutschlands, antikommunistischer Putschversuch, sozialdemokratisch orientierte Streikbewegung oder post-nationalsozialistische Zusammenrottung – so lauten verschiedene Deutungen. Als Teil der Geschichte des Staatssozialismus und der Geschichte von Klassenkämpfen ist dieses Datum aber auch Teil der linken Geschichte – und so lohnt es sich, jenseits der verschiedenen Eingemeindungen, sich der widersprüchlichen Wahrheit dieses Ereignisses zu nähern. In diesem Sinne dokumentieren wir hier einige Audiobeiträge zur Geschichte des 17. Juni 1953.

Anmerkung zum Verständnis: In den meisten Beiträgen ist vom RIAS die Rede – gemeint ist damit der „Rundfunk im Amerikanischen Sektor„.

1.) Legende und Wirklichkeit eines Volksaufstandes

Wir beginnen zunächst mit einem Beitrag aus dem Öffentlich-Rechtlichen – schon der Titel des Features zeigt den eher bürgerlichen Charakter des Beitrags an. Zu Wort kommt u.a. der Historiker Ilko Sascha-Kowalczuk. Interessant ist das Feature vor allem aufgrund der zahlreichen O-Töne.

    Download: via BR2 | via MF (mp3; 21 MB; 22:56 min)

2.) Zur Geschichte des 17. Juni 1953

Ein kurzer, etwas älterer Beitrag von Radio Corax gleicht einige Leerstellen des obigen Features aus: So wird hier auf die Multipolarität des Aufstands hingewiesen, dessen Ausrichtung von Ort zu Ort höchst unterschiedlich gewesen ist. Das kurze Feature sammelt auch Stimmen aus der Halle’schen Bevölkerung zum 17. Juni. Zuletzt wird der 17. Juni eingeordnet in die damals wachsende Spannung zwischen den beiden Blöcken. Wer genau hier spricht konnten wir nicht ermitteln. Wer sich für die lokalen Ereignisse des 17. Juni in Halle interessiert, dem sei dieses Interview über den Waggonbau Ammendorf empfohlen.

    Download: via AArchiv (mp3; 11 MB; 6:54 min)

3.) Arbeiteraufstand oder Volksaufstand?

Im Interview mit Radio Corax arbeitet Bernd Gehrke heraus, dass der 17. Juni 1953 vor allem ein Arbeiteraufstand gewesen ist. Er begreift diesen Aufstand vor allem als eine Selbstermächtigung von unten. Im Interview werden die Ursachen und der Charakter des Aufstands recht ausführlich besprochen. Bernd Gehrke gehörte in der Endphase der DDR zur Vereinigten Linken – heute ist er u.a. aktiv im AK Geschichte Sozialer Bewegungen Ost West.

    Download: via AArchiv | via FRN (mp3; 60.7 MB; 53:06 min)

4.) 17. Juni 1953 – Deutungen im Widerstreit

Abschließend folgt ein Vortrag, den Jürgen Hofmann (Mitglied im Historischen Beirat der Partei Die Linke) im Juni 2013 in Dresden gehalten hat. Er gibt zunächst einen Überblick über nützliche Quellen und schildert dann anekdotisch die Verläufe des Aufstands, wobei er jeweils den Fokus auf die Besonderheiten verschiedener Städte legt. Im Publikum sitzen einige Zeitzeugen, die dann in der Diskussion einige Eindrücke zusammentragen.

    Download: via AArchiv | via FRN (mp3; 56.3 MB; 1:58:59 h)

Labournet stellt eine ausführliche Textsammlung zum 17. Juni 1953 zur Verfügung – darunter auch ein zweiteiliger Text von Bernd Gehrke. Der positiven Deutung Gehrkes setzt Philipp Graf (Roter Salon / Simon-Dubnow-Institut) einige Ausführungen entgegen, die den Aufstand nicht ungebrochen als emanzipatorischen Vorgang deutbar machen.

Der 2. Juni 1967 und die Folgen

Vor wenigen Tagen jährte sich der Todestag von Benno Ohnesorg zum 50. mal. In den Erzählungen über die Ursachen jener Bewegung, die später mit der Chiffre 1968 bezeichnet wurde, spielt der 2. Juni 1967 eine zentrale Rolle. Am 2. Juni 2017 wurde viel über dieses Datum gesprochen – wir dokumentieren hier einige Beiträge, die unseres Erachtens über eine unpolitische Jahrestagserinnerung hinausgehen.

1.) Benno Ohnesorg – Chronik einer Hinrichtung

Kürzlich hat Margot Overath (die u.a. ein sehr hörenswertes Feature über den Mord an Oury Jalloh produziert hat) ein Feature über die Ermordung von Benno Ohnesorg veröffentlicht. Dafür sprach sie mit Zeitzeugen und am Einsatz beteiligten Polizeibeamten über die Tat, den Tag und die Folgen bis heute. Ergänzend dazu siehe dieses Interview mit Uwe Soukup, der ebenfalls im Feature von Overath zu Wort kommt.

    Download: via SWR2 | via MF (mp3; 74.8; 54:30 min)

2.) Die studentische Linke, der Tod Benno Ohnesorgs und der 6-Tage-Krieg Israels

Ein Feature von Peter Leusch rekonstruiert die Ereignisse jener Jahre unter einem anderen Blickwinkel: Die Ermordung Benno Ohnesorgs geschah kurz vor dem 6-Tagekrieg, in dessen Folge sich die Beziehung der westdeutschen Linken zu Israel grundlegend veränderte. Leusch rekonstruiert diese Diskursverschiebung und geht dabei u.a. auf den Faschismusbegriff der Neuen Linken und ihr Verhältnis zur kritischen Theorie ein.

    Download: via ARD | via MF (mp3; 13.6 MB; 14:54 min)

3.) Das proletatrische 1968

Im Tagesaktuellen Programm von Radio Corax war der 2. Juni ein Anlass, um über 1968 zu sprechen. Ein oft ausgeblendeter Umstand ist, dass 1968 auch mit erheblichen ökonomischen Verschiebungen und mit Klassenauseinandersetzungen verbunden war. Bernd Gehrke und Gerd-Rainer Horn haben hierzu ein Buch mit dem Titel „1968 und die Arbeiter : Studien zum ‚proletarischen Mai‘ in Europa“ veröffentlicht. Radio Corax sprach mit Bernd Gehrke über dieses Buch. (Zum Thema außerdem interessant und materialreich: „Das proletarische 1968“ von Nelke.)

    Download: via FRN (mp3; 32 MB; 27:42 min)

4.) Rekonstruktion einer Niederlage

Der 2. Juni 1967 und der bewaffnete Kampf sind unweigerlich miteinander verbunden – die Bewegung 2. Juni hat das Ereignis zu ihrem Namen gemacht. Der 2. Juni 1967 war eines von mehreren Ereignissen, das zu einer Entwicklung führte, in der die bewaffnete Auseinandersetzung zwischen dem Staat und linken Gruppen unausweichlich schien. Darüber sprach Radio Corax mit Karl-Heinz Dellwo. Der ist ehemaliges Mitglied der RAF und heute Mitbetreiber des Laika-Verlags. (Das Gespräch enthält in der ersten Hälfte zahlreiche Störgeräusche – das ändert sich ab der zweiten Hälfte.)

    Download: via FRN (mp3; 40 MB; 35:04 min)

5.) Anmerkungen zum Jahr 1968

In den Nachrichten aus dem beschädigten Leben vom 25. Januar 2016 kam Jan Gerber über 1968 zu Wort. Er rekonstruiert 1968 als Teil einer Modernisierungsbewegung des Kapitalismus – die 1968er haben dem Kapital zu einer Neuausrichtung verholfen:

    Download: via FRN (mp3; 13 MB; 7:50 min)

Dieser Kommentar wurde wiederum kritisch von einem Moderatoren von Radio Corax kommentiert:

    Download: via FRN (mp3; 0.7 MB; 4:16 min)

Auf dem Blog der interventionistischen Linken wurde übrigens ein lesenswertes Interview mit einem ehemaligen Mitglied der Bewegung 2. Juni veröffentlicht – die Interventionistische Linke ruft angesichts einiger Jahrestage zu einer Debatte über Geschichtspolitik auf. Zum Thema sei außerdem empfohlen: Johannes Agnoli – 1968 und die Folgen (da dieses Buch über den ça ira Verlag leider nicht mehr lieferbar ist, muss man im Internet findig sein).

Theater — Realität — Realismus

Im letzten Jahr fand in Berlin unter dem Titel Theater — Realität — Realismus eine Tagung statt, auf der eine Kritik des Gegenwartstheaters diskutiert wurde. Bezugspunkt der Diskussion waren dabei Dramatiker wie Bertolt Brecht, Peter Hacks und Heiner Müller. Mittlerweile liegt die Dokumentation dieser Tagung als sechste Ausgabe der Zeitschrift Kunst, Spektakel & Revolution vor. Aus diesem Anlass dokumentieren wir hier die Audioaufnahmen von der Tagung und Radiosendungen und Interviews im selben Zusammenhang.

A.) Wutpilger-Streiftzüge: Theater — Realität — Realismus

In der Mai-Ausgabe der Sendereihe Wutpilger-Streifzüge (Radio Corax) wurde ein umfangreiches Feature gesendet, in dem bestimmte Diskussionsstränge der Berliner Tagung eingefangen wurden. Zu Wort kommen dabei Tina Turnheim (u.a. EGfKA), Sebastian Tränkle (u.a. Phase 2) und Jakob Hayner (u.a. KSR & Theater der Zeit).

    Download: via Mediafire (mp3; 96.1 MB; 1 h)

B.) Interview mit Jakob Hayner zur Tagung

Im Nachgang der Tagung wurde Jakob Hayner für Radio Corax interviewt. Es geht dabei um eine Bestandsaufnahme des Gegenwartstheaters, den Begriff des Realismus, die Linie Brecht-Hacks-Müller und das Theater in der DDR. Das Interview kann in Textform hier nachgelesen werden. Das Interview wurde auszugsweise auch im obigen Feature verwendet – die ursprüngliche Version ist jedoch noch umfassender.

    Download: via FRN (mp3; 53 MB; 23:13 min)

C.) Interview mit Jakob Hayner zu KSR N°6

Im Vorfeld der Release-Veranstaltung zu KSR N°6 an der Oper in Halle hat Radio Corax erneut ein Interview mit Jakob Hayner geführt. Dabei ging es um das Verhältnis von Avantgarde und Realismus – aber auch um eigene Theatererfahrungen und Debatten um die Oper in Halle.

    Download: via FRN (mp3; 24 MB; 17:46 min)

Im Folgenden nun die Dokumentation der Tagung:

1.) Einleitung zur Tagung

In der Einleitung hat Jakob Hayner noch einmal begründet, warum der Begriff des Realismus sich besonders für eine politische Diskussion über das Theater eignet. Er stellt die Themen der Tagung vor und integriert die einzelnen Vorträge in einen Gesamtzusammenhang.

    Download: via AArchiv (mp3; 32 MB; 23:22 min)

2.) Realismus als ästhetischer Kampfbegriff in Exil- und DDR-Literaturdebatten

Bernadette Grubner (Institut für Deutsche und Niederländische Philologie, FU Berlin) verortet den Begriff des Realismus historisch und analysiert den Charakter der um diesen Begriff geführten Debatten.

    Download: via AArchiv (mp3; 65 MB; 47:23 min)

3.) Die Explosion der Utopie. Heiner Müller und die Frage der Gewalt

Frank M. Raddatz (Publizist, Dramaturg und Theaterregisseur) zeichnet eine Entwicklung innerhalb des Werks von Heiner Müller nach: Dessen Beschreibung und Bezugnahme auf (revolutionäre, gegenrevolutionäre) Gewalt.

    Download: via AArchiv (mp3; 104 MB; 1:15:54 h)

4.) The world is a stage, but the play is badly cast.

Sebastian Tränkle hat in seinem Vortrag Thesen über Theater und Wirklichkeit vorgetragen. Dabei beschreibt er Tendenzen des Gegenwartstheaters und formuliert eine Kritik dieser Tendenzen, wobei er diese mit Tendenzen der gesellschaftlichen Wirklichkeit abgleicht. Der Vortrag bricht leider ungefähr nach der Hälfte des Vortrags ab – die Batterie des Aufnahmegeräts war erschöpft. Ausführlicher ist Sebastian Tränkle dafür in oben verlinktem Feature zu hören.

    Download: via AArchiv (mp3; 27 MB; 19:44 min)

5.) Against facts?

Der Vortrag von Tina Turnheim trug den Untertitel: Brechts »Realismus der Möglichkeit« als Waffe gegen vermeintliche Sachzwänge, Fatalismus und mangelnde Vorstellungskraft im »kapitalistischen Realismus«. Sie stellt dabei Bertolt Brecht als einen Realisten dar, der Kältestrom und Wärmestrom (Bloch) gleichermaßen integrieren konnte. In ihrem Textbeitrag in KSR N°6 formuliert sie auch eine Kritik an Bernd Stegemann (s.u.). In der Ausgabe 626 der ak hat Tina Turnheim einen Artikel über die Notwendigkeit einer antifaschistischen Offensive am Theater geschrieben. Jakob Hayner hat in der ak 627 darauf geantwortet.

    Download: via AArchiv (mp3; 84,8 MB; 1:01:45 h)

6.) Brechts »eingreifendes Denken« und die Chancen eines Linkspopulismus

Am Abend des ersten Konferenztages referierte Bernd Stegemann (Dramaturg, Autor und Professor für Theatergeschichte an der Ernst-Busch-Schauspielschule), der in Theaterkreisen durch seine Bücher „Kritik des Theaters“ und „Lob des Realismus“ aufmerksam auf sich gemacht hat. In seinem Vortrag geht er jedoch eher weniger auf die Theater-Debatten ein – er spricht über den Begriff des Populismus, auch die Möglichkeit eines Linkspopulismus und zieht hierfür u.a. Bertolt Brecht heran. Der Vortrag war eine Vorarbeit zu seinem inzwischen erschienenen Buch „Das Gespenst des Populismus„. Der Vortrag ist auf der Konferenz kontrovers diskutiert worden.

    Download: via AArchiv (mp3; 117 MB; 1:25:28 h)

7. Das poetische Element ist natürlich nichts Unrealistisches!

Am nächsten Tag referierte zuerst Doris Neumann-Rieser (Mitarbeiterin am Institut für Germanistik der Uni Wien) über Realität und Realismus im Verständnis des Dramatikers Brecht. Dabei ordnet sie mehrere Phasen der Werkentwicklung von Brecht und geht auf einige Stücke ein.

    Download: via AArchiv (mp3; 65.7 MB; 47:52 min)

8.) Drama und Theater

Jens Mehrle (Regisseur und Miterhausgeber der Berlinischen Dramaturgie) referierte zu einem Aspekt des Realismus in Peter Hacks‘ »Berlinischer Dramaturgie«. In seinem Vortrag verteidigt er das Drama gegenüber dem nichtdramatischen Diskurstheater.

    Download: via AArchiv (mp3; 106 MB; 1:17:20 h)

9.) Adorno: Realismus in der verwalteten Welt

Anja Nowak (Researcherin an der University of British Columbia) referierte über Adornos Position zum Realismus. Dabei hat Adorno selbst keine ausgearbeitete Theorie oder Kritik des Realismus vorgelegt, sich aber immer wieder im Zusammenhang von Realismus-Debatten geäußert.

    Download: via AArchiv (mp3; 59.6 MB; 43:27 h)

10.) Realismus und Dramenform

Kai Köhler (Literaturwissenschaftler, u.a. Autor von Literaturkritik) beschreibt Realismus und Dramenform als notwendig aufeinander bezogen und zieht hierfür ebenfalls vor allem Peter Hacks heran.

    Download: via AArchiv (mp3; 55.5 MB; 40:29 min)

11.) Neuer Realismus? – Abschließende Podiumsdiskussion

Auf dem Abschlusspodium waren mehrere der Mitorganisatoren vertreten: Thomas Zimmermann, Max Köhler und Jakob HaynerLukas Holfeld moderierte das Podium. Aspekte der Diskussion waren: Grundlegende Tendenzen der Realität, von der wir sprechen / Zusammenhang von Realismus und Krise / Philosophie und Realismus / Avantgarde und Realismus.

    Download: via AArchiv (mp3; 155 MB; 1:53:21 h)