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Revolution in Deutschland 1918-23 #2

Im August 1914 beschloss die SPD die Bewilligung der Kriegskredite – wichtige Voraussetzung für die Kriegsführung des Deutschen Reichs im 1. Weltkrieg. Dies bedeutete unweigerlich die Spaltung der Arbeiterbewegung, die für den Verlauf der Novemberrevolution entscheidend wird. M-SPD, USPD, Gruppe Internationale, Bremer Linksradikale, Spartakusbund und später KPD – damit sind nur die wichtigsten Ergebnisse dieser Spaltung genannt. Im zweiten Teil unserer Beitrags-Serie über die Novemberrevolution fokussieren wir auf diese Neuzusammensetzung der Arbeiterbewegung. Im nächsten Teil beschäftigen wir uns mit den Frauen der Novemberrevolution.

1.) Der Bruch mit dem Bestehenden

Wir stellen zunächst noch einmal ein Gespräch voran, in dem eine zusammenfassende Einordnung über die Geschehnisse der Novemberrevolution gegeben wird. Philipp von den Falken Erfurt – die immer wieder Veranstaltungen zur Geschichte der Novemberrevolution organisiert haben – spricht über die Ursachen der Novemberrevolution und die Frage, wie konkret und verankert revolutionäre Ideen damals in der Arbeiterschaft gewesen sind. Dabei geht es auch um die Rolle der SPD. Im Gespräch, das Radio Corax bereits im Dezember 2015 geführt hat, antwortet er zunächst auf die Frage nach den Ursachen der Novemberrevolution.

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2.) Die Osterkonferenz 1916 in Jena

Während die SPD nach der Bewilligung der Kriegskredite gemeinsam mit den Gewerkschaften eine Politik des Burgfriedens vertrat, wehrten sich viele Mitglieder der sozialdemokratischen Jugendorganisationen gegen den Kriegskurs und traten aktiv gegen den Krieg ein – wie sich etwa in der Autobiografie von Karl Retzlaw oder in der Biografie von Karl Plättner nachlesen lässt. Die Arbeiterjugendbewegung war daher auch besonders empfänglich für radikalere Ideen, wie sie von der Gruppe um Liebknecht und Luxemburg oder den Bremer Linksradikalen vertreten wurden. So fanden sich zu Ostern 1916 in Jena auf der „Osterkonferenz gegen Militarismus und Krieg“ Aktive der Arbeiterjugend aus ganz Deutschland zusammen und berieten über die Perspektiven einer antimilitaristischen Opposition. Im Januar 2016 haben die Thüringer Falken eine Veranstaltung zur Erinnerung an die Osterkonferenz organisiert. Radio Corax hat mit Philipp von den Erfurter Falken darüber gesprochen und ihn zunächst nach der gesellschaftlichen Situation gefragt, in der die Osterkonferenz organisiert worden ist.

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3.) Die Arbeiterbewegung in der Novemberrevolution

Im Gespräch mit dem Historiker Dietmar Lange – Mitglied der Redaktion der Zeitschrift „Arbeit – Bewegung – Geschichte“ – hat Radio Corax explizit darauf geschaut, wie sich die Arbeiterbewegung im Zuge der Novemberrevolution verändert hat. Voraussetzung ist dafür zunächst, sich die Klassenverhältnisse im Deutschen Kaiserreich und die damalige Rolle der SPD anzuschauen. Das Gespräch dreht sich dann um die Ursachen, warum SPD und Gewerkschaften den 1. Weltkrieg mitgetragen haben und im Zuge der Novemberrevolution zu einer gegenrevolutionären Kraft wurden. Es geht dann um die Rolle der USPD und die Forderung nach einem „Ende des Bruderstreits“, die im Zuge der Novemberrevolution in der sozialdemokratischen Basis laut wurde.

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4.) Von Spartakus zur KPD

Die KPD gründete sich erst im Zuge der Novemberrevolution, zum Jahreswechsel 1918/19. Mit der „Gruppe Internationale“, dem „Spartakusbund“, den Bremer Linksradikalen und den Internationalen Kommunisten Deutschlands sind wichtige Vorgängergruppierungen aus der radikalen Linken genannt. Über die Aktivitäten dieser Vorgänger-Gruppierungen (mit Fokus auf Gruppe Internationale und Spartakusbund), die Ursprünge der Kommunistischen Partei und ihren Charakter sprach Radio Corax mit dem Historiker Ottokar Luban, u.a. Sekretär der Internationalen Rosa-Luxemburg-Gesellschaft.

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5.) Rosa Luxemburg und die Bremer Linksradikalen

Die Bremer Linksradikalen wurden hier schon benannt. In einer Ausgabe der Sendereihe Wutpilger-Streifzüge vom Januar 2018 wurde gemeinsam mit dem Historiker Jörg Wollenberg ein genauerer Blick auf diese Gruppierung geworfen. Dabei geht es insbesondere um die Beziehung zwischen den Bremer Linken und Rosa Luxemburg – um Gemeinsamkeiten und Kontroversen zwischen ihnen. Ein Vortrag von Wollenberg über die „Dissidenten der Arbeiterbewegung“ ist hier dokumentiert – dort gibt es einen genaueren Überblick über die radikaleren Spaltprodukte der Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik. Im zweiten Teil der Sendung geht es dann auch um den Rätekommunismus in der Weimarer Republik, insbesondere um die KAPD – das zugrundeliegende Interview mit Seb Bronsky findet sich hier, ein Vortrag von ihm zum Thema ist hier dokumentiert.

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Die mitteldeutschen Märzkämpfe von 1921

1.) Die mitteldeutschen Märzkämpfe von 1921

Ende März 1921 riefen KPD und KAPD zu einem Generalstreik im Industriezentrum Halle/Merseburg und Leuna auf. Von Mitteldeutschland aus sollte diese Streikaktion an Masse gewinnen und Initialzündung für weitergehende revolutionäre Bestrebungen sein. Doch vergeblich – die besetzten Betriebe wurden von Schutzpolizei und Reichswehr niedergeschossen und tausende radikale Arbeiter wurden zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Diese Ereignisse sind nicht nur wegen ihrer Folgen interessant – um die Gefangenen der Märzaktion freizukriegen, wurde erst die Rote Hilfe gegründet – sondern auch wegen ihres Vorlaufes: Die Neuordnung der linken Parteienlandschaft, das Verhältnis zur KomIntern und die Debatten um einen offensiven oder einen gemäßigten Kurs. Nicht zuletzt sind die mitteldeutschen Märzkämpfe interessant wegen der beteiligten Gruppierungen und Personen – etwa der rätekommunistischen KAPD und dem berühmten Max Hoelz.

Auf Radio Corax ist im März 2017 ein ausführliches Feature erschienen, das die Ereignisse der mitteldeutschen Märzkämpfe von 1921 rekonstruiert. Zu Wort kommen hier Karsten Rudolph (Historiker, Institut für Soziale Bewegungen an der Ruhr Uni), Stefan Weber (Historiker), Norbert Marohn (Autor) und Seb Bronsky (Kommunist).

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2.) Zum Leben und Wirken des Max Hoelz

Ergänzend zum Feature ist in der April-Ausgabe der Sendereihe Wutpilger-Streifzüge ein ausführliches Interview mit Norbert Marohn über Max Hoelz gesendet worden. Norbert Marohn hat eine Hoelz-Biographie geschrieben: Hoelz. Biographie einer Zukunft, erschienen im Lychatz-Verlag. Das Interview behandelt die Kindheit von Max Hoelz, dessen Politisierung durch den Ersten Weltkrieg, seine revolutionären Betätigungen und schließlich seinen Aufenthalt in der Sowjetunion, der mit dem Tod in der Oka endete. Zu hören sind außerdem O-Töne aus den Filmen Max Hölz, der Revolutionär und Wolz. Leben und Verklärung eines deutschen Anarchisten.

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Beiträge zum Rätekommunismus

Wir dokumentieren hier zwei Vorträge, die die Geschichte des Rätekommunismus bzw. Linkskommunismus (vor allem im deutschsprachigen Raum) zum Gegenstand hatten.

1.) Ein Bürgerkrieg in Deutschland – Zu Theorie und Praxis des antiautoritären Kommunismus 1914 – 1923

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Dissidenten der Arbeiterbewegung“ hat Seb Bronsky am 19.06.2014 in Erfurt einen Vortrag über den Rätekommunismus in Deutschland gehalten. Anhand einer kenntnisreichen Schilderung der Klassenkämpfe zwischen 1914 und 1923 (Novemberrevolution, Spartakusaufstand, Ruhrkämpfe, mitteldeutsche Märzkämpfe) entwickelt er die Geschichte, Debatten und Spaltungen des linken Kommunismus: Spartakusbund und KPD, KAPD, AAU, AAU-E, Rote Kämpfer und KAU. Neben den Organisations- und Strategiedebatten, die sich u.a. um die Stellung zum Parlament und zu den Gewerkschaften drehten, schildert er skizzenartig auch das Verhältnis der Linkskommunisten zu Lenin und dem Bolschewismus. Er schließt mit einigen zusammenfassenden Thesen, die auch auf Fehler und Schwachstellen der Linkskommunisten hinweisen.

Texte, auf die Bronsky im Vortrag u.a. hingewiesen hat: Hans Martin Bock – Syndikalismus und Linkskommunismus 1918-1923 | Bernhard Reichenbach – Zur Geschichte der K(ommunistischen) A(rbeiter)-P(artei) D(eutschlands) | Otto Rühle – Von der bürgerlichen zur proletarischen Revolution (PDF) — Der Mitschnitt eines weitestgehend identischen Vortrags, den Seb Bronsky in der Translib gehalten hat, kann (jedoch in etwas schlechterer Tonqualität) bei Youtube angehört werden.

»Andere mögen ihr: ›Nur nicht zu viel! Nur nicht zu früh!‹ plärren. Wir werden bei unserem: ›Nur nicht zu wenig! Nur nicht zu spät!‹ beharren.« [Karl Liebknecht, Die Frage des Tages, geschrieben im Knast 1918]

Die russische Oktober-Revolution, die Bolschewiki, allen voran Lenin wurden von den deutschen Kommunisten bewundert, begeistert waren auch die antiautoritären Kommunisten von dem Maximalismus, der nicht nur den 1. Weltkrieg beenden, sondern ihn in einen Bürgerkrieg umwandeln wollte; es schien, mit der sozialistischen Weltrevolution würde endlich ernst gemacht. Zwei, spätestens drei Jahre später war von dieser Bewunderung nicht mehr viel übrig, Bolschewiki und deutsch-holländischer Rätekommunismus waren auseinandergegangen. Lenin warf den Antiautoritären unter den Kommunisten vor, sie wären eine utopistische Kinderkrankheit des Kommunismus, die Antiautoritären sahen in Sowjetrußland nicht die Diktatur des Proletariats, sondern die staatskapitalistische Despotie der bolschewistischen Partei.

Der Vortrag möchte auf drei Ebenen vorgehen: Erstens soll an die wirkliche Bewegung in Deutschland erinnert werden, das heißt nicht nur an die proletarischen Kämpfe gegen den Weltkrieg und die November-Revolution, sondern mehr noch an den heute weitgehend vergessenen, anschließenden Bürgerkrieg. Zweitens an die revolutionären Organisationen: vom Spartakusbund und den Internationalen Kommunisten Deutschlands zur Kommunisten Partei und deren erster Spaltung; von der Kommunistischen Arbeiter-Partei und der Allgemeinen Arbeiter Union, die erst nach tausenden zählten und von denen 1923 nur noch heillos zerstrittene Grüppchen übrig waren. Drittens soll die aus diesen Kämpfen und Auseinandersetzungen hervorgegangene Gesellschaftskritik, das was man heute Links- oder Rätekommunismus nennt, vorgestellt werden, ihre historischen Verdienste wie auch ihre Schwächen und Fehler. [via]

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2.) Die Revolution war für mich ein großes Abenteuer

2013 ist im Unrast-Verlag ein Buch über den Rätekommunisten Paul Mattick erschienen. Den Hauptteil des Buches bildet ein Interview, das der Politologe Michael Buckmiller 1976 in Vermont mit Mattick geführt hat. Im Anhang befinden sich zwei literarische Texte Matticks, eine kommentierte Bibliografie zum Stichwort Rätekommunismus und ein ausführliches Nachwort Michael Buckmillers, der die Figur des Arbeiterintellektuellen anhand von bis dato noch nie publizierten Briefen Matticks darstellt. Im März dieses Jahres war einer der Mitherausgeber des Buches, Christoph Plutte, in Bremen zu Gast und hat das Buch vorgestellt. Plutte liest einige Passagen aus dem Gespräch mit Paul Mattick vor (es sind auch einige O-Töne aus dem Interview zu hören) und führt diese jeweils kommentierend ein. Es geht um diverse Aktionen in der Jugend Matticks, um Rätekommunismus, KAPD und AAU-E, literarische Aktivitäten Matticks, einen Streik in Köln, das Exil in den USA, die Arbeitslosenbewegung in Chicago, die Krisentheorie Matticks und um Matticks Umgang mit Marx.

Paul Mattick (1904-1981) ist vielleicht der exemplarische Arbeiterrevolutionär und Intellektuelle: Seine furiose Abrechnung mit John Maynard Keynes, seine Kritik an Herbert Marcuse, die dieser übrigens als einzig taugliche Kritik von links akzeptierte, seine sprichwörtliche Marx-Orthodoxie, mit der er den tendenziellen Fall der Profitrate gegen allerlei »Modernisierer« verteidigte, machten den Deutsch-Amerikaner in den 60er und 70er Jahre zu einer Art kommunistischem Gewissen und Stichwortgeber der antiautoritären Revolte.

Fundiert war sein sympathisch halsstarriges radikales Denken in einer aufregenden Lebensgeschichte, von der man sich damals wie von einer Legende erzählte: Der Schulabbrecher und Autodiktat aus prekären proletarischen Verhältnissen war in der Weimarer Republik in der anti-parlamentarischen marxistischen KAPD organisiert, schlug sich als Schlosser, Tagelöhner und Wanderagitator durch, war durchdrungen von der revolutionären Stimmung jener Tage. 1926 wanderte er aus Abenteuerlust in die USA aus, re-organisierte in Chicago die Wobblies, engagierte sich in der Arbeitslosenbewegung der Grossen Depression, tauchte später in die New Yorker Boheme ein und verfocht in selbstverlegten Kleinstpublikationen einen antiautoritären Kommunismus.

Mattick hat um diese Biographie kein Aufheben gemacht, Heldengeschichten waren ihm zuwider. Aber er gab trotzdem Auskunft: 1976 führte der Hannoveraner Politologe Michael Buckmiller ein langes autobiographisches Interview mit ihm. Das Interview wurde bis dato nie publiziert, nur einzelne Informationen daraus kursierten, Jahrzehnte war es unter Verschluss, erst vor kurzem haben es die Berliner Herausgeber ausgegraben – und das Recht auf eine Veröffentlichung durchsetzen können. Das Interview übertrifft tatsächlich die Erwartungen: Es ist ein lebenssatter Bericht, in dem uns Mattick als ebenso lakonischer wie unabhängiger Kommunist, dem alle Parteischablonen und alles friedfertig sich beschränkende Denken zuwider waren, begegnet.

Der Herausgeber wird kurz in Leben und Werk von Paul Mattick einführen und Passagen aus diesem Lebensbericht lesen – kombiniert mit literarischen Texten Matticks, in denen er etwa die Klassenkriege, die in den 20er Jahren in den USA tobten, verarbeitete. [via]

    Download: via AArchiv (mp3; 51.5 MB; 1:15:03 h)

Die Freiburger Gruppe La Banda Vaga hat einen Text veröffentlicht, in dem sie einige Aspekte des Rätekommunismus und einige Kritikpunkte an ihm zusammengefasst hat.