Schlagwort-Archive: Literatur

Lost Tapes #6

Seite A: Alexander Mitscherlich – »Wie zeitgemäß ist Toleranz?« (1969) – Alexander Mitscherlich (u.a. »Die Unfähigkeit zu trauern«) spricht über den Begriff der Toleranz, den er aus kulturhistorischer, anthropologischer, vor allem aber aus psychoanalytischer Perspektive einkreist. Als Zeitdokument ist dieser Radiovortrag bspw. interessant, wenn Mitscherlich einige Vorbilder der Gegenwart anführt und dabei Che Guevara, Frantz Fanon, Lenin und Mao nennt…

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Seite B: Stéphane Mallarmé und sein Entwurf eines absoluten Buches – Ein hörenswert gestaltetes Feature über den symbolistischen Dichter Stéphane Mallarmé, dessen dichterisches Schaffen (u.a. das Experimentieren mit visueller Poesie), seine für die Moderne so verhängnisvolle wie charakteristische Schaffenskrise und die Berührung des Nichts in seinem letzten großen Entwurf…

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Lost Tapes #4 und #5

Nachdem der Rausch des Weihnachtsfestes mich auf erholsame Weise vorerst funktions-untüchtig gemacht hat und ich daher auch im Januar kaum dazu kam, an das Audioarchiv zu denken, folgt nun ein zweiteiliger Beitrag zur Reihe »Lost Tapes«:

Seite A: Auf der ersten Seite hört ihr ein Radio-Essay von Hans-Jürgen Schulz über Erich Fromm, aus der Reihe »Portraits deutsch-jüdischer Geistesgeschichte«. Es enthält zahlreiche Informationen aus der Biographie Fromms, rekonstruiert seine spezifische Verbindung von Marxismus und Psychoanalyse in einer durch die jüdische Tradition geprägten Lesart; man erfährt aber auch einiges über Fromms Verirrungen, etwa seine Zuwendung zum Buddhismus. Weitere Stationen sind Fromms Beziehung zu Marcuse und dem Institut für Sozialforschung, die Debatten und Konflikte, die er mit MarxistInnen, TheologInnen und PsychoanalytikerInnen geführt hat und seine Rezeption in der ’68er-Bewegung und in der Neuen Linken. Man erfährt Wissenswertes über das Menschenbild Fromms, bzw. seinen Begriff von Menschheit im Verhältnis von Herrschaft und Utopie.Zuletzt gibt es einen ausführlichen Exkurs über Fromms Verhältnis zu Albert Schweizer, Albert Einstein und Bertrund Russell und die Auseinandersetzung dieser Intellektuellen mit der atomaren Aufrüstung. Das Essay ist dahingehend interessant, da der Autor Erich Fromm und einige seiner Zeitgenossen selbst gekannt hat und über persönliche Gespräche berichten kann. Am Anfang sind leider einige empfänger-bedingte Sendestörungen enthalten.

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Seite B / 1: Zu hören sind Marginalien von Werner Ross über das Verhältnis von heiligem Geist und schnödem Mammon. Dieses Verhältnis stellt Ross als einen Zweikampf zwischen Religion und Finanz dar, in dem die Religion oftmals unterliege. Die Predigt ist dahingehend aktuell, als dass sie von einer moralisch-religiösen Empörung über die Habgier der Finanziers und Geldverleiher gezeichnet ist und dabei auf altbekannte zinskritische Ressentiments zurückgreift. Nichtsdestotrotz erfährt man einige wissenswerte historische Zusammenhänge, für deren Rekonstruktion der Autor die Bibel und andere religiöse Dokumente nach einer darin enthaltenen Thematisierung des Geldes absucht. Die HörerInnen des Audioarchivs werden diesen Beitrag mit einem amüsierten Augenzwinkern zur Kenntnis nehmen.

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Seite B / 2: Ein sehr hörenswerter Essay aus dem Nachlass von Roman Karst (dem polnischen Herausgeber der Kafka-Werke) über das Verhältnis von Erotik und Tod im Werk Kafkas. Er interpretiert sehr ausführlich Passagen aus ›Das Schloss‹, ›Der Prozess‹, ›Die Strafkolonie‹, ›Die Verwandlung‹, u.a., untersucht diese auf die Darstellung von Weiblichkeit und nimmt dabei Bezug auf Foucault, Walter Benjamin, George Bataille, Kirkegaard, Sigmund Freud und Schopenhauer. Er rekonstruiert dabei, wie Kafka eine mystisch-mythische Gestalt der Frauen zeichnet, die bei ihm als begehrte aber nicht geliebte, erotische aber nicht schöne und in ihrem Wesen geheimnisvolle Figuren erscheinen. Auch wenn dabei einige Charakteristika des Geschlechterverhältnisses in der Darstellung Kafkas herausgearbeitet werden, geschieht dies nicht explizit aus einer Perspektive der Kritik von Geschlechterverhältnissen oder gar aus einer feministischen Perspektive heraus.

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– – –

Seite A: Der Vortrag »Sinnlichkeit, Sprache, Unbewusstes – Die Hörwelt der Psychoanalyse« von Joachim Küchenhoff untersucht verschiedene Dimensionen, in denen das Hören eine zentrale Rolle in der psychoanalytischen Praxis spielt. Dabei geht es um Sprachlichkeit und Versprachlichung, Musikalität und Bildlichkeit, Signifikanz und Synthese, nachträgliche Verstehens- und Rekonstruktionsprozesse. Neben Freud nimmt Küchenhoff unter anderem Bezug auf Jaque Lacan, aber auch auf Beispiele aus Literatur und Neuer Musik. Der Beitrag erfordert (ebenso wie auf Seite B) etwas die Geduld der radiophilen HörerInnen, da die ersten Minuten aufgrund einer Beschädigung der Kasette leicht verzerrt sind – der Rest des Beitrags ist allerdings gut hörbar.

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Seite B: »Im Spiel versinken bis zum Rausch – Annäherungen an den Homo Ludens« – Das ziemlich spielerische Feature, das trotz seiner etwas naiven Herangehensweise auch Walter Benjamin zitiert, beschäftigt sich mit Idee und Kultur des Spiels. Es geht um den nutzlosen Charakter des Spiels, die Konstruktion regelgeleiteter Spielabläufe, Phantasie und Erfindung, sowie um Spaß und Glück. Zudem geht es um eine Untersuchung psychologischer Abläufe im Spiel und das Verhältnis des Spiels zu Kunst, Literatur, Arbeit, Religion, Kult/Kultur, Philosophie, Mythos, Rätsel, Spielsucht und Flow etc. …

    Download: via Mediafire (mp3; 11,9 MB; 20:45)

Wir sind im Übrigen sehr dankbar, wenn jemand Hinweise auf besser hörbare Versionen der in der Reihe Lost Tapes dokumentierten Beiträge hat oder diese zur Verfügung stellen kann.

Lost Tapes #2

Seite A: Zu hören ist ein Feature mit dem Titel »Jean Cocteau – Ein Lebensweg«. Die HörerInnen erhalten einen Überblick über Leben und Werk des avantgardistischen Dichters, Malers und Theater- sowie Filmregisseurs. Über Cocteau kommen u.a. Ernst Bloch, Rainer Maria Rilke, Walter Benjamin, Klaus Mann und Ernst Jünger zu Wort. Vor allem werden seine Filme besprochen. Seite A enthält ein starkes Hintergrundrauschen – ihr müsst euch an die Lautsprecher drücken, um das authentische Erlebnis des 90’er-Jahre-Radios zu fühlen. Der unmittelbare Anfang fehlt leider (ebenso auf S. B).

    Download: via Mediafire (mp3; 14,3 MB; 25:04 min)

Seite B: Wesentlich besser hörbar ist der Radiovortrag mit dem Titel »Warten auf die Barbaren« von Manfred Schneider: er untersucht die Vorstellung des Untergangs des Abendlands und eines damit verbundenen Neubeginns durch die barbarische Ungeduld – besprochen wird dieser Topos bei Nietzsche, bei dem die moderne Welt durch ihre Vergeistigung gefährdet ist, Walter Benjamin, bei dem Erfahrung und Erinnerung verloren gehen und die Barbaren Feuer an das morsche Alte legen, sowie Ernst Jünger, bei dem eine metaphysische Weltrevolution sich lachend des Alten (insbesondere des Individuums) entledigt. In jedem dieser Denkmodelle erscheint die Beschwörung der Endzeit als Wiederholung von Roms Untergang. Das Anliegen Schneiders ist die Entlarvung dieses Diskurses – der in seiner Darstellung solch unterschiedliche Denker vereint – als geschichtsphilosophische Konstruktion.

    Download: via Mediafire (mp3; 16,8 MB; 29:22 min)

Bewegte Ruhe.

Evozierendes Denken in der Lyrik Bertolt Brechts

In der letzten Ausgabe der Sendereihe „Wutpilger-Streifzüge“ wurde ein Vortrag von Jörg Zimmer (u.a. Internationale Gesellschaft Hegel Marx für dialektisches Denken, Metapher) gesendet, in dem er (wie ich finde) auf eine sympathische Weise sechs Gedichte von Bertolt Brecht interpretiert und dabei fast unbemerkt einige Aspekte dialektischen Denkens vorstellt. In der Radioversion sind die behandelten Gedichte neu eingesprochen.

Download:

  1. unbearbeitete Originalversion des Vortrags via AArchiv: Vortrag (mp3; 18,8 MB; 32:49 min) | Diskussion (mp3; 4,2 MB; 7:22)
  2. Radio-Version mit neu eingesprochenen Gedichten: via Mediafire (mp3; 54,9 MB; 1 h)

Lost Tapes #1

Auf meinem Schreibtisch liegen 19 handbeschriftete Tapes. Ich habe sie von einem Freund mitgenommen, der eine stattliche Sammlung von ca. 1.000 Tapes besitzt, auf denen Radiosendungen enthalten sind, die er in den 80’er und 90’er Jahren aufgenommen hat. Ich werde jeden ersten Tag im Monat jeweils eines dieser Tapes vorstellen, die schwerpunktmäßig Radiosendungen zu den Themen Psychoanalyse, Romantik, Literatur und allerlei Bildungsbürgerliches, gleichwohl Wissenswertes enthalten.

Seite A: Zu hören ist ein essayistischer Radiovortrag von Prof. Gerhart Baumann von 1992 mit dem Titel »Dichtung ohne Eigenschaften« zum 50. Todestag von Robert Musil. Er spricht über das Verhältnis von Dichtung, Wahrheit, Wirklichkeit und Möglichkeit und setzt Musil u.a. in Bezug zu Marcel Proust und Paul Valéry. Durch den Vortrag zieht sich eine existentialistisch anmutende Verdinglichungskritik, etwa wenn Baumann die Dichtung als »Selbstbehauptung gegen das Maschienenwesen« charakterisiert – sicher nicht zufällig schwingt hier auch im Klang der Stimme etwas mit, was man charakteristisch etwa von Hans-Georg Gadamer kennt.

    Download: via Mediafire (mp3; 14,1 MB; 29:38 min)

Seite B: Das Radiofeauture »Hölderlins fatale Reise« von Werner Dürrson erzählt von den Irrfahrten des Lebens des als unglücklichster aller deutschen Dichter charakterisierten Friedrich Hölderlin: seine unglückliche Liebesbeziehung zu Diotima (Susette Gontard), seine widersprüchliche Karriere als Schüler einer evangelischen Klosterschule, Dichter und Hauslehrer, seine Beziehungen und Kontakte zu Hegel, Schelling, Schiller und Fichte. Im Zentrum des Feautures steht aber sein Weggang aus Deutschland und seine Reise nach Frankreich – an deren Ende seine Heimkehr in geistiger Zerrüttung stand.

    Download: via Mediafire (mp3; 14,1 MB; 24:41)

Nietzsche im Lichte unserer Erfahrung

Lieber Herr Professor, zuletzt wäre ich sehr viel lieber Baseler Professor als Gott; aber ich habe es nicht gewagt, meinen Privategoismus so weit zu treiben, um seinetwegen die Schaffung der Welt zu unterlassen…1

[…] wenn die Notstände Philosophie treiben, wie bei allen kranken Denkern – und vielleicht überwiegen die kranken Denker in der Geschichte der Philosophie -: was wird aus dem Gedanken selbst werden, der unter den Druck der Krankheit gebracht wird? […] Nicht anders als es eine Reisender macht, der sich vorsetzt, zu einer bestimmten Stunde aufzuwachen, und sich dann ruhig dem Schlafe überläßt: so ergeben wir Philosophen, gesetzt daß wir krank werden, uns zeitweilig mit Leib und Seele der Krankheit – wir machen gleichsam die Augen vor uns zu.2

Friedrich Nietzsche bejahte die Krankheit als Kraft der Erkenntnis, die den Gedanken unter Druck setzt und in der Genesung, im Moment des Erwachens, „den Geist auf der Tat ertappt“. Anekdotisch beginnt Thomas Mann seinen Vortrag über „Friedrich Nietzsche im Lichte unserer Erfahrung“ mit einer Auseinandersetzung mit Nietzsches eigener Krankheit. Der Schriftsteller und Weltbürger Mann referierte zur Eröffnung des XIV. Kongresses des internationalen PEN-Clubs am 3. Juni 1947 in Zürich über die Ambivalenz des Vermächtnis von Friedrich Nietzsche. Er gibt dabei zunächst einen biographischen Überblick, führt dann in das Werk Nietzsches ein, um ihm schließlich aus einer liberal-bürgerlichen Perspektive eine Affinität zum Nationalsozialismus nachzuweisen – nicht ohne auf humanistische und aufklärerische Züge Nietzsches hinzuweisen und hieraus eine Perspektive für seine Zeit zu eröffnen. Auch wenn es sich bei diesem Vortrag gewiss nicht um eine materialistische Kritik handelt, ist er ein sehr hörenswertes Zeitdokument. [Nebenbei sei auf einen kürzlich bei Beatpunk erschienenen Text über Nietzsches Sprachphilosophie hingewiesen – ähnlich wie Thomas Mann Nietzsche mit Oscar Wilde vergleicht, werden hier Nietzsche und Baudelaire gegenübergestellt.]

Download: via AArchiv (Mp3; 1:08:39; 26,9 MB)

  1. So und ähnlich lauteten kleine Briefchen und Zettelchen, die Nietzsche zu Beginn seines geistigen Zusammenbruchs allen möglichen Leuten schickte. Friedrich Nietzsche, Nachlass, zitiert nach Mazzino Montinari: Friedrich Nietzsche: eine Einführung. de Gruyter, Berlin und New York 1991, S.129. [zurück]
  2. Friedrich Nietzsche: Fröhliche Wissenschaft, Stuttgart 1965, S.5. [zurück]

»Warum ich so gute Bücher schreibe« – Friedrich Nietzsche: Ecce Homo

Während in der Literatur mit Mallarmé und Baudelaire das Fragment zum stilistischen Mittel wird und zunehmend Rufe vom Ende der Literatur laut werden, verabschiedet sich Friedrich Nietzsche von der Philosophie als einem System und beginnt selbst in Aphorismen zu schreiben. Ohne Zweifel ist sein Buch »Ecce Homo« das Ende des autobiografischen Romans, wie wir ihn kennen. Ecce Homo als Hörbuch, hier eingesprochen von Axel Grube:

Download:

  • Teil 1 (via MF, zip, 192,3 MB)
  • Teil 2 (via MF, zip, 184,9 MB)

Die Abschaffung der Arten

Dem entwickelten Kapitalismus entspricht eine historisch spezifische Kultivierung und Zurichtung der fünf menschlichen Sinne: Kulturindustrie bedeutet auch eine Hierarchie der Sinne, in der Sehen und Hören an der Spitze stehen, während Tast-, Geruch- und Geschmackssinn untergeordnete Rollen spielen. Betrachtet man wiederum das Gefälle von Sehen und Hören näher, wird man feststellen, dass das Gehör in den meisten Fällen nur in Kombination mit dem Gesichtssinn angesprochen wird: das audiovisuelle Signal. Die eigene sinnliche Qualität des Hörens findet jedoch, ausgenommen in wenigen, spezialisierten Kreisen, kaum eine Beachtung – Musikbeschallung als Hintergrundgeräusch einer Welt, die nicht mehr antwortet1, der Ton als Zugabe zu den bewegten Bildern. Vor diesem Hintergrund scheint es mir gerechtfertigt zu sein, im Audioarchiv nicht nur theoretische Auseinandersetzungen zum Hören zur Verfügung zu stellen, sondern auch auf eine der kultiviertesten Formen des Hörens zu verweisen: das Hörspiel. Seit Kurzem steht nun eine hochwertige Hörspielproduktion von und mit dem Essayisten, Journalisten und Roman-Autoren Dietmar Dath zur Verfügung:

Die Abschaffung der Arten

Es handelt sich um eine aufwendige und liebevolle Bearbeitung von Daths gleichnamigen Roman, der 2008 erschienen ist. Die Handlung spielt in einer zukünftigen, posthumanen Gesellschaft, in der die Gente (sprechende und intelligente Tiere) die Borniertheit der menschlichen Zivilisation überwunden haben und nun über die Gestaltung der Gesellschaft, sowie über philosophische und ethische Fragen verhandeln – was sich keineswegs als konfliktfreie Angelegenheit darstellt. Die Produktion stand unter der Regie von Ulrich Lampen, die Band Mouse on Mars hat Musik und Geräusche beigesteuert.

Die Ära der Langeweile ist vorbei, Menschen gibt es fast keine mehr und die biologischen Arten sind abgeschafft. Dietmar Daths Roman spielt 500 Jahre in der Zukunft, nach der Befreiung, in einer Welt, in der sprechende und intelligente Tiere, die Gente, den Übergang der Evolution von der Naturgeschichte zur gestalteten Geschichte geschafft haben.

Fähig zur ständigen Verwandlung, bestimmen sie selbst, in welcher Tiergestalt sie auftreten und mit welcher Art sie sexuellen Verkehr pflegen. Kommunikation funktioniert telepathisch über Geruchsstoffe und Foren verbreiten raumübergreifend die aktuellen Nachrichten und Diskussionen. In den drei labyrinthischen Städten Landers, Kapseits und Borbruck sind die wenigen Menschen, die es noch gibt, der neuen Zivilisation Untertan oder letzte zu bekämpfende Spezies.

Politische Verhandlungen gestalten die Libelle Philomena und die Fledermaus Izquierda, militärische Aktionen plant die Dachsin Georgescu, Bankgeschäfte steuert der Fuchs Ryuneke, Kunstfragen behandelt der stotternde Esel Storikal, Forschungsprojekte betreiben der Zander Westfahl und das Laufschwein Herbert Loskauf und diplomatische Reisen unternimmt der junge Wolf Dmitri Stepanowitsch. Dies alles im Dienste des Löwen: Cyrus Iemelian Adrian Vinicius Golden. Er ist auratischer und ideologischer Herrscher und wird gerade deshalb angreifbar. Auf dem ehemaligen Kontinent Amerika stellt sich ihm die Macht der Keramikaner, Wesen zwischen Gente und Maschinen, unter der Führung Katahomenleandraleal entgegen, provoziert innerpolitische Spaltungen bei den Gente und ein gewaltiges Kriegsszenario.

Die Zivilisation der Gente wird vernichtet, unter der Führung der Tochter des Löwen, Lasara, gelingt lediglich ein paar wenigen der Exodus auf Venus und Mars. Die beiden Planeten, auf denen die Neuankömmlinge erst ihren Lebensraum erobern müssen, werden Heimat und Wirkungsstätte der Nachfolgegeneration der Gente, derer sich diese nur noch über tradierte Erzählungen und Legenden erinnert.

Zwei Nachkommen, die Eidechse Padmasambhava und der Prinz Feuer werden auf die Mission vorbereitet, die Überreste der vorhergehenden Population auf der Erde auszukundschaften und dort zueinanderzufinden. Die Geschlechter wandelnd und sich schließlich als Geschwister begegnend, landen die beiden in einer Art Paradies, in dem die Zeit angehalten ist und historische oder evolutionäre Kreisläufe durchbrochen sind.

Dietmar Daths Roman Die Abschaffung der Arten aus dem Jahr 2008 ist ein Hybrid: Fabel, Science Fiction, utopischer Roman, postmodernes Gedankenexperiment, philosophisches Szenario. In der Tradition von Platon, Thomas Morus, Arno Schmidt, George Orwell, H.G. Wells u.a. breitet Dath einen Kosmos aus, der von unzähligen und unergründlichen Figuren bevölkert ist, dessen Handlung sich unüberschaubar verzweigt und in dem er erfindungsreich und politisch zugleich der Frage nachgeht, warum der Mensch sich selbst abgeschafft und seine Umwelt vernichtet hat.

In bester dialektischer Manier spekuliert er darüber, ob eine posthumane Gesellschaft friedlicher und gerechter sein könnte. Gekennzeichnet von einer poetischen wie akademischen, lyrischen wie wissenschaftlichen, reichen wie kryptischen Sprache zugleich fasziniert und überfordert der Roman seine Leser und polarisierte seine Kritiker. Die 12-teilige Hörspieladaption des Bayerischen Rundfunks in der Regie von Ulrich Lampen und mit dem Sound von mouse on mars macht die schillernden Charaktere, die Sprachgewalt des Textes, die oppulente klanglich-musikalische Dimension des Romans und das politische Engagement des Autors akustisch erfahrbar.

  1. vgl. Hartmut Rosa: Kritik der Zeitverhältnisse. Beschleunigung und Entfremdung als Schlüsselbegriffe der Sozialkritik, in: Rahel Jaeggi und Tilo Wesche: Was ist Kritik?, Frankfurt am Main 2009. [zurück]

Krise und Integration der bürgerlichen Gesellschaft in den Romanen von Charles Dickens

1. Björn Oellers: Krise und Integration der bürgerlichen Gesellschaft in den Romanen von Charles Dickens

Ein hörenswerter Vortrag von Björn Oellers (Falken Hamburg), den er am 29.01.2011 im Rahmen der Reihe »Kunst und Kritik« der Falken Erfurt gehalten hat. Er beginnt mit einer kurzen Einführung in die Theorie des Romans von Georg Lukács, skizziert dann das Selbstverständnis der liberalen Epoche der kapitalistischen Gesellschaft, um anschließend, jeweils in Bezug auf Analysen von Karl Marx, darzulegen, wie Charles Dickens die Wirklichkeit dieser Gesellschaft in seinen Romanen darstellt.

Björn Oellers: Krise und Integration der bürgerlichen Gesellschaft in Romanen von Charles Dickens, in: Gerhard Stapelfeldt (Hrsg.): Interdisziplinäre Beiträge zur kritischen Gesellschaftstheorie Band 10, Hamburg 2010.

    Download: via Audioarchiv (61,9 MB, 1 h 7 min); Nachbearbeitet via Audioarchiv (23 MB)

Während der Ausdruck “Neoliberalismus” eine Neuauflage impliziert, stellt sich die Frage nach dem Inhalt des klassichen Liberalismus. Schon dieser ist durch einen tiefen Widerspruch -Verherrlichung und Liquidierung des Individuums – gekennzeichnet, was anhand einer Analyse der englischen Literatur dargelegt werden kann. Für einen näheren Blick auf das Schicksal des bürgerlichen Subjekts sollen ausgesuchte Romane von Charles Dickens (1812 – 1870) untersucht werden, der wie Marx in der Zeit der Hochphase des Liberalismus lebte. Seine Romane bilden ein Panorama zeitgenössischer sozialer Problemstellungen und gesellschaftlicher Krisen. Der Roman thematisiert bereits durch seine Form das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft, indem sich die Handlung auf eine/n oder mehrere Held_innen konzentriert, deren Erlebnisse und Gedanken den Zusammenhang des Geschehens bilden und die Ereignisse struturieren. Es sind, wie in der Theorie des klassischen Liberalismus, die freien Individuen, die handeln und die Gesellschaft gestalten. In Dickens Romanen dagegen geht die liberale Gesellschaft einen anderen Weg, der von ihrer Entstehung über Blüte und Krise in eine neue Form gesellschaftlicher Integration führt: den Imperialismus. Diese Entwicklung des Verfalls von Individualität soll in der Veranstaltung nachgezeichnet werden.

2. Bayern 2: Charles Dickens und Emily Bronte – Geschichten aus dem viktorianischen England

Ein Feature von Herbert Becker über das Leben von Charles Dickens, gesellschaftliche Hintergründe und über das soziale Engagement seiner Literatur.

    Download: via Bayern 2 (15 MB, 21 min 49 sec)

3. Hörbücher von Charles Dickens (Die Silvesterglocken, Die Geschichte des Tom Smart, Die Geschichte des Schuljungen): hier.

Franz Kafka – Der Process

Mehreren Hörspielproduktionen des Bayrischen Rundfunks liegt nicht, wie üblich, die von Max Brod zusammengestellte Version des Kafka-Romans „Der Prozess“ zu Grunde, sondern die unbearbeiteten, fragmentarischen, handschriftlichen und nicht nummerierten Konvolute, die nach Kafkas Tod unvollendet gefunden wurden. Die einzelnen Hörspiele ermöglichen damit einen Blick in Kafkas Prozess jenseits der posthumen Bearbeitung, die das Bild Kafkas lange Zeit geprägt hat. Äußerst spannend und hörenswert. Weitere Informationen zur Hörspielbearbeitung hier.

Download
: via BR online, als Zip-Paket via Megaupload (insg. 324.5 MB)

Das Foucaultsche Pendel

Der Roman »Das Foucaultsche Pendel« von Umberto Eco handelt von vier Schriftstellern, die sich damit Geld verdienen, indem sie Verschwörungstheorien erfinden und diese an einen Verlag verkaufen. Im Laufe der Handlung verstricken sie sich jedoch zunehmend selbst in die Phantasien ihrer eigenen Erfindungen. Der Roman gibt somit auf spannende Weise einen Einblick in die Anatomie verschwörungstheoretischen Denkens und ist eine subtile und kritische Auseinandersetzung mit Esoterik, Okkultismus und Mystik. Hier eine Hörspielbearbeitung des Romans:

Download (via MF; 4 Dateien; insg. 100,76 MB)

Öffentlich-Rechtliches (14)

DLF Essay & Diskurs:

  • »Dein Wort durchläuft den ganzen Raum«. Frida Kahlo – die Künstlerin als Poetin. Download (MF-Backup)
  • HR2 Wissenswert:

  • »Ohne Zorn würden wir schweigen«. Zum 25. Todestag von Wolfgang Abendroth
  • 30 Jahre Oktoberfest-Attentat: die ungelösten Fragen
  • DRS Reflexe:

  • Geschichte mal anders: Lieder zum Vietnam-Krieg
  • SWR2 Wissen:

  • Ureinwohner ohne Land – Die Mapuche und Chiles Unabhängigkeit. Download
  • Afghanische Realitäten – Europäische Illusionen. Download
  • Bayern 2 RadioWissen:

  • Die Ödipus-Sage
  • Die Nürnberger Gesetze – Tödliches Recht
  • Die Philosophie der Romantik – Denken als Gefühl
  • Madame de Staël – Königin des Geistes
  • DLF Studiozeit:

  • Tagung Uni Bremen: Antisemitismus in der deutschen Presse. Download
  • Material zu Paul Celan

    1. Magnus Klaue – SARKASMEN. Überlegungen zum poetischen Interventionismus in Paul Celans Spätwerk

    Vortrag im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Kunst | Spektakel | Revolution„: Daß Paul Celans Lyrik entgegen verbreiteten Klischees über deren vermeintliche Hermetik ihrer Formgestalt nach als ‚engagierte Dichtung‘ verstanden werden muß, ist spätestens seit Ende der siebziger Jahre zunehmend ins Bewußtsein der akademischen Forschung, aber auch der feuilletonistischen Rezeption seines Werks getreten. Nolens volens haben die dezidiert politischen Interpretationen von Celans Lyrik seiner Vereinnahmung als ‚Dichter des Holocaust‘ durch diverse derridistisch-heideggerianische Gedächtnisexperten womöglich sogar vorgearbeitet. Im Mittelpunkt solchen Interesses stehen indes die Lyrikbände aus Celans mittlerer Schaffensperiode, v.a. „Sprachgitter“ und „Die Niemandsrose“. Der Vortrag möchte demgegenüber der Frage nachgehen, inwiefern Celans späte Gedichte, die sich sowohl in ihrer Entstehungsweise wie in ihrer immanenten Formsprache deutlich von den früheren unterscheiden, sich bereits als Reaktion auf verschiedene Weisen der politischen Vereinnahmung seines Werks deuten lassen. Die spezifische Form des Engagements, wie sie seinen früheren Dichtungen immanent ist, wird dabei zugespitzt in einem polemischen Interventionismus, der in bislang ungekannter Weise auf ‚pragmatische‘ Formen wie Sentenz und Epigramm zurückgreift, zugleich aber jede Art politischer ‚Gebrauchsdichtung‘, wie sie zur gleichen Zeit etwa von Enzensberger vertreten wurde, scharf zurückweist. Für die besondere Formsprache, die durch die Verschränkung von Elementen ‚eingreifender‘ und ‚absoluter‘ Dichtung im Spätwerk entsteht, schlägt der Vortrag den Begriff des Sarkasmus vor. Im Mittelpunkt stehen Gedichte aus den Bänden „Fadensonnen“, „Lichtzwang“ und „Schneepart“.

    Download: via FRN [mp3; Stereo; 128 kbps; 42,0 MB] oder nachbearbeitet via MF [mp3; Mono; 40 kbps; 13,1 MB]

    2. Ich hörte sagen. Gedichte und Prosa

    Die Stimme der Poesie – Paul Celan ist einer bedeutendsten deutschprachigen Lyriker des 20. Jahrhunderts. In seinen Gedichten verbindet sich bittere Kritik mit sehnsüchtiger Utopie, sie sind in ihrem Wesen nach Dialoge, Zwiegespräche. Im Vortrag des Autors entfalten sie ihre Trauer und Anklage in eindringliches Tönen.

    Paul Celan, 1920 – 1970, liest hier über 80 Gedichte aus Der Sand der Urnen, Mohn und Gedächtnis, Von Schwelle zu Schwelle, Die Niemandsrose, Sprachgitter, Fadensonnen, Atemwende sowie aus Ausgewählte Gedichte.

    Paul Celans Vortrag offenbart, wie sehr dieser Dichter aus und in der Sprache lebt, wie er spricht, um zu leben. Sein Werk zeigt, dass auch nach Auschwitz Lyrik noch möglich ist, wenn sie die bittere Realität nicht verdeckt. [Literatur-Report]


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    : CD 1 | CD 2 [via MF]; pw:

    Schnabelfeld

    3. Wutpilger-Streifzüge. Fragmente aus Politik und Kultur #1

    Das Debut der Sendereihe „Wutpilger-Streifzüge“, in dem das Sendekonzept vorgestellt und Überlegungen zur Möglichkeit einer Radiosendung angestellt werden, enthält die Lesung und eine Interpretation des Celan-Gedichtes „Wutpilger-Streifzüge“ (Fadensonnen, PCGW II, S.169). Das in der Sendung enthaltene Kurz-Essay zu Fragment und Aphorismus kann hier nachgelesen werden.

    Download [via MF; mp3; Stereo; 128 kbps; 52 min 17 sec; 47,9 MB]

    4. Lorettas Leselampe – Dezember 06

    Lorettas Leselampe stellt in diesem Sende-Ausschnitt die 2006 aus dem Nachlass erschienenen Prosa-Fragmente Celans (Paul Celan: Mikrolithen sinds, Steinchen. Die Prosa aus dem Nachlass. Suhrkamp) vor.

    Download [via MF; Stereo; 128 kbps; 18 min 57 sec; 17,4 MB]

    5. Bremer Literaturpreis 1958

    Celan wurde 1958 für seine Bände „Mohn und Gedächtnis“ und „Von Schwelle zu Schwelle“ der Bremer Literaturpreis verliehen. Hier ein kurzer Auszug aus seiner Rede während der Preisverleihung:

    hören [Radio Bremen]

    6. Literaturempfehlungen zum Thema: Weiterlesen