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Der postmoderne Körper

1. Die Antiquiertheit des SexusZur Kritik der postmodernen Körpertechnologie: Im Rahmen der Reihe „Hab mich gerne, Postmoderne. Zur Kritik des Poststrukturalismus“ der Gruppe AG No Tears for Krauts referierte Magnus Klaue am 18. Mai 2011 über die Ersetzung des Leib-Begriffs durch den des Körpers in der postmodernen Körperpolitik. Er geht dabei zunächst auf das Konzept der Polyamorie ein, das er als einen rationalisierten, technisierten Umgang mit eigenen Gefühlen kritisiert. Während in der Polyamorie über Sexualität eigentlich gar nicht mehr gesprochen wird, ist die Austreibung der Sexualität auch für postmoderne Körperkonzepte kennzeichnend. Während im Begriff des Leibes auf etwas nicht Verfügbares verwiesen ist und zudem mit der Thematisierung des Alterns Geschichtlichkeit impliziert, ist hier der Körper als etwas bloß Erzeugtes nur noch ein Ensemble von Technologien, das keine Geschichte mehr hat. Die Aufnahmequalität ist leider nicht sonderlich gut.

Zur neuesten Tendenz postmoderner Genderpolitik gehört der Versuch, die geschlechtertheoretischen Prämissen der Arbeiten von Judith Butler et al. in einer Weise praktisch werden zu lassen, die die altlinke Formel vom Privaten, das politisch sei, in denkbar bedrohlichster Weise zu verwirklichen verspricht. Beatriz Preciados „Kontrasexuelles Manifest“, das den Hass auf Sexus und Trieb selbstbewusst im Titel führt, sowie die „gendertechnologischen“ Schriften Donna Haraways sind die Referenztexte einer gender- und queerlinken Bewegung, die jeden Einzelnen auffordert, die Abschaffung des Leibes zugunsten des „Körpers“ und den Rückbau des Ich zum bewusstlosen Knotenpunkt blinder „Konstitutionsprozesse“ mit Haut und Haaren an sich selbst zu exekutieren. Der anti-humanistische „neue Mensch“, der dabei entstehen soll und wahlweise als „Mensch-Maschine“ oder „Cyborg“ figuriert, hat kein Unbewusstes und kein Triebschicksal, keine Geschichte und kein Begehren mehr. Seine Symbolwelt steht Preciado gemäß nicht mehr im Banne des „Phallus“, sondern des „Dildos“, des puren Konstrukts, das die reale Erfahrung der Verschränkung von Sexualität und Herrschaft liquidiert, indem es Intersubjektivität und Herrschaft konvergieren lässt. In seiner Welt gibt es weder Intimität noch individuelle Liebe, die Impulse der kindlichen Sexualität sind ebenso getilgt wie die Erfahrung der Sterblichkeit des menschlichen Körpers. Sexualität, von jedem Einzelnen als angstbesetzt und rätselhaft empfunden, soll kommensurabel gemacht werden, indem sie zum puren Vollzug eines allgemeinen Gesetzes erniedrigt wird: lästig, aber nötig, frei von jedem Glücksversprechen und damit auch von der Angst vor Enttäuschung. In Anschluss an Günther Anders’ Theorem von der „Antiquiertheit des Menschen“ möchte der Vortrag zeigen, dass die Postmoderne damit endgültig zur praktischen Ethik individueller Selbstauslöschung wird, wie Anders sie in Heideggers Technikbegriff, den der deutsche Faschismus zu verwirklichen suchte, angelegt sah. Magnus Klaue ist freier Autor und schreibt unter anderem für „Bahamas“ und „Jungle World“. [via]

2. Der (post-)moderne KörperOrt der gelebten Möglichkeiten?: In ihrem Vortrag über den postmodernen Körper im Rahmen der Reihe „Kunst, Spektakel und Revolution“ kritisieren Katja und Korinna (siehe ihren Artikel Fat is a feminist Issue hier oder zum anhören hier) aus einer dezidiert feministischen Perspektive ebenfalls das postmoderne Verhältnis zum Körper. Grundthese ist hier mit Marx und Adorno, dass das verdinglichte Gesellschafts-Naturverhältnis in der kapitalistischen Produktionsweise neben einer Beherrschung der äußeren Natur auch die des eigenen Leibes bedeutet. Die so beherrschte und verdrängte Natur kehrt im bürgerlichen Konzept der Weiblichkeit wieder – die verdrängte menschliche Leiblichkeit wird auf die Frau projiziert. Mit der Emanzipation der Frau zum bürgerlichen Subjekt verschärft sich das weibliche Verhältnis zum eigenen Körper jedoch: sie muss Natur zugleich repräsentieren und beherrschen. Was diese Veränderung für weibliche Körperlichkeit bedeutet, hat dabei etwas mit den Veränderungen im Produktionsprozess zu tun: während im industriellen Zeitalter der Körper ein Mittel der Produktion darstellt, wird er im post-industriellen Zeitalter aus dem Produktionsprozess ausgeschlossen und selbst zu einem Gegenstand der Produktion: er wird zu einem gestaltbaren, jederzeit verfügbaren Produkt. Was dies für viele Frauen bedeutet, ist Gegenstand des Vortrags. In Weimar haben Katja und Korinna ihrem Vortrag ein Musikvideo vorangestellt, welches hier angesehen werden kann.

Die Entwicklung des bürgerlichen Subjekts war notwendig verbunden mit der Spaltung des Menschen in Geist und Körper. Die Herrschaft des sich autonom dünkenden Geistes über den Körper bedeutete seitdem, immer einen Teil der körperlichen Bedürfnisse zu verleugnen. Unterdessen zeichnet sich der gegenwärtige Trend eher durch eine tiefe Sorge um den Körper aus. Er ist zu einem Ort der unendlichen Gestaltung avanciert, in dem sich Bilder von Ästhetik, Fitness und Selbstkompetenz vereinen sollen. Dies scheint jedoch zunächst weniger ein Zeichen von Autonomie zu sein als vielmehr der Gewalt gesellschaftlicher Zwänge geschuldet, von denen vor allem Frauen betroffen sind. Diese äußern sich nicht zuletzt darin, dass der Körper zum bevorzugten Austragungsort innerer Konflikte geworden ist. Spiegelt der destruktive Umgang mit dem Körper einerseits die leidvollen Konflikte des Subjekts mit der Gesellschaft wider, so bleibt ebenso zu fragen, welches emanzipatorische Potential sich im Körperkult ausdrückt. Steckt im Bedürfnis nach der Umgestaltung des eigenen Körpers womöglich ebenso die Anklage gegen das schlechte Bestehende wie der verborgene Wunsch der individuellen Emanzipation? Eine feministische, emanzipatorische Kritik am Körper hieße eine bewusste Reflexion auf dieses Verhältnis von Wünschen und Zwängen, dem versucht wird, nachzuspüren. Katja und Korinna leben in Leipzig. In der letzten Ausgabe der „Outside the Box Zeitschrift für feministische Gesellschaftskritik“ schrieben sie über die feministische Kritik des postmodernen Körperverhältnisses. [via]

Rote Armee Fiktion

Im Folgenden sei eine etwas ältere Veranstaltung dokumentiert, die 2007 für einigen Trubel gesorgt hat: Die Werbeveranstaltung für das Buch »Rote Armee Fiktion« mit Jan Gerber und Joachim Bruhn auf der linken Literaturmesse in Nürnberg am 15.12.2007. Im ersten Part referiert Bruhn und streift darin in gewohnter Polemik zahlreiche Aspekte zum Thema RAF und Deutscher Herbst: Das Attentat als Berufsrisiko für Politiker in der Klassengesellschaft, die RAF als Naturkatastrophe der bürgerlichen Gesellschaft usw. Er formuliert sowohl eine Kritik an der Aufregung über die RAF, als auch an der RAF selbst – diese hat, so Bruhn, dem revolutionären Projekt geschadet, da sie den Begriff der Charaktermaske ruiniert hat und zudem nicht auf die Aneignung von Reichtum, sondern auf das Anzünden von Kaufhäusern gesetzt hat. Zentral ist dabei auch der Antizionismus der RAF und der RZ. Jan Gerber versucht die RAF in eine Geschichte der Protestbewegung nach ’68 einzuordnen und kritisiert ebenfalls sowohl die Herrschaft, die, sobald es um die RAF geht, in ein Gestammel des gesunden Menschenverstandes verfällt, als auch die RAF selber, die er als »ideelle Gesamtlinke« bezeichnet. Ob es sich bei der Kritik der beiden an der RAF nun um eine »solidarische Kritik« handelt oder nicht, ist dann zentraler Gegenstand der Diskussion.

    Download: via ISF (mp3; 22 MB; 1 h 36:02 min) oder nachbearbeitet (trotzdem relativ schlechte Klanqqualität) via AArchiv (mp3; 16,5 MB)

Am obigen Beitrag ist es also möglich nachzuprüfen, ob oder wie Joachim Bruhn und Jan Gerber die Gesprächskultur auf der linken Literaturmesse zerstört oder dies zumindest versucht haben – dies war nämlich der zentrale Vorwurf, mit dem schließlich der Ausschluss des ça ira Verlags von der linken Literaturmesse begründet wurde (siehe die Erklärung des ça ira Verlags). In einem Gespräch mit dem FSK haben dann Norbert von der AG Kritische Theorie und Joachim Bruhn ihre Sicht auf die Vorgänge des Ausschlusses geschildert. Das Interview enthält sowohl eine Vorstellung des ça ira Verlags als auch der AG Kritische Theorie, welche den ça ira Verlag damals auf der Literaturmesse vertreten hatte:

    Download: via FRN (mp3; 29,8 MB; 25:59 min)

Nachprüfbar ist ebenfalls, ob Joachim Bruhns Seitenhieb gegen Jutta Ditfurths Ulrike-Meinhof-Biographie zutrifft, die er in seinem Vortragsteil als »Terror-Soap« unter dem Niveau bürgerlicher Geschichtsschreibung beschreibt und sie vor allem als Ideal- bzw. Wunschbiographie Ditfurths selbst versteht. In zwei Interviews mit Ditfurth erfährt man, neben einigen Details über die Person Meinhof und die bisherige Behandlung dieser Person im allgemeinen Kanon der bundesdeutschen Literatur und Presse, auch einiges über Ditfurth selbst: dass sie cool und mit Profis gegen Verleumdungen in der Presse vorgeht, wie sie aufopferungsvoll viele Jahre an dieser Biographie gearbeitet hat, dass Kunst, Literatur und Politik ihr Leben sind und dass sie meint, dass Veränderung und Gegenöffentlichkeit eher aus einer anderen Welt kommen (dass eine solche möglich ist, wissen wir ja bereits):

  • Interview mit J. Ditfurth von Klaus Blödow vom NEWS Magazin: via FRN (mp3; 25,8 MB; 37:35 min)
  • Interview mit J. Ditfurth von Roger Spindler vom Schweizer Freien Radio RaBe: via archive.org (mp3; 48 MB; 59:54 min)

Traditionalität und Aktualität. Zur Aufgabe kritischer Theorie

Heinz Maus, marxistischer Soziologe und Agitator der linken Studentenbewegung, gehörte in den 60er Jahren zusammen mit Wolfgang Abendroth und Werner Hofmann zum sogenannten „Marburger Dreigestirn“. Mit diesen Namen ist die Stadt Marburg als ein zweites Zentrum der Kritischen Theorie bekannt geworden. Heinz Maus‘ Wirken gilt im Rückblick als „bar jeglicher taktischer Opportunität“, „unbürokratisch bis zur Inkorrektheit“ und es umgab ihn „neben der politischen Komponente ein starkes Element persönlicher Intransigenz gegenüber jeder Ordnung, jedem Establishment“. (via) Seinen hundertsten Geburtstag nahm die AG Kritische Theorie der Uni Marburg zum Anlass, um eine Tagung mit dem Titel „Traditionalität und Aktualtität. Zur Aufgabe Kritischer Theorie“ zu organisieren (zum Programm). Die OrganisatorInnen der Tagung haben uns freundlicher Weise sämtliche Mitschnitte der dort gehaltenen Vorträge1 zukommen lassen (insbesondere Dank an David für’s Schneiden des Audiomaterials und den freundlichen Kontakt), die wir hier zur Verfügung stellen:

Im Folgenden sind relativ große Dateien (128 kBit/s) verlinkt. Kleinere Fassungen (48 kBit/s) sind auf unserem Server abgelegt.

1. BegrüßungAG Kritische Theorie

Zur Einführung referieren Oliver Römer und Christian Spiegelberg von der AG Kritische Theorie über Ausgangsfragen und Intention der Konferenz, über den Hintergrund an der Marburger Uni, insbesondere am Institut für Soziologie, sowie über die Rolle des Soziologen Heinz Maus.

    Download: via AArchiv (mp3; 11 MB; 11:58 min)

2. Zur Soziologie von Heinz Maus – David Salomon

David Salomon (Universität Marburg) stellt zunächst einige Überlegungen über die Relevanz der Begriffe Traditionalität und Aktualität für kritische Theorie im Allgemeinen an, um dann über die intellektuelle Sozialisation von Heinz Maus zu referieren. Im Anschluss nimmt er das besondere Verhältnis von Philosophie und Marxismus (Karl Korsch, Georg Lukács) zum Ausgangspunkt und rekonstruiert auf welche Weise Heinz Maus dieses bearbeitet und präzisiert hat. Zentral sind dabei die Rolle der Soziologie für den modernen Marxismus (Positivismusstreit etc.) und das Problem der Historizität im marxistischen Denken (Karl Marx, Walter Benjamin, Friedrich Nietzsche). Er endet mit einem Umweg über Bertolt Brecht mit einigen Überlegungen zu den Mausschen Ausführungen zum Verhältnis von Leid und Glück als materialistische Maßstäbe der Kritik und als Kategorien, denen nach wie vor eine dringende Aktualität für eine kritische Theorie der Gesellschaft als Ganzer zukommt.

    Download (via AArchiv): Vortrag (mp3; 45,2 MB; 49:19 min)

3. »Politisierung der Kunst« oder »die Kunst wegschaffen«?Zum Verhältnis von Politik und Kunst bei Walter Benjamin und bei der Situationistischen Internationale – Claus Baumann

Seinem Vortrag über den Vergleich der benjaminschen und situationistischen Perspektive auf das Verhältnis von Kunst und Politik stellt Claus Baumann (Universität Stuttgart, Duale Hochschule Stuttgart, Autorenkollektiv Biene Baumeister Zwi Negator) einige grundsätzliche Überlegungen zum nachträglichen, reflexiven Charakter dieser Kategorien voran (wie sie ähnlich in schriftlicher Form hier veröffentlicht wurden). Dann stellt er jeweils die ästhetischen Konzepte von Benjamin und den Situationisten vor, um sie u.a. anhand der Stellung zur surrealistischen Parole, dass die Poesie in den Dienst der Revolution zu stellen sei, aneinander abzuarbeiten.

Die Situationistische Internationale (1958–1972) um Guy Debord sprach sich einerseits für »neue Aktionsformen gegen Politik und Kunst« aus. Andererseits kritisierten sie die Surrealisten um André Breton dafür, dass diese »Poesie in den Dienst der Revolution« stellen wollten (la poésie au service de la révolution); es komme vielmehr darauf an, »die Revolution in den Dienst der Poesie zu stellen« (la révolution au service de la poésie). Prima facie scheint das situationistische Projekt den Überlegungen von Walter Benjamin zu widersprechen, der 1936 in seinem Aufsatz »Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit« die Auffassung vertreten hat, dass es für gesellschaftskritische, communistische Bestrebungen auf eine »Politisierung der Kunst« ankomme, während der Faschismus eine »Ästhetisierung der Politik« betreibe. Ziel des Vortrags ist es, die jeweiligen Spezifika der situationistischen sowie benjaminischen Überlegungen zum Verhältnis von Politik und Kunst darzulegen und daran anknüpfend der Frage nachzugehen, wie eine aktuelle und kritische Reflexion dieses Verhältnisses angesichts der derzeitigen Lage der bürgerlich-kapitalistischen Verhältnisse aussehen könnte.

Claus Baumann (*1967) promovierte im Fach Philosophie an der Universität Stuttgart. Er ist Lehrbeauftrager der Universität Stuttgart im Fachbereich Philosophie sowie an der Dualen Hochschule in Stuttgart im Fachbereich Sozialwesen. Seine derzeitigen Forschungsschwerpunkte sind Dialektik, Kritik der politischen Ökonomie, Gesellschaftstheorie, politische Philosophie und Philosophie der Ästhetik.

    Download: Vortrag (mp3; 34,4 MB; 37:33 min), Diskussion (mp3; 22,8 MB; 24:54 min)

4. Gehirn und Geist. Über das Verhältnis von Material und Freiheit zum Gegensatz von empirischer Forschung und Reflexivität – Christine Zunke

Christine Zunke (Universität Oldenburg, siehe auch ihren Beitrag hier) eröffnet die Problemstellung ihres Vortrags mit einer einführenden Überlegung zur descartschen Unterscheidung von denkender und materieller Substanz, um hiervon zu aktuellen Problemen der Gehirnforschung überzugehen: inwiefern lässt sich das Denken aus den physikalischen Prozessen im Gehirn erklären, inwiefern geht es darüber hinaus? Diese Problemstellung führt notwendiger Weise zur Frage nach der Freiheit des Willens, bzw. grundlegender nach der Frage, ob es das Denken überhaupt gibt. Dass diese Frage mit Ja zu beantworten ist, ist für Zunke nur möglich, indem die Gegensätze von Geist|Körper, Materialität|Immaterialität, physikalischen Prozessen im Gehirn|Immaterialität des Denkens als Antinomien zu begreifen sind: weder als Dualität, noch als Identität verhalten sich die widerstreitenden Seiten wechselseitig konstitutiv zueinander, so die These des Vortrags.

Die modernen Neurowissenschaften scheitern trotz immenser Fortschritte beständig an der Frage nach der Schnittstelle zwischen Gehirn und Geist. Diese Frage nach der Entstehung des (reflexiven und freien) Denkens aus dem physischen Material kann nirgendwo hinführen. Eine im naturwissenschaftlichen Sinne befriedigende Antwort hierauf kann es prinzipiell nicht geben, denn dann müsste das Material die kausale Ursache des Ideellen sein, was das Ideelle als physikalische Wirkung zu einem materiellen Gegenstand machen würde, welcher seiner Bestimmung nach kein Ideelles sein kann. Die konsequenteste Antwort der Neurophysiologie lautet darum, dass das Ideelle bloßer Schein sei, dem keine Wirklichkeit korrespondiere. Der Geist sei eben nicht reflexiv und frei, sondern eine bloß natürliche Funktion des Gehirns, die in der Innenwahrnehmung als Bewusstsein erscheine. Unser Geist sei nicht materiell und darum nicht wirklich. Wir denken ihn bloß. Dass das Denken Gedachtes ist, hat die Philosophie schon immer gewusst. Doch wenn diese Erkenntnis unter den Vorzeichen der empirischen Wissenschaften von der Geistes- und Gesellschaftswissenschaft aufgenommen wird, bekommt sie einen reaktionären Gehalt: Da Reflexionen als gegenstandslos erscheinen, wird Kritik methodisch unmöglich und es bleibt allein der Weg der Affirmation des Bestehenden offen.

Dr. Christine Zunke lehrt Philosophie an der Universität Oldenburg und hat mit ihrer 2008 im Akademie-Verlag erschienenen Dissertation „Kritik der Hirnforschung“ eine der ersten grundlegenden Kritiken der Neurophilosophie vorgelegt. Ihre Forschung fokussiert die moralischen und politischen Implikationen moderner Naturwissenschaften.

    Download: Vortrag (mp3; 42,9 MB; 46:53 min), Diskussion (mp3; 19,3 MB; 21:03 min)

5. Intellektuelle und die Genealogie der Kritischen Theorie – Alex Demirović

Alex Demirović (TU Berlin, „PROKLA. Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft“) greift die Auseinandersetzung mit Heinz Maus wieder auf, um ihn als eine besondere Figur der älteren Generation der Kritischen Theorie zu verorten und dessen Rolle für die kritische Soziologie in Deutschland und sein Verhältnis zum Institut für Sozialforschung in Frankfurt zu rekonsturieren. Hiervon ausgehend arbeitet sich Demirović an der bundesdeutschen Historisierung der Kritischen Theorie und ihrer Einordnung in (nach seiner eigenen ironischen Berechnung) mittlerweile 7 Generationen ab, um dafür zu plädieren, dass sich kritische Theorie zwar permanent selbst zu reflektieren habe, in ihrer kritischen Selbsthistorisierung aber nicht in der selbstreferentiellen und inhaltsentleerten Frage stecken bleiben darf, wer denn nun zur Kritischen Theorie gehört und wer nicht. Gegenüber dem akademischen Leerlauf beharrt Demirović darauf, dass die Begriffe wieder in Bezug auf die Gesellschaft und ihren Wandel entwickelt werden müssen und vor Allem nicht nach dem besseren Funktionieren der Gesellschaft, sondern nach ihrer praktischen Veränderung zu trachten haben. An diesem Vortrag fällt m.E. das Faktum der Trennung von institutionalisierter Kritischer Theorie in der Akademie und radikaler Linker auf, die bei Demirović ebenfalls überhaupt nicht vorkommt.

    Download: Vortrag (mp3; 36,1 MB; 39:23 min), Diskussion (mp3; 21,8 MB; 23:47 min)

6. Gewalt als Grenze des Anerkennens – Thomas Bedorf

Der Vortrag von Thomas Bedorf (Fernuniversität Hagen) sticht ein wenig aus dem Programm heraus, da dieser sich selbst nach eigener Angabe nicht in der „Großfamilie“ der Kritischen Theorie verortet, dafür aber gewissermaßen von außen eine Auseinandersetzung mit einem Theorem (bzw. Verfallsprodukt) der Kritischen Theorie sucht: die Theorie der Anerkennung von Axel Honneth. Er diskutiert dabei grundlegende Fragen: Ist Gewalt hermeneutisch in den Bereich des Verstehbaren hineinzuholen? Ist Anerkennung überhaupt ein geeigneter Schlüsselbegriff um Interaktion in ihrer Konflikthaftigkeit zu begreifen? Welchen Platz räumt eine Theoretisierung von Anerkennungsverhältnissen der Gewalt ein? Er arbeitet sich zu nächst an Honneths Theorie der Anerkennung ab, vergleicht diese dann mit anderen Auseinandersetzungen mit Anerkennung (Judith Butler, u.a.), um schließlich seine eigene Position zu begründen: Anerkennung implizert auch immer Verkennung, sie kann zwar ohne Gewalt, nicht aber ohne Macht gelingen.

Ob es um die Themen von Protestbewegungen geht, um die Belange ethnischer und sexueller Minderheiten oder um Nationen im Kampf um einen eigenen Staat – stets geht es um die Anerkennung von Anderen, die zum Gegenstand von Verhandlungen, aber auch politischem Widerstand und sozialen Konflikten wird. Der Vortrag wird die Gewalt, die das Ringen um Anerkennung auslösen kann im Horizont eines Modells „verkennender Anerkennung“ zum Thema haben. Anerkennungstheorien, die das Ideal gelingender Anerkennung unterstellen, schließen Gewalt prinzipiell aus. Sie betrachten Missachtungen lediglich als Signale für Ansprüche auf Anerkennung. Anerkennungstheorien, die die Subjektivierungsdispositive in den Vordergrund stellen, behaupten hingegen Gewalt als für die Subjektkonstitution unausweichlich. Ein Modell „verkennender Anerkennung“, das auf der Einsicht beruht, dass es vollkommene Anerkennung nicht geben kann, da moderne Identitäten nichts fixierbares, sondern ständig in Bewegung sind, droht zur Affirmation von Gewalt genötigt zu sein, da es ihm an normativen Kriterien fehlt, sie von vornherein auszuschließen. Als Lösungsvorschlag soll der Gedanke dienen, dass, wo Machtformen irreduzibel zum Anerkennen hinzugehören, Gewalt als Abbruch des Prozesses des Anerkennens dennoch ausgeschlossen werden kann.

Dr. Thomas Bedorf ist Privatdozent für Philosophie und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fernuniversität Hagen. Im Wintersemester 2009/2010 war er Gastprofessor für Politische und Sozialphilosophie an der Universität Wien.

    Download: Vortrag (mp3; 40,9 MB; 44:40 min), Diskussion (mp3; 32,4 MB; 35:24 min)

7. Zweite Natur: Kritik und Affirmation – Christoph Menke Besonders hörenswert

Christoph Menke (Goethe Universität Frankfurt am Main) referiert in seinem Beitrag über den Begriff der 2. Natur, wie ihn Hegel entwickelt hat. Das Theorem der zweiten Natur versucht selbstauferlegten Zwang, selbstverschuldete Unmündigkeit zu erklären, indem es die soziale Struktur in den Blick nimmt – es soll der Umschlag des aus Freiheit selbst gemachten in ein selbstständig Seiendes, Unmittelbares erklärt werden. Menke erklärt die Ausführungen Hegels zu diesem Problem vor Allem am Begriff der Gewohnheit als unbewusstes bzw. unbewusst geleitetes Handeln und rekonstruiert hierbei zwei Seiten der Gewohnheit: einmal als Bildung zur Fähigkeit Zwecke zu setzen, auf der anderen Seite als selbst mechanischer Vollzug. An dieser Doppelseitigkeit macht Menke deutlich, dass Hegel nicht einfach abstrakt negierend vorgeht: es geht nicht um eine Gegenüberstellung vom Prozess des Setzens als etwas Gutem und der Verselbstständigung der Setzung gegenüber dem Setzenden als etwas Schlechtem – Kritik und Affirmation sind bei Hegel auf unlösbare Weise miteinander verquickt. Menke streift die Relevanz der Hegelschen Reflexion auf die zweite Natur für die Kritische Theorie (für Marx, Lukács, Adorno und Benjamin) nur am Rande, macht aber deutlich, dass Hegel die Grundlagen materialistischer Kritik gelegt hat. – Ein wirklich guter und hörenswerter Hegel-Vortrag!

    Download: Vortrag (mp3; 45,1 MB; 49:16 min), Diskussion (mp3; 13,5 MB; 14:44 min)

8. Negativität. Adorno und Hegel – Michael Städtler

Negativität fasst Michael Städtler in seinem Vortrag als Formbestimmung kritischer Theorie und setzt Adorno und Hegel unter diesem Aspekt in Bezug zueinander. Er zeigt warum Adorno Zweifel an einer Geistesgeschichte hegte, deren Triumph Hegel bloß zu rekonstruieren suchte – während Hegel die Verwirklichung der Vermittlung von Vernunft und Wirklichkeit am Ende der Philosophiegeschichte zu sehen glaubte, bestreitet Adorno die so definierte Verwirklichung der Philosophie. Städtler macht dabei deutlich, dass Adorno jedoch gegenüber Hegel nicht nur Skepsis hegt – gerade an Adornos Kritik des Positivismus wird deutlich, dass er mit dem Anspruch, dass das Denken über das bloß Gegebene hinauszuweisen habe, an Hegel festhält. Ziel Adornos ist es, Theorie und Praxis miteinander zu verwirklichen, ohne sie jedoch wechselseitig zueinander aufzuheben – hieran wird deutlich, dass Adorno zu Kant zurückkehrt, nicht jedoch ohne Hegels Kritik an Kant zu verwerfen. Vielmehr gilt es die Spannung von Widersprüchen aufrecht zu erhalten, die in Hegels Versuch der Aufhebung zu einer verkehrten Totalität eingeebnet zu werden drohen. Was dies bedeutet macht Städtler u.a. an der negativen Theologie deutlich, die versucht Gott aus der Summe dessen zu bestimmen, was Gott nicht ist – Adorno macht die Widersprüchlichkeit dieses Denkversuchs für materialistische Kritik fruchtbar, die Hegel im Versuch, aus dieser Negativität ein System absoluten Wissens zu machen, einebnet.

Das Verhältnis Adornos zu Hegel ist gespalten. Einerseits sei die Hegelsche Philosophie unübergehbare Voraussetzung jedes „theoretische[n] Gedankens von einiger Tragweite heute“ (Adorno, Aspekte), andererseits sei das System Ausdruck der Angst des Bürgertums vorm eigenen Untergang „[i]m Schatten der Unvollständigkeit der eigenen Emanzipation“. (Adorno, Negative Dialektik) Damit aber gilt diese Form von Philosophie der Kritik nicht einfach als eine falsche, sondern in der Kritik ihrer Fehler werden Einsichten über den Stand der Entwicklung von Selbstbewußtsein und Freiheit möglich, die sonst unsichtbar blieben. Die Kritik des bürgerlichen Bewußtseins setzt dessen selbstbewußt durchformulierten Begriff voraus. Noch strikter: Das Bewußtsein in der bürgerlichen Gesellschaft ist, wie diese selbst, realisierte Freiheit, aber in verkehrter Gestalt. Das Ziel radikaler Befreiung ist diesem Bewußtsein ebenso fremd, wie es selbst diesem Ziel vorausgesetzt ist. Mit diesem Gedanken begibt sich aber das Bewußtsein kritischer Theorie in Widerspruch zu sich selbst: Es verdankt seine wesentlichen Einsichten einer Geschichte, die abzulehnen, aber nicht mehr aufzuheben ist; ein durchaus unbefriedigender Zustand, der dazu führt, daß Adorno eine Dialektik entwirft, an deren Ende keine affirmativen Urteile mehr stehen. Die Kritik wird nicht konstruktiv gewendet, sondern sie bleibt kritisch. Dieser Gedanke ist offenkundig so frustrierend, daß nicht bloß die Schulphilosophie des 20. Jahrhunderts ihn nie wahrhaben wollte, sondern daß selbst diejenigen, die seit Adorno unter dem zum Label gewordenen Ausdruck ‚Kritische Theorie‘ firmieren, ihn aus ihrem Sortiment genommen haben. Was es dagegen heißt, bei der Kritik zu bleiben und wer eigentlich deren Subjekt sein kann, warum schließlich der auf Kritik beharrende Gedanke nicht nichts ist, soll in dem um die Bedeutung von Negativität zentrierten Vortrag über das Verhältnis Adornos zu Hegel überlegt werden.

PD Dr. Michael Städtler, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Exzellenzcluster „Religion und Politik“ an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und Vorstand des Gesellschaftswissenschaftlichen Instituts Hannover.

    Download: Vortrag (mp3; 48,9 MB; 53:22 min), Diskussion (mp3; 12,1 MB; 13:10 min)

9. Glückliche Ehe oder liaison dangereuse? Fragen nach der Verbindung von Feministischer und Kritischer Theorie – Cornelia Klinger

Cornelia Klinger (Eberhard Karls Universität Tübingen) beginnt ihren Vortrag mit einigen Vorüberlegungen zur Entstehung und zu Schwierigkeiten feministischer Bewegung und Theorie, um dann Kritische Theorie und Feministische Theorie unter drei Aspekten in Beziehung zueinander zu setzen: 1. Kritik, 2. Negation und Negativität und 3. Utopie. Sie legt im ersten Teil sehr ausführlich dar, welche Bedeutung diese drei Aspekte für die Kritische Theorie haben und referiert in einem zweiten, kürzeren Teil, wie feministische Kritik diese drei Aspekte auf spezifische Weise bewusst oder unbewusst aufgreift und erweitert. Sie schließt mit der Formulierung eines Anspruchs, den sie an feministische Theorie heute heranträgt: dass diese wieder vermehrt an die Kritische Theorie Adornos/Horkheimers anknüpfen möge. Trotz der Genauigkeit ihrer Ausführungen zur Kritischen Theorie bleibt deren Verbindung zum Feminismus oberflächlich und müsste selbst noch konkret bestimmt werden. Sympathisch ist ihre Betonung der außer(!)akedemischen Dimension kritischer Theorie im Anspruch auf allgemeine Emanzipation.

Feminismus wurde nicht als Theorie geboren, sondern verdankt seine Entstehung einer gesellschaftlichen und politischen Bewegung, die erst im Verlauf ihrer Entwicklung – nicht zuletzt infolge der Widerstände, auf die sie gestoßen ist – begonnen hat, sich ein theoretisches Fundament zu erarbeiten. An verschiedene unterschiedliche Theoriegebäude (Liberalismus, Marxismus, Psychoanalyse u.a.) hat feministische Theorie mehr oder weniger erfolgreich Anschluss gesucht und gefunden. Vor diesem Hintergrund geht der Vortrag der Frage nach dem Verhältnis von Feminismus und kritischer Theorie nach. Ausgehend von der These, dass feministische Theorie per se kritische Theorie ist, das heißt mit der älteren kritischen Theorie der Frankfurter Schule im Ansatz mehr Gemeinsamkeiten aufweist als mit irgend einem anderen Theoriegebäude wird zu zeigen sein, dass feministische Theorie die ‚bessere‘, konsequentere und vollständigere Kritische Theorie sein bzw. werden könnte – unter der Voraussetzung, dass sie ausgerechnet einige besonders traditional erscheinende Elemente der kritischen Theorie aufzunehmen und zu aktualisieren vermöchte.

Cornelia Klinger ist außerplanmäßige Professorin an der Eberhard Karls Universität Tübingen und ständiges wissenschaftliches Mitglied am Institut für die Wissenschaften am Menschen in Wien. Sie hatte Lehraufträge und Gastprofessuren an den Universitäten Wien, Zürich, Bielefeld, Frankfurt, Klagenfurt, Innsbruck, Tübingen, München, Luzern und Berlin inne. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen Politische Philosophie und Geschichte der Moderne, Feministische Theorie/gender studies und Ästhetische Theorie.

    Download: Vortrag (mp3; 40,5 MB; 44:13 min), Diskussion (mp3; 26,6 MB; 29:02 min)

10. Im Handgemenge des SprechensGibt es eine „verdrängte Sprachphilosophie“ der Kritischen Theorie? – Jan Müller

Jan Müller (TU Darmstadt) widerspricht in seinem Vortrag der sprachpragmatischen Deutung Adornos (u.a. Jürgen Habermas, Martin Seel), alles Denken und Sprechen sei per se verdinglicht, womit Sprache selbst in einer tragischen Auffassung von Geschichte aufgehen müsse und nur der Ausweg einer sprachlosen Offenbarung bliebe. Hierzu referiert er ausführlich Benjamins frühen Text „Über Sprache überhaupt und über die Sprache des Menschen„, um dann Benjamin und Adorno in Beziehung zueinander zu setzen. Ein sehr komplexer und kompakter sprachtheoretischer Vortrag.

Die Aneignung der ersten (oder Gründungs-)Phase der kritischen Theorie steht allgemein unter Metaphysikverdacht, eine Befürchtung, die insbesondere das Verständnis von Sprechen und Sprache betrifft. Theodor W. Adorno habe, darin inspiriert von Walther Benjamin, eine Fundamentalkritik der Sprache unter dem „eisigen Strahlen“ instrumenteller Vernunft verfolgt. Die Konsequenz dieser unterstellten Absicht ist ein Dilemma: Entweder – das sei der Ausweg Benjamins – sei Zuflucht zu einem theologischen Sprachmodell genommen, oder – so unterstellt man Adorno – eine Delegation der sonst dem Sprechen zugeschriebenen
Funktionen an eine (damit aber überlastete) „ästhetische Erfahrung“ unternommen worden. Würde die frühere kritische Theorie an einem romantisch überhöhten Bild der Sprache leiden, dann wäre seine Korrektur durch die Erfordernisse kommunikativer Rationalität eine wünschenswerte und sachlich unvermeidbare Konsequenz. Der Vortrag möchte dagegen die – allmählich vernehmbarere, aber noch immer randständige – Vermutung stark machen: (1) Die Kritik an den sprachphilosophischen Überlegungen Benjamins und Adornos gewinnt ihre Plausibilität vor allem aus der Übernahme von Grundunterscheidungen der analytischen Theorie des Sprachhandelns – sie artikuliert den Sachverhalt, dass Adorno und Benjamin Sprache anders thematisieren als die Tradition z.B. Searles. (2) Diese andere Thematisierungsform lässt sich nicht als bloß alternatives Modell von Sprechen und Sprache verstehen; Benjamin und Adorno liefern, in offener und verdeckter Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen sprachphilosophischen Diskussion, eine „Metakritik“ – sie fragen präsuppositionsanalytisch nach den Voraussetzungen und Angemessenheitskriterien vernünftigen Nachdenkens über Sprache. (3) Das Resultat dieser Auseinandersetzung ist eine Verortung der Funktion und Reichweite des Modells propositionaler Sprachreflexion. Sie zeigt (a) das Ungenügen einer am Kommunikationsparadigma orientierten Reflexionsform, die Funktion des Sprechens als Medium der Bildung und Reproduktion unserer Praxisform zu thematisieren, und provoziert (b) eine für die gegenwärtige Diskussion provozierende Blickumkehr, die Sprache nicht einfach Medium „des Politischen“ , sondern als politisches Medium begreifbar macht.

Dr. Jan Müller (*1979) studierte Philosophie und Deutsche Sprache und Literatur in Marburg. Promotion 2010 in Stuttgart, derzeit wiss. Mitarbeiter am Institut für Philosophie der TU Darmstadt. Er beschäftigt sich vor allem mit dialektischer Handlungs- und Tätigkeitstheorie, Sprachphilosophie und politischer Philosophie (und ihrem Verhältnis zueinander).

    Download: Vortrag (mp3; 42,3 MB; 46:08 min), Diskussion (mp3; 31,9 MB; 34:49 min)

11. Podiumsdiskussion: Zur Praxis kritischer Theorie. Formen der Gesellschafrkskritik heute

Moderiert von Christoph Demmerling (Philipps-Universität Marburg) diskutieren auf dem ersten Podium Alexander Garciá Düttman, Christoph Henning (Universität St. Gallen, u.a. „Philosophie nach Marx„), Philip Hogh (Goethe Universität Frankfurt a.M., u.a. Jungle World) und Cornelia Klinger über die Anforderungen einer tatsächlichen Weiterführung und Aktualisierung Kritischer Theorie. Für Düttman stellt sich eine solche Aktualisierung als eine kritische Selbstreflexion der AkademikerInnen dar: er verbindet die adornitischen Theoreme der sozialen Kälte und des universellen Verblendungszusammenhangs mit einer Kritik der neoliberalen Universität. Henning plädiert dafür, einige Themen der Klassiker der Kritischen Theorie (insbeondere nennt er Honneth) liegen zu lassen und fordert gleichzeitig dazu auf, wieder an die ältere Generation der Kritischen Theorie anzuknüpfen und von ihr zu lernen – in seinem Statement geht er auf einige Vorträge ein, die auf der Konferenz gehalten worden sind und gibt Anstoß, noch einmal über einzelne Aspekte zu diskutieren. Hogh schließt noch einmal an die sprachtheoretische Diskussion an, um unter diesem Aspekt Adorno und Habermas kritisch in Beziehung zueinander zu setzen. Klinger hält die Frage, ob es eine Praxis der Kritischen Theorie geben kann, für verkehrt – ihr Statement: die Praxis der Kritischen Theorie ist die Theorie. Eine revolutionäre Perspektive scheint in der Abschlussdiskussion nicht auf.

    Download: Statements (mp3; 65,1 MB; 1 h 11:08 min), Diskussion (mp3; 34,6 MB; 37:48 min)
  1. Dazu sei angemerkt, dass der Vortrag von Ingo Elbe aus gesundheitlichen Gründen leider ausfallen musste und der Mitschnitt des Vortrags von Frank Benseler aufgrund der zu geringen Lautstärke nicht verwendbar war. [zurück]

Existentialism Revisited

Die Beschäftigung mit Camus, Sartre, Heidegger oder de Beauvoir wirft ein neues Licht auf die theoretischen Fragen, die uns bis heute nicht loslassen, weil wir im Wesentlichen nicht über sie hinaus sind. Von den gewissermaßen ewigen philosophischen Fragen abgesehen, handelt es sich um ganz konkrete Probleme kritischer Theorie“ – so lautet der Ausgangspunkt einer Auseinandersetzung mit dem Existentialismus, die in Form einer Veranstaltungsreihe (Flyer als PDF) zur Zeit in der translib im Institut für vergleichende Irrelevanz in Frankfurt geführt wird. Drei der bisher gehaltenen Vorträge stellen wir hier zur Verfügung:

1. Andrea Trumann – Vortrag über Simone de Beauvoir

Nach einem kurzen Input-Referat der Veranstalter_innen über den kritischen Bezug Simone de Beauvoirs auf das Werk Jean-Paul Sartres, referiert Andrea Trumann (u.a. Autorin des theorie.org-Buches „Feministische Theorie. Frauenbewegung und weibliche Subjektbildung im Spätkapitalismus„) zunächst über ihre persönliche Rezeptionsgeschichte de Beauvoirs, um anschließend im Hauptteil des Vortrags einen kritischen Überblick über de Beauvoirs Vorstellung von Emanzipation zu geben. Hauptkritikpunkt ist dabei, dass de Beauvoir eine männlich-naturbeherrschende Form von Subjektivität auch für Frauen für erstrebenswert hält und damit kaum über kapitalistische Verhältnisse hinausstrebt.

    Download (via AArchiv): Vortrag (mp3; 56 min, 45 sec; 19,5 MB), Diskussion (mp3; 1h, 30 min; 31 MB)

2. Paul Stephan – Sartre und der Marxismus

Paul Stephan (Irrelevanzcluster für vergleichende Exzellenz, Translib) gibt hier eine sehr gelungene und hörenswerte Einführung in das Denken Jean-Paul Sartres und zeigt insbesondere anhand der Begriffe Situation und Freiheit, wie sich Sartre auf den Marxismus und ein revolutionäres Projekt bezieht. Der Vortrag ist unter Anderem deswegen sehr sympathisch, da er die Aktualität der Sartreschen Kategorien anhand aktueller Beispiele demonstriert; etwa an den jüngsten Unruhen im arabischen Raum oder der Illusion autonomer Subjektivität im flexiblen Kapitalismus.

    Download (via AArchiv): Vortrag (mp3; 35 min 48 sec; 12,3 MB), Diskussion (mp3; 19 min, 26 sec; 6,7 MB)

3. Christoph Zwi – Existentialismus und Marxismus

Christoph Zwi (Biene Baumeister Zwi Negator) skizziert zunächst die historische Situation, in der sowohl die Situationisten als auch Georg Lukács, auf je unterschiedliche Weise eine an Marx und Hegel orientierte kritische Theorie zu entwickeln beginnen, um dann sehr ausführlich und mit vielen Verweisen darzustellen, wie beide eine Kritik am Existentialismus, insbesondere an Heidegger, formulieren. Zwi legt dabei einen besonderen Augenmerk darauf, dass sowohl Heidegger, als auch Lukács und die Situationisten auf sehr unterschiedliche Weise den Versuch angehen, eine Ontologie zu entwerfen.

    Download (via AArchiv): Teil 1 (mp3; 59 min, 58 sec; 20,6 MB), Teil 2 (mp3; 55 min, 54 sec; 19,2 MB), Diskussion (mp3; 17 min, 37 sec; 6 MB)

Es sei auf die weiterhin folgenden und sehr spannenden Vorträge im Rahmen der Reihe hingewiesen, die wir nach Beendigung der Reihe ebenfalls dokumentieren werden:

  • Do 14.4.2011, 19h im IVI-Saal: Vortrag “Der dritte Mann oder Albert Camus” (Andreas Trottnow).
  • Fr 6.5.2011, 19h im IVI-Saal: Vortrag “Sartres Aufhebung des Existenzialismus” (Fabian Schmidt).
  • Fr 13.5.2011, 19h im IVI-Saal: Vortrag “Simone de Beauvoir heute” (Roswitha Scholz).

Ankündigungstext der Reihe: Weiterlesen

Herbert Marcuse on the Frankfurt School

An interesting conversation with Herbert Marcuse, who, being one of its key figures, talks about the history, thought and personnel of the Frankfurt School. He explains the changes in western societies that led to the groups revision and reexamination of Marx´theory and especially traditional marxism, and exhibits in which way the Frankfurt School further developed, expanded and revised it.

Download via Audioarchiv (0:44h; 15 MB)

Einführung in die Kritische Theorie

Eine weitere* Einführung in die Kritische Theorie, diesmal von Dirk Lehmann, u.a. Autor für Phase 2 und Prodomo.

Vortrag samt Diskussion aus der Veranstaltungsreihe »Was uns beherrscht« (Okt – Dez. 2010), organisiert von der Bielefelder Association Critique.

Download: Nachbearbeitet via Audioarchiv, via MF (1:30 h, 31 MB) | Original via Sound Cloud (83 MB)

Ankündigungstext: Weiterlesen

Das Gerücht über die Juden. Antisemitismuskritik bei Adorno und Horkheimer

Als erster Beitrag aus der von der Bielefelder Association Critique organisierten Veranstaltungsreihe »Was uns beherrscht« (Okt – Dez. 2010) erscheint hier der leider etwas schnell gesprochene Vortrag von Paul Mentz (RRU) zum Antisemitismusverständnis der kritischen Theorie. Dokumentiert ist ebenfalls (scheinbar allerdings nur teilweise) die Diskussion, in der es u.a. zu einem kleinen Materialismusstreit und zu einer Auseinandersetzung über Israel kam.

Download: Nachbearbeitet via Audioarchiv (1:51 h, 38 MB), via MF | Original via Sound Cloud (102 MB)

Ankündingungstext: Weiterlesen

The relevancy of Adornos Critique of Culture Industry for today

Does Popular Culture Keep Us Stupid?

In this panel discussion on Popular Culture, held at Michigan State University in April 2010, Christian Lotz, David Stowe and Diane Wakoski discuss Adornos theses and how they are to be interpreted today.

Lotz gives a short outline of Adornos Critique of Culture Industry as he unfolded it in the famous chapter of his „Dialectic of Enlightenment“ and the historical background in which he developed it.
David Stowe criticizes some aspects of Adornos argumentation, claiming for example that he didn’t really try to look at what he experienced as american mass culture in its peculiarity, but rather judged it from the narrow-minded viewpoint of a traditional-educated european (as can be seen in his condemnation of jazz).
Diane Wakoski, a poet, refutes adornos well-known sentence that one should not make art after the Holocaust.

The discussion that follows their statements is particularly interesting, dealing with the question how the internet affects Culture Industry in these days and what Adorno might have thought about this development.
They also talk about some movies that had a big influence on recent Popular Culture, for example „Fight Club“.

Download: via Audioarchiv (technically reworked*, 1:19 h, 27 MB); original file via MSU (72 MB)

* We tried to remove some noise and to adapt the volume, but the sound quality isn’t that good, though.

Announcement text: Weiterlesen

Frigga und Wolfgang Haug im Gespräch über das InkriT

Gespräch über das Institut für kritische Theorie, Berlin, mit Frigga und Wolfgang Fritz Haug: seine Geschichte, Theorieentwicklung und Arbeitsweise, Projekte wie das Historisch-Kritische Wörterbuch des Marxismus (HKWM), die Zeitschrift „Das Argument“ Zeitschrift für Philosophie und Sozialwissenschaften sowie der Bezug zu internationalen Bewegungen…

Download: via FRN (51,2 MB), via MF (19,19 MB)

Das Jahrzehnt der Gleichgültigkeit

Nichts ging mehr in den Nuller Jahren. Statt die Welt zu verändern, sind wir auf ihre Interpretation zurückgeworfen.

Roger Behrens verliest in der letzten Ausgabe der Hallenbaduniversität eine längere Version seines Artikels „Das Jahrzehnt der Gleichgültigkeit„, der in der letzten Jungle World erschienen ist und gibt darin einen pessimistisch-realistischen Rückblick auf das letzte Jahrzehnt. Er konstatiert darin, dass die „Nuller Jahre“ gewissermaßen als eine farce-mäßige Wiederholung der 20er Jahre erscheinen, in der Geschichte zunehmend zu einer kulturellen Endlosschleife wird.

Download: via FRN (42,2 MB), via MF (10.56 MB)

via bubizitrone | via shape | via onethausandcries

Detlev Claussen über Adorno

Auf youtube (vier Teile) ist ein interessantes Gespräch mit Detlev Claussen, Professor für Gesellschaftstheorie, Kultur- und Wissenschaftssoziologie an der Universität Hannover, über Adornos Denken zu finden. Themen sind u.a. die Studierendenbewegung der 60er und die Kulturindustrie.

Download (audio): via MF (mp3; 19 MB; 0:57 h)

Kritik als subversive Praxis? Gesellschaftskritik im Spannungsfeld von Kritischer Theorie und Poststrukturalismus

Vortrag von Lars Gertenbach, im Januar 2010 aufgezeichnet und dokumentiert vom Arbeits- und Aktionskreis kritischer Studierender Kiel. Es geht um unterschiedliche Typen von Gesellschaftskritik, die insbesondere hinsichtlich ihres Standpunktes und ihrer normativen Grundlage untersucht und darstellt werden.

Download (0:57 h): via MF (16 MB), Original via akkiel (26 MB)

Ankündigungstext: Weiterlesen

Soziologie made in Frankfurt

Eine Reihe von Christa Schell, gesendet bei HR2. Die Folgen sind je etwa 15 Minuten lang bzw. 7 MB groß.

1. Der Kongress tanzt.

Das Engagement Frankfurter Bürger um 1900 führte zu einer Verwurzelung der Soziologie in der Stadt am Main.

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2. Die zwanziger Jahre

Der erste deutsche Lehrstuhl für Soziologie entsteht dank der Gelder großzügiger Frankfurter Bürger.

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3. Die Frankfurter Schule

Die wechselvolle Geschichte des Institutes für Sozialforschung von der Gründung bis heute.

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4. 1968 und die Folgen

Auf dem 16. Soziologentag gingen Studenten mit Professoren offen ins Gericht.

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5. Eine Krisenwirtschaft par excellence?

Entwicklung des Faches seit 1968 bis heute: aus den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften wurden die Gesellschaftswissenschaften.

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