Schlagwort-Archive: Nietzsche

Lost Tapes #2

Seite A: Zu hören ist ein Feature mit dem Titel »Jean Cocteau – Ein Lebensweg«. Die HörerInnen erhalten einen Überblick über Leben und Werk des avantgardistischen Dichters, Malers und Theater- sowie Filmregisseurs. Über Cocteau kommen u.a. Ernst Bloch, Rainer Maria Rilke, Walter Benjamin, Klaus Mann und Ernst Jünger zu Wort. Vor allem werden seine Filme besprochen. Seite A enthält ein starkes Hintergrundrauschen – ihr müsst euch an die Lautsprecher drücken, um das authentische Erlebnis des 90’er-Jahre-Radios zu fühlen. Der unmittelbare Anfang fehlt leider (ebenso auf S. B).

    Download: via Mediafire (mp3; 14,3 MB; 25:04 min)

Seite B: Wesentlich besser hörbar ist der Radiovortrag mit dem Titel »Warten auf die Barbaren« von Manfred Schneider: er untersucht die Vorstellung des Untergangs des Abendlands und eines damit verbundenen Neubeginns durch die barbarische Ungeduld – besprochen wird dieser Topos bei Nietzsche, bei dem die moderne Welt durch ihre Vergeistigung gefährdet ist, Walter Benjamin, bei dem Erfahrung und Erinnerung verloren gehen und die Barbaren Feuer an das morsche Alte legen, sowie Ernst Jünger, bei dem eine metaphysische Weltrevolution sich lachend des Alten (insbesondere des Individuums) entledigt. In jedem dieser Denkmodelle erscheint die Beschwörung der Endzeit als Wiederholung von Roms Untergang. Das Anliegen Schneiders ist die Entlarvung dieses Diskurses – der in seiner Darstellung solch unterschiedliche Denker vereint – als geschichtsphilosophische Konstruktion.

    Download: via Mediafire (mp3; 16,8 MB; 29:22 min)

Der postmoderne Beitrag zur Barbarisierung der Gesellschaft

Während es im letzten Beitrag einen groben Überblick darüber gab, was die Postmoderne eigentlich ist, können wir uns nun der Kritik derselben widmen: Die Gruppe Monaco stellt einen Mitschnitt der Buchvorstellung des kürzlich im ça ira Verlag erschienenen Sammelbandes „Gegenaufklärung. Der postmoderne Beitrag zur Barbarisierung der Gesellschaft“ zur Verfügung, die am 17. Juni 2011 in München stattfand (danke für den Hinweis, KayOhKayn). Im ersten Teil rekonstruiert Alex Gruber (Café Critique) den Poststrukturalismus als deutsche Ideologie: er umreißt erst den Begriff der Deutschen Ideologie, wie ihn erst Marx und Engels und später Adorno verwendet haben und gleicht diesen dann mit Nietzsche, Heidegger, Derrida und Butler ab. Im zweiten Teil referiert Philipp Lenhard (Redakteur der Zeitschrift Prodomo), mit einem Umweg über Heidegger und Freud, über den Zusammenhang von deutscher Ideologie und politischem Islam.

Download:

      via zippyshare: Teil 1 (mp3; 54,1 MB; 59:03 min), Teil 2 (mp3; 47,8 MB; 51:15 min), Diskussion (mp3; 30,7 MB; 33:34 min)

Zwei der Texte aus dem Buch stehen inzwischen schon im Internet zur Verfügung: “Deutsche Ideologie”: Von Stirner zum Poststrukturalismus (leicht abgewandelt in der Jungle World) | Dekonstruktion und Regression. Der Poststrukturalismus als Masseverwalter Carl Schmitts und Martin Heideggers

Der Wert und die Werte oder: die Moral in der Kritik

Gesellschaftskritik darf nicht bloß moralisch sein, möchte sie Radikalität für sich reklamieren. Denn die begriffslose Anklage der schlechten Zustände ist entweder hilflos und idealistisch, schlimmstenfalls aber personalisierend und reaktionär. Darin scheint die sog. radikale Linke sich einig und doch wird über das Verhältnis von Moral und Kritik zurecht gestritten. Hier einige Vorträge zum Thema.

1. Christine Zunke: »Es gibt nur einen vernünftigen Grund, Freiheit gesellschaftlich verwirklichen zu wollen: Moral«

Dieser Vortrag wurde im November 2010 im Rahmen einer Konferenz der Roten Ruhr Uni zum Thema »Die Moral in der Kritik« gehalten und von der Association Critique dokumentiert. Christine Zunke, Dozentin am Institut für Philosophie der Universität Oldenburg, versucht sich darin an der Entwicklung eines, bürgerlicher Sittlichkeit entgegengesetzten, gesellschaftskritisch brauchbaren Moralbegriffs. Mit seiner Hilfe kann sie zeigen, warum VertreterInnen einer Herrschaftskritik, die vom (Privat-)Interesse der/des Einzelnen her begründet und an dieses adressiert wird, hinter Marx zurück fallen und zudem ständig Gefahr laufen, autoritär zu werden, wenn sie an die Agitierten deren »eigentliches« oder »objektives Interesse« von außen herantragen. – Abstoßungspunkt ist also der – bei ihr namenlos bleibende – GegenStandpunkt und seine Moralkritik (Beispiele für diese zum Hören finden sich einige), der eine gewisse Verwandtschaft zum ML nachgewiesen werden kann.

    Download: nachbearbeitet via MF (1:03 h, 22 MB), via RRU (59 MB)
    Hören via Soundcloud (59 MB)

Ankündigungstext:

Die Vorstellung einer befreiten Gesellschaft, in der die Bedürfnisse der Menschen nicht unter dem blinden Gesetz der kapitalistischen Ökonomie bloße Mittel zur Verwertung des Werts, sondern Zweck der gesamtgesellschaftlichen Produktion wären, ist eine moralische Vorstellung, die sich nicht über das bloß individuelle Interesse begründen lässt. Denn das individuelle Interesse, meine Bedürfnisse (und die der Menschen, die ich mag) sollen Zweck der gesellschaftlichen Produktion sein, mündet konsequent in einer Vorstellung von Weltherrschaft. Nur in einem modernen Feudalismus mit mir an der Spitze hätte ich exklusiven Zugang zum gesamten Mehrprodukt und meine Bedürfnisse könnten auf höchstem Niveau verlangen und befriedigt werden. Das Interesse, das für die ganze Menschheit einen herrschaftsfreien Zustand fordert, ist dagegen nicht sinnlich, sondern aus reiner Vernunft praktisch begründet – und damit moralisch; dieses moralische Interesse an der Menschheit nannte Immanuel Kant Pflicht. Ich möchte diesen sperrigen Begriff aufnehmen und darstellen, warum die Abschaffung des Kapitalismus eine Pflicht ist, auch wenn sie meinen Interessen (Freizeit, Karriere etc.) entgegensteht.

2. Sachzwang FM zur Kritik der Moral, eine Sendung die ich bisher zu posten vergaß. Sie enthält zunächst einen Vortrag Manfred Dahlmanns (ISF): »Der Wert und die Ideale: (Un-)Moralische Perspektiven« (2002), in dem er sich nicht zuletzt mit Nietzsche und der Existentialphilosophie Heideggers und Sartres auseinandersetzt.
Anschließend verliest Dr. Indoktrinator noch Auszüge aus Horkheimers/Adornos Dialektik der Aufklärung, nämlich aus dem Kapitel »Juliette oder Aufklärung und Moral«.

Ankündigungstext (Dahlmann):

Der sogenannte Materialismusstreit beherrschte die philosophischen Debatten der Linken in den siebziger Jahren. Von den sich als Materialisten bezeichnenden kritisiert wurde ein ‚Idealismus‘, dem die Idiotie unterstellt wurde, er betrachte die Gegenständlichkeit der Natur als bloßes Gedankengebilde. Gar nicht ging es ihnen um das naheliegendste: die Kritik der Ideale im profanen, umgangssprachlichen Sinne. Der Grund dafür ist einfach – waren sie es doch, die damaligen ‚Materialisten‘ also, die die Ideale der bürgerlichen Gesellschaft in ihrer reinsten Form (Freiheit, Gleichheit, Solidarität) zu verwirklichen vorgaben, und legitimierten sie doch auf genau dieser (nicht anders als idealistisch zu nennenden) Grundlage ihre Politik. Alles also wie gehabt: die Linke als die wahren Bürger und somit als Ärzte am Krankenbett einer Welt, die den Glauben an ihre eigenen Ideen längst verloren hatte. Die bürgerliche Rechte redet denn auch seit langem schon, seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, von kaum etwas anderem als vom Verfall der kulturellen Werte (der ihnen dabei gern als Konsequenz des ‚Materialismus‘ gilt) und sieht in ihm die Ursache alles Bösen. Unter Linken und Rechten herrscht ungeachtet aller Animositäten bis auf den heutigen Tage somit der Glaube, wie in der Antike seien es die individuellen Tugenden, und somit das wohlgefällige, am Guten, Wahren, Schönen ausgerichtete Leben eines jeden, die letztlich darüber entschieden, wie es um die Qualität des gesellschaftlichen Ganzen bestellt sei. Wer wollte denn auch bestreiten, daß die Moral in seinem Alltag eine herausragende Rolle spielt (keiner behauptet schließlich von sich, er gefalle sich darin, seinen Freunden und Bekannten als Bösewicht gegenüber zu treten), und was liegt näher, als ins gesellschaftliche Allgemeine unmittelbar zu projizieren, was aus dieser Erfahrung – der, daß man selbst zweifellos nie etwas Böses im Schilde führen könne – unmittelbar folgt: daß es sich bei den anderen um Menschen mit schlechtem Charakter handeln muß, wenn es gesellschaftlich mal nicht so läuft wie man selbst es gerne hätte. Gegen die unvollkommene Verwirklichung der Werte als auch gegen den Werteverfall wird allseits die gleiche Medizin aus dem Arsenal erfolgsorientierten Managements verschrieben: konsequentes, zielgenaues Handeln. Selbst wem es um die Umwertung aller Werte (Nietzsche/Heidegger/Foucault) geht, oder auch, etwas bescheidener, nur um die Wertfreiheit der Wissenschaften (die so zur Verwirklichung allgemein anerkannter, pluralistischer Werte instrumentalisiert werden sollen), der redet immer von den anderen als denjenigen, die die falschen Ideale (oder die richtigen Ideale mit falschen Mitteln) verwirklichen würden, aber nie darüber, worum es jedem Gerede um Moral, Normen, Macht, Zwecksetzungen oder was für einer Praxis und Idealität auch immer in Wirklichkeit einzig geht: die Verwertung des Werts als die im empirischen Subjekt sich konstituierende und in Geld und Kapital inkarnierende gesellschaftliche Synthesis.

    Download via MF:
    In einem Stück (2 h) oder
    zweiteilig (je 1 h): erste Stunde, zweite Stunde
    Oder in einem Stück via AArchiv

    UPDATE: Der Vortrag Dahlmanns wurde auch in einer Café Critique-Sendung verwendet. Für die Freunde hingrundmusikfreier Referate wahrscheinlich genießbarer: Download via CC, via MF (27 MB, 1 h)

3. Marcus Hawel: »Wieviel Politik verträgt die Moral? – Der schmale Grat zwischen moralischer Überlegenheit und Hypertrophie der Moral.« Siehe FRN.