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Aktuelles zur Theorie und Überwindung der Klassengesellschaft

Wir stellen hier drei Beiträge zusammen, die sich in letzter Zeit thematisch mit einer Kritik der Klassengesellschaft auseinandergesetzt haben:

1.) Abschied von der Klassenmetaphysik

In der Ausgabe 55 der Zeitschrift Phase 2 haben Charlotte Mohs, Marco Bonavena und Johannes Hauer von der Translib Leipzig einen Text über das Verhältnis der Linken zur Klasse veröffentlicht. Insbesondere geht es dabei um den Abschied der Linken vom Proletariat (André Gorz) – die AutorInnen versuchen nachzuzeichnen, inwiefern dieser Abschied objektive Gründe in Veränderungen innerhalb des Kapitalismus hat, formulieren andererseits eine Kritik dieses Abschieds. Exemplarisch an Positionen von Joachim Bruhn wird eine Kritik an der linksradikalen Verabschiedung von der Klasse formuliert. Ein auf Grundlage dieses Artikels geführtes Interview ist in der Sendereihe Wutpilger-Streifzüge gesendet worden:

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2.) Fragen neuer Klassenpolitik

Didier Eribons Buch Rückkehr nach Reims (siehe Buchbesprechung hier) hat in Teilen der Linken zu einer Diskussion über „Klassenpolitik“ geführt. So wird u.a. in der Monatszeitung Analyse & Kritik über „neue Klassenpolitik“ debattiert (u.a. Sebastian Friedrich hier). Einer an der Debatte Beteiligten ist Gabriel Kuhn (mit Sebastian Friedrich hier) – im Interview mit Radio Corax hat er über Fragen neuer Klassenpolitik gesprochen. Dabei geht es auch um Grundlagen des Klassenbegriffs, die für Kuhn nicht ausschließlich marxistisch fundiert sind.

In der radikalen Linken wird zur Zeit vermehrt über Klassen diskutiert – und es scheint so, als ob es im Moment gerade eine Art Selbstverständigung darüber gibt, wie man selbst zur Klasse steht, und was das bedeuten könnte: Klassenpolitik zu machen. Der Anlass für diese Diskussion liegt aber bezeichnender Weise nicht auf der unmittelbar sozialen, ökonomischen Ebene, sondern auf der politischen Ebene. Überall in Europa haben wir es gerade mit erstarkenden rechtspopulistischen Parteien und Bewegungen zu tun – und in der Öffentlichkeit stellen sich diese Parteien und Bewegungen als Vertreter des einfachen Mannes dar – und es sieht so aus, als ob die Rechten so auf ihre Weise die soziale Frage für sich zu beantworten versuchen. Die Linke ist gegenüber diesen Bewegungen in die Defensive geraten – und aus dieser Defensive heraus scheint die Linke die Klasse wieder für sich zu entdecken. Das schlägt sich in verschiedenen Debatten nieder – unter anderem in einer Debatte, die gerade in der Monatszeitung „Analyse und Kritik“ geführt wird. Eine Debatte eben über neue Klassenpolitik. Einer der sich an dieser Debatte beteiligt heißt Gabriel Kuhn – der lebt selber in Schweden, ist aber durchaus im deutschsprachigen Raum bekannt als jemand, der u.a. zum Anarchismus und zum Poststrukturalismus publiziert hat. Zusammen mit Sebastian Friedrich hat er für eine schwedisch-sprachige Internetplattform einen Text zur neuen Klassenpolitik veröffentlicht. Wir haben mit ihm gesprochen und ihn zunächst gefragt, worin er die vermehrte Zuwendung zu Klassenfragen begründet sieht. (via)

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3.) Umrisse der Weltcommune

Innerhalb des linkskommunistischen Spektrums sind die 28 Thesen zur Klassengesellschaft von den Freundinnen und Freunden der klassenlosen Gesellschaft viel diskutiert worden. In der Zeitschrift Kosmoprolet haben die Freundinnen kürzlich ein Text mit dem Titel Umrisse der Weltcommune veröffentlicht. In diesem Text geht es um eine Perspektive jenseits der Klassengesellschaft – diskutiert wird, welche Angaben man machen und welche Vorstellungen man von einer kommunistischen Gesellschaft haben kann. Dabei gehen sie von gegenwärtigen Kämpfen und Produktivkraftentwicklungen aus, wobei der Text selbst eher ein Problemaufriss, denn ein klarer „Umriss“ ist. Ein Redakteur des Kosmprolet hat den Text in der Translib Leipzig vorgestellt. Dabei referiert er weniger die Thesen des Textes, als dass er über Voraussetzungen des Textes, über Diskussionen beim Schreibprozess und einige Abgrenzungen der AutorInnen spricht (etwa vom „Bilderverbot“ Frankfurter Coleur oder vom Dath’schen Kybernetik-Kommunismus):

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In seinem kürzlich bei ZuKlampen erschienenen Buch Verein Freier Menschen – Idee und Realität kommunistischer Ökonomie denkt Hannes Giessler Furlan über ganz ähnliche Aspekte nach, wie die Freundinnen in ihrem jüngsten Text – auch wenn Giessler Furlan zu anderen, teils entgegengesetzten Schlüssen kommt. Im Interview mit Radio Corax hat Hannes Giessler Furlan einen Einblick in die Thesen seiens Buches gegeben.

Siehe auch: Raus aus der Klasse, rein in die Klasse?

Über die historische Vergänglichkeit von »Geschichte und Klassenbewusstsein«

Geschichte und Klassenbewusstsein war ein zu Recht prägendes Werk des Marxismus und es gibt Grund genug, 90 Jahre nach seinem Erscheinen an dieses Buch und seinen Autor, Georg Lukács, zu erinnern. Aber es gibt keinen Grund, auf eine kritische Revision seiner Grundlagen zu verzichten oder über die Katastrophengeschichte des 20. Jahrhunderts hinwegzugehen, als ließe sich bruchlos an den jungen Lukács anknüpfen. Das dachte sich auch die Hamburger Gruppe Melange und organisierte am 4. Juli 2013 eine Art Gegenveranstaltung zur Reihe »Über das Schicksal der Revolution entscheidet das Klassenbewusstsein«. Die Reihe wurde von Kritikmaximierung organisiert und ist bei uns dokumentiert worden.

In den ersten knapp 20 Minuten des folgenden Mitschnitts formuliert ein Vertreter der Gruppe Melange eine Kritik an der Ausrichtung der Veranstaltungsreihe und stellt anschließend den Referenten Robert Fechner vor. Dieser befasst sich im ersten Teil seines Vortrags mit Lukács‘ Verdinglichungsaufsatz und kritisiert die diesem zugrunde liegende Interpretation der Kritik der politischen Ökonomie. Fechner attestiert Lukács u.a. Gebrauchswertfetischismus und ein falsches Verständnis der Kategorie »abstrakte Arbeit«. Im zweiten Teil wendet er sich Axel Honneths Verdinglichungstheorie zu und liefert eine fulminante Kritik an dessen idealistisch-ideologischem Anerkennungsgefasel.

    Hören:

    Download via AArchiv: Vorrede (0:19 h, 8 MB), Vortrag (0:46 h, 19 MB) | Beides zusammen via MF

Ankündigungstext: Weiterlesen

Proletariat als Prozess

Im Rahmen der Theorie-Praxis-Lokal-Veranstaltungen hielt Peter Christoph Zwi (Mitglied des Autorenkollektivs Biene Baumeister Zwi Negator) im April 2000 einen Vortrag zum Begriff des Proletariats bzw. der Proletarisierung. Zwi führt hier den Klassenbegriff nicht als statisch festzulegende Kategorie ein, sondern als Prozess. Dabei argumentiert er m.E. ähnlich wie Adorno in seinem Text „Gesellschaft“1, in dem dieser Gesellschaft als Prozess begreift und in diesem Zuge den Begriff der Klassengesellschaft verteidigt.

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Kommunismus – aber wie? II

Bei Radio Frei findet sich nun der Mitschnitt der Veranstaltung »Kommunismus – aber wie?« mit Hannes Gießler (Cee Ieh, Gruppe in Gründung) und Christoph Zwi (Biene Baumeister Zwi Negator, Situationistische Revolutionstheorie), die in Jena am 15. Juni wiederholt wurde. Hannes Gießler führt mehrere Gründe auf, warum seines Erachtens die kommunistischen Revolutionsversuche gescheitert sind, weist auf die Gefahren erneuter Revolutionsversuche hin und plädiert dafür die bürgerliche Gesellschaft, als Versuch eine Vermittlung im Widerstreit zwischen Individuum und Allgemeinheit zu organisieren, anzuerkennen. Christoph Zwi referiert ausführlich zum Begriff des Kommunismus und zieht hierzu Marx, Georg Lukács, Walter Benjamin und die Situationisten heran. Leider reagieren die beiden kaum aufeinander und so stehen ihre unterschiedlichen Positionen auch in der Diskussion eher nebeneinander, als dass eine Konfrontation stattfindet. In Leipzig soll es hitziger zugegangen sein – trotzdem sehr hörenswert!

Audiocharakteristika: mp3, mono, 32 kbps

Download:
Einführungsreferate (18,6 MB, 81:24 Minuten)
Diskussion (14,7 MB, 64:03 min).

Siehe auch: Gespräch mit Hannes Gießler und Christoph Zwi