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Kritik des Gedenkens und materialistische Erkenntnis der Geschichte

Wenn jedes Jahr am 13. Februar in Dresden »bürgerliche« Kräfte und Nazis um die Deutungshoheit über das legitime Gedenken an die Opfer der alliierten Bombardements ringen, ist dies nur ein besonders spektakuläres Beispiel für die beredte Umarbeitung der deutschen Geschichte. Dem entgegenzusetzen wäre eine Kritik offizieller Gedenkspektakel und ein materialistischer Begriff von Geschichte, sowie die Zeugnisse der Opfer des Nationalsozialismus zu Gehör zu bringen. Dazu sei mit diesem Beitrag angeregt.

1.) Eine materialistische Theorie der GeschichteWalter Benjamins Griff nach der Notbremse und Adornos Versuch, die Ursachen der Vergangenheit zumindest nachträglich zu beseitigen. Im Rahmen der Jenaer Veranstaltungsreihe »Erinnern, Vergessen, Verdrängen« hat ein Genosse der Falken Erfurt am 27.11.2012 über den Umgang mit der deutschen Vergangenheit referiert und dabei vor allem anhand Benjamins Thesen »Über den Begriff der Geschichte« und Adornos Vortrag »Was bedeutet Aufarbeitung der Vergangenheit?« einige Gedanken entwickelt. Im Referat und in der Diskussion wird insbesondere die Frage besprochen, wie sich das Verhältnis von Verdrängen und Erinnern heute verändert hat. Vortrag und Diskussion gehen fließend ineinander über, wobei die Aufnahme irgendwann in der Diskussion abbricht.

Noch vor 50 Jahren schienen die Fronten klar: die Erinnerung an den Nationalsozialismus richtete sich nicht nur gegen das Schweigen der eigenen Väter und Onkel, sondern auch das er gesamten deutschen Öffentlichkeit. Diese wollte lieber auf eine große Zukunft Deutschlands hinarbeiten und dazu einen Schlussstrich unter die Geschichte ziehen, anstatt sich mit der Erinnerung an die abzugeben die im Namen Deutschlands und seiner Zukunft ermordet wurden. Vor diesem Hintergrund schien jedes Erinnern ein Angriff auf den emsigen Wiederaufbau und die Ruhe und Ordnung zu sein – kurz war praktische Subversion.
Wie aber steht es um die subversiven Potentiale von Erinnerung und Aufarbeitung des Nationalsozialismus in Zeiten in denen sich eine Breite Erinnerungskultur etabliert hat und sogar Gedenkverstaltungen zur Befreiung von Auschwitz oder zum Ende des Nationalsozialismus in Bundestag und -rat mit Zitaten Theodor W. Adornos eröffnet werden?

Der Vortrag vergegenwärtigt zunächst die Überlegungen der Kritischen Theorie zu Erinnerung und Geschichte, indem die Überlegungen aus Walter Benjamins Thesen »Über den Begriff der Geschichte« (1940) und Theodor W. Adornos Vortrag »Was bedeutet Aufarbeitung der Vergangenheit« (1960) vorgestellt werden, um in Anschluss an diese eine materialistische Theorie der Geschichte zu umreißen.

    Download: via AArchiv (mp3; 97,0 MB; 1:55:24 h)

2.) Primo Levi: Ist das ein Mensch / Die Atempause – Im letzten Jahr hat Hans Kremer in der BR2-Sendung »radioTexte« anlässlich des 25. Todestages von Primo Levi Auszüge aus zwei seiner Bücher gelesen: »Ist das ein Mensch?« und »Atempause«.

    A.) Die Atempause

»Die Atempause« heißt Levis Bericht über das, was nach der Befreiung durch die Rote Armee geschah und über die endlose Irrfahrt nach Hause. Eine Atempause trotz allem, denn zuhause begann der Kampf um die Wahrheit und gegen das Nicht-Wissen-Wollen, den die ehemaligen Häftlinge immer wieder verloren. Primo Levi hat ein Leben lang Zeugnis abgelegt über die Realität des Vernichtungslagers Auschwitz, das er erlebt und überlebt hatte. »Ist das ein Mensch?« erschütterte Generationen und stieß gleichzeitig immer auf Ablehnung und Unglauben. In seinem Buch »Die Atempause« beschrieb er, was nach der Befreiung durch die Rote Armee geschah und wie endlos die Irrfahrt durch halb Europa war, nach Hause. Eine Atempause trotz allem, denn zuhause begann der Kampf um die Wahrheit und gegen das Nicht-Wissen-Wollen, den die ehemaligen Häftlinge immer wieder verloren. Es liest Hans Kremer. [via]

    Download: via BR2 | via Mediafire (mp3; 28,2 MB; 29:18 min)
    B.) Ist das ein Mensch?

Die ersten Kapitel von »Ist das ein Mensch?« erzählen von Levis Ankunft im Konzentrationslager Auschwitz:

Zum 25. Todestag des Autors liest Hans Kremer in den radioTexten am Karsamstag die Anfangskapitel des epochalen Buchs. Zu Ehren Primo Levis und wider das Vergessen. [via]

    Download: via BR2 | via Mediafire (mp3; 54,3 MB; 56:31 min)

An den Grenzen des Geistes (I)

Tagung zum 100. Geburtstag von Jean Améry

Am 17. November veranstaltete der Arbeitsbereich Kommunikationsgeschichte/Medienkulturen der FU Berlin eine kleine, aber gut besuchte Konferenz über Jean Améry. Unterstützt durch die VeranstalterInnen sowie die Tontechniker vor Ort und mit freundlicher Einwilligung der ReferentInnen habe ich einige der Vorträge aufgezeichnet. Hier erfolgt nun zunächst die Dokumentation des Eröffnungspodiums. Es stand unter dem Titel: »…daß das Wort nicht verstumme«: Was bedeutet »Moralisierung der Geschichte«?

Sich durch dieses und andere Podien ziehende Fragen bezogen sich auf Amérys Erfahrungen als Opfer von Folter und als Shoahüberlebender, sowie auf sein Verhältnis zu Sartre, Adorno, Hannah Arendt und zum Zionismus.
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Zur Spezifik des deutschen Nationalismus heute. Dokumentation einer zu selten geführten Kontroverse

Das Hamburger FSK hat sich im „Supergedenk- und Jubiläumsjahr“ 2009 zwei (Sende-)Stunden Zeit genommen, um mit Mitgliedern unterschiedlicher linker Gruppen, wenn nicht zu klären, so doch wenigstens einmal zu diskutieren, wie Deutschland und sein Nationalismus heute zu kritisieren sind. Ausgangspunkt und durchgehend auch Gegenstand der Diskussion ist ein Demonstrationsaufruf der Berliner Gruppe Theorie.Organisation.Praxis. Hauptstreitpunkt ist die Postfaschismusthese bzw. die Frage, welchen Stellenwert Antisemitismus und völkisch-rassistisches Denken, der Nationalsozialismus und die Massenvernichtung der europäischen Jüdinnen und Juden durch Nazideutschland für die heutige ideologische Konstitution des deutschen Nationalismus und seiner Anhänger_innen (noch) haben.
Es diskutieren Mitglieder des Bündnisses gegen deutsche Einheit und der Gruppen T.O.P. Berlin, Never Going Home und Naturfreundejugend Berlin.

Zum Thema möglicherweise (ideologiekritisch) interessant und anschaulich: »Zukunft Denkmal. In Berlin boomt die Erinnerungskultur«, ein knapp halbstündiger SWR-Beitrag zur Vielzahl von bereits errichteten oder geplanten Gedenk- und Erinnerungsstätten in Berlin (mp3, 25 MB).

Download:
FRN: Teil 1, Teil 2 (mp3, stereo, 128 kBit/s -> 103 MB)
Mediafire: In einem Stück (mp3, mono, 48 kBit/s -> 38,7 MB)
(1:52 h)

Öffentlich-Rechtliches (4) & mehr

»Hitler war’s!« Die Deutschen und ihr Führer

Kurzbeschreibung: In dieser Sendung liest zunächst Hannes Heer aus seinem Buch »›Hitler war’s‹. Die Befreiung der Deutschen von ihrer Vergangenheit«, danach widmet sich Adorno der Frage »Was bedeutet Aufarbeitung der Vergangenheit?« (Vortrag von 1959, leicht gekürzt; ohne Hintergrundmusik auch hier zu hören).

Sendereihe: Sachzwang FM

Mitwirkende:
Moderation: Dr. Indoktrinator
Referenten: Hannes Heer & Theodor W. Adorno

Links zum Beitrag: Beschreibung auf FRN

Gesamtlänge: 2 Stunden

Audiocharakteristika: mp3, mono, 48 kbit/s

Download: In einem Stück via AArchiv oder via Mediafire oder in zwei Teilen via Mediafire: Teil 1, Teil 2 (Gesamtgröße: 41,2 MB)

Nationales Vergangenheitsrecycling. Die postnazistische Allianz der Generationen im deutschen Kollektiv

Sonja Witte (Kittkritik) stellt den von ihr mitverfassten Band »Deutschlandwunder. Wunsch und Wahn in der postnazistischen Kultur« vor. Es sind zwei Mitschnitte dieses Vortrags verfügbar:

Einmal vom 03.11.2008 in Göttingen bei der Gruppe »B17« als mp3, 46 Minuten: Original oder nachbearbeitet (17 MB).

Und dann noch vom 27.01.2009 an der Alice-Salomon-Fachhochschule Berlin gehalten und als 68minütige mp3-Datei hier verfügbar (34,9 MB).

Zuletzt wurde eine Aufnahme von Audioarchiv++ dokumentiert. Sie entstand am 23.11.2012 in Jena im Rahmen der Reihe »Erinnern, Vergessen, Verdrängen — Deutsches Erinnern an die Schoa«. Download

Ein Interview mit Tobias Ebbrecht über den Sammelband gibt es bei FRN.

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Gewalt gegen Frauen im NS

Bei Radio Island gibt es zwei Vorträge zum Thema „Gewalt gegen Frauen im Nationalsozialismus und ihre Rolle im Erinnerungsdiskurs“, die im Rahmen einer vom Antifaschistischen Frauenblock Leipzig (AFBL) organisierten Veranstaltungsreihe gehalten wurden. Der erste Vortrag von Christa Paul behandelt „Sexzwangsarbeit in NS-Konzentrationslagern“ und der zweite Vortrag von Loretta Walz beschäftigt sich mit „Zwangsarbeiterinnen in Ravensbrück“.