Zum Zusammenhang von einseitiger Ideologiekritik und antifeministischer Regression – Ein Vortrag der Feministischen Intervention
Am 30.01.2019 fand im Conne Island eine Diskussionsveranstaltung zum antideutschen Antifeminismus statt. Dabei ging es insbesondere um die Positionen von Magnus Klaue, Thomas Maul und David Schneider, die sich u.a. in der Bahamas #78 nachlesen lassen. Die Veranstaltung war auch eine Reaktion auf Vorträge von Thomas Maul und Magnus Klaue im Conne Island. Der Vortrag hatte drei Teile: Im ersten Teil hat Sarah (es wird nur der Vorname genannt) einige Aussagen von Maul, Klaue und Schneider analyisiert. Sie geht dabei insbesondere auf die ökonomische Entwicklung der letzten Jahrzehnte ein, und was diese mit dem Geschlechterverhältnis zu tun haben. Sie skizziert das Problem einer einseitigen Ideologiekritik, die sich nicht mehr auf ökonomische Verhältnisse bezieht. Im zweiten Teil führt Constanze Stutz aus, inwiefern Antifeminismus eine regressive Reaktion auf gesellschaftliche Widersprüche und Krisenerscheinungen ist und was das mit Männlichkeit zu tun hat. In diesen Zusammenhang ordnet sie auch den antideutschen Antifeminismus ein. Im dritten Teil skizziert Koschka Linkerhand ein notwendiges Spannungsverhältnis zwischen Realpolitik und grundlegender Gesellschaftskritik, das in Teilen der antideutschen Theoriebildung einseitig aufgelöst werde. Sie formuliert die Notwendigkeit einer feministischen, materialistischen Gesellschaftsanalyse. In den Referaten gibt es mehrere Bezüge auf den Text „Raus aus der Comfort Zone. Für eine feministische Position in antideutscher Gesellschaftskritik„, den der Antifaschistische Frauenblock vor etwa zehn Jahren veröffentlicht hat. Bei Minute 32:30 gibt es eine technik-bedingte Unterbrechung der Aufnahme.
Eine Befindlichkeit vorab: Die Welt geht unter und wir diskutieren den Frauenhass von Magnus Klaue und Thomas Maul. Aber da wir an der Notwendigkeit einer linken, feministischen Gesellschaftskritik festhalten und das Conne Island als zentralen Veranstaltungsort der Leipziger Linken nicht unkommentiert diesem offenen Antifeminismus überlassen wollen, diskutieren wir heute Abend über Magnus Klaue und Thomas Maul.
Innerhalb des letzten Jahres haben die beiden Bahamas-Autoren in ihren Artikeln und Vorträgen im Conne Island eindrucksvoll vorgeführt, wie weit die antifeministische Regression einiger antideutscher Theoretiker fortgeschritten ist: Kritik heißt bei ihnen mittlerweile, Feministinnen als »brutal verdummt« zu verunglimpfen. Kaum des Lesens und Schreibens mächtig und unabgelöst von ihren Müttern, seien sie so unwillens wie unfähig, »Männer, sei es sexuell oder gar intellektuell, zu befriedigen«. Dass Feministinnen sich und ihren antideutschen Kritikern diese Befriedigung versagen, beklagen ideologiekritische Pamphlete, die mit einer Analyse des kapitalistisch-patriarchalen Istzustands nicht viel zu tun haben.
Der Vortrag soll erhellen, wie sich – während Nazis, Islamisten und die Klimakatastrophe auf dem Vormarsch sind – die krisenhafte Verfasstheit des männlichen Subjekts auch in den autoritären Auswüchsen antideutscher Kritik zeigt. Wir fordern eine Ideologiekritik, die sich nicht für die Rundumschläge gekränkter Theoretikermännlichkeit eignet, sondern Ideologien in Beziehung zu den Verhältnissen setzt, die sie hervorbringen. Weder Islamkritik noch die Kritik am Queerfeminismus darf den Mäulern und Klauen antideutscher Antifeministen überlassen werden. Denn die haben immer noch nicht verstanden, dass das bürgerliche Subjekt, das sich wesentlich über kapitalistische Sphärentrennung und damit die Abspaltung von Weiblichkeit und Reproduktion konstituiert, nicht das Sehnsuchtsziel einer feministischen Gesellschaftskritik sein kann. Der Vortrag plädiert dafür, antideutschen Antifeministen zukünftig lieber den Felsenkeller oder das Haus Auensee als Vortragsort anzuempfehlen und sich einem materialistischen Feminismus als adäquater Gesellschaftsanalyse zu widmen.
Wir dokumentieren hier eine Reihe von Veranstaltungen des Conne Island Infoladens, die mehr oder weniger thematisch zusammenhingen und sich mit Staat(skritik), Demokratie, Polizei, Aufstand, Imperialismus, … auseinandergesetzt haben:
1.) Zur Theorie des Riots – Anmerkungen zur Staatsfaschisierung
Im ersten Teil des Vortrags führt Richard Bachmann in die Theorie ein, die Joshua Clover in seinem Buch Riot.Strike.riot entwickelt hat. Zentrale These ist dabei, dass der Träger einer jüngeren Welle von Riots das Surplus-Proletariat sei (zum Surplusproletariat siehe auch das Interview mit / den Text von den FreundInnen der klassenlosen Gesellschaft), das sich in den Riots Mittel zur eigenen Reproduktion aneignet. Ein Artikel von Joshua Clover findet sich in deutscher Übersetzung im Buch „RIOT – Was war das los in Hamburg“ (siehe auch: Da war doch was in Hamburg). Es wird dann ausgeführt, welche Rationalität in dem Umstand besteht, dass der Riot vor allem an der Zirkulationssphäre ansetzt. Im zweiten Teil führt Achim Szepanski (u.a. NON) einige Thesen zur „Staatsfaschisierung“ aus. Staatsfaschisierung ist für Szepanski ein Behelfsbegriff, der keine allgemeine Faschisierung der Gesellschaft bedeutet, sondern eine zunehmende Dominanz exekutiver Teile des Staats. Mit Bezug auf Nicos Poulantzas (Stichwort „autoritärer Etatismus“) skizziert er die zunehmende Präventionslogik polizeilichen und staatlichen Handelns. Am Ende bezieht er diese Überlegungen auch auf die aktuellen Ausformungen des Rechtspopulismus. Drei Essays zum Thema hat Szepanski im Laika-Verlag veröffentlicht. Ein Vorabinterview zum Vortrag mit Radio Corax findet sich hier, die Diskussion im Anschluss des Vortrags hier.
Wir leben in Zeiten der Aufstände. Und sie haben ihre materialistische Grundlage. So lautet eine der Kernaussagen von Riot.Strike.Riot: The New Era of Uprisings (2016) des us-amerikanischen Professors Joshua Clover. Die gesellschaftlichen Verhältnisse haben sich geändert, so dass gegenwärtige Kämpfe zumeist die Zirkulationssphäre des Kapitals betreffen und folglich andere Formen der Auseinandersetzung erfordern. Der Streik hat in seinem oftmals geregelten Ablauf die einstmalige Schärfe verloren. So ist es nicht verwunderlich, wenn es zuletzt häufiger zu Blockaden der Verkehrsströme oder der Logistikzentren kam. Um all dies zu begreifen, bedarf es daher einer dezidiert materialistischen Theoretisierung des Aufstands (Clover).
So sehr sich die Formen der Auseinandersetzung verändern, so sehr verändert sich auch staatliches Vorgehen darauf. Kontrolle, Normierung und Repression sind die Folge immer neuer Gesetze, wie es aktuell im Verfolgungseifer der G20-Repression oder den Polizeigesetzen zu sehen ist. Als Staat des Kapitals ist dieser notwendig von einer möglichst reibungslosen Entwicklung abhängig und übersetzt den objektiven Zwangscharakter der Reproduktion in seine politische Form (Szepanski).
In einem ersten Input wird Richard Bachmann auf zentrale Thesen von Joshua Clover eingehen. Im zweiten Teil wird sich dann Achim Szepanski einiger Anmerkungen zur strukturellen Staatsfaschisierung widmen.
2.) Drohende Gefahr – Neue Polizeigesetze & autoritäre Zuspitzung
Der Vortrag über die Neuen Polizeigesetze hatte zwei Teile: Im ersten Teil erläutert Michèle Winkler (Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V., Sprecherin des Bündnis „Nein zum neuen Polizeigesetz in NRW„) die Veränderungen, die sich durch die jüngsten Verschärfungen der Polizeigesetze ergeben. Dabei legt sie u.a. einen Fokus auf Bayern, dessen Polizeigesetz als Vorbild für die Veränderungen in vielen anderen Bundesländern gilt. Im zweiten Teil geht Sophie Perthus aus sozialwissenschaftlicher Perspektive näher auf die strukturellen Veränderungen innerhalb der Polizei ein. Sie argumentiert für die These, dass die Polizei immer mehr ein politischer Akteur wird, der zur Bearbeitung sozialer Probleme ermächtigt ist – soziale Konflikte werden zunehmend als Sicherheitsproblem verhandelt. Am Ende formuliert sie auch eine Kritik am Conne Island. Die Diskussion im Anschluss des Vortrags findet sich hier.
Am 25. Mai wurde ein neues „Polizeiaufgabengesetz“ in Bayern verabschiedet. Es enthält eine Fülle an neuen Befugnissen für die Polizei, wie Ausspähung, Überwachung des öffentlichen Raums und optische/akustische Mustererkennung per Algorithmus. Ähnliche Gesetzesentwürfe liegen für Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen (NRW) und Sachsen auf dem Tisch. Verbindendes Element bei allen Entwürfen ist der bloße Verdacht bzw. die „drohende Gefahr“ um mit einer Vielzahl an rechtlichen Mitteln die Kontrolle jedes Einzelnen zu intensivieren und unliebsames Handeln zu bestrafen – bis hin zum präventiven Freiheitsentzug.
Doch das Gesetz in Bayern wurde nicht ohne Protest verabschiedet. Mehrere zehntausend Menschen versammelten sich zu einer zentralen Demonstration in München und nahmen an einem Schüler*innenstreik teil. Auch in NRW demonstrierten rund zwanzigtausend Menschen gegen den Gesetzesentwurf, in Niedersachsen und Sachsen sind Proteste bereits angekündigt.
Wir wollen mit Michèle Winkler (Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V., Sprecherin des Bündnis „Nein zum neuen Polizeigesetz in NRW“) über die autoritären Maßnahmen diskutieren und inwiefern zielführender Protest dagegen organisiert werden kann. Ebenso soll es dabei um eine Einbettung in den gegenwärtigen Rechtsruck gehen. In einem zweiten Input wird Sophie Perthus auf die sächsischen Zustände konkreter eingehen und aufzeigen, wie die Polizei in den letzten Jahren zunehmend ihre angedachte Funktion erweitert hat und als politischer Akteur auftritt, um gesellschaftliche Prozesse zu beeinflussen.
3.) From Democracy to Freedom – der Unterschied zwischen Regierung und Selbstbestimmung
Am 11.12.2018 wurde im Conne Island im Gespräch mit Hanna Poddig das Buch „From Democracy to Freedom – Der Unterschied zwischen Regierung und Selbstbestimmung“ von Crimethinc vorgestellt. Dabei ging es zunächst um die Herkunft von Crimethinc und die Positionierung dieses Netzwerkes innerhalb des Anarchismus. In Anlehnung an das Buch wurden dann Aspekte der Demokratie-Kritik vorgestellt. Im nächsten Schritt wurden dann Erfahrungsberichte aus dem jüngeren Bewegungszyklus in Spanien, Griechenland, USA und Bosnien vorgestellt. Dabei gab es einen Fokus auf eine Kritik an Formen direkter Demokratie bzw. des Konsensprinzips, wobei insbesondere ein Formenfetisch innerhalb von Organisierungsdebatten kritisiert wurde, wenn sie zu Ungunsten der Inhalte und von Entscheidungsfähigkeit gehen. Insbesondere letzteres weist eine Analogie zu dem auf, was das Unsichtbare Kommitee in „An unsere Freunde“ entwickelt hat. Die Publikumsdiskussion im Anschluss an das Gespräch findet sich hier. Zu Crimethinc siehe auch: Message in a bottle.
Demokratie wollen alle. Es ist das politische Ideal schlechthin – über alle inhaltlichen Gräben hinweg. Mehr Demokratie ist eine Forderung, die stets von sich oppositionell wähnenden Gruppen eingefordert wird. Dabei ist die konkrete Vorstellung von mehr Demokratie sehr unterschiedlich. Wo einige nach direkter Demokratie streben um sich als „Volkswille“ zu inszenieren, sehen andere Konzepte eine Vielzahl an Föderationen ohne Zentralstaat vor. Es benötigt also einmal mehr Maulswurfsarbeit, um sich dem Begriff zu nähern und Erkenntnis daraus zu ziehen.
Das anarchistische Netzwerk CrimethInc untersucht in seinem Buch den Unterschied zwischen Regierung und Selbstbestimmung. Hierzu wird Demokratie historisch beleuchtet und soziale Bewegungen der jüngeren Vergangenheit in mehreren Ländern reflektiert.
Im Rahmen eines Gesprächs mit Hanna Poddig möchten wir uns der Thematik widmen und laden herzlich zur gemeinsamen Diskussion ins Conne Island ein.
4.) Chinas neuer ,Imperialismus‘ und die Konfrontation mit den USA
Ralf Ruckus hat in seinem Vortrag die aktuelle polit-ökonomische Verfasstheit und die damit verbundenen außenpolitischen Bestrebungen Chinas skizziert. Dabei geht er u.a. auf die Entwicklung der chinesischen Wirtschaft seit den 70er Jahren, die ökonomische Entwicklung seit der Krise 2007/08 und auf den gegenwärtigen „Handelskrieg“ mit den USA ein. Er wirft jeweils Schlaglichter auf Demographie, Preisentwicklung, Klassenkämpfe, Repression, Opposition und Linke in China. Zuletzt diskutiert er verschiedene linke Perspektiven auf China. Leider ist die Aufnahme etwas verhallt. Außerdem verweist er immer wieder auf Grafiken und Folien – zumindest eine Grafik ist in einem Artikel enthalten, den Ruckus für die WOZ geschrieben hat. Zu China siehe auch die Wildcat im Interview, „These boots were made for walking – Klassenkämpfe in China„, und das China-Dossier der Wildcat. Die Diskussion im Anschluss des Vortrags findet sich hier.
Seit 2013 verfolgt die Kommunistische Partei Chinas ein Investitionsprogramm mit Infrastrukturprojekten entlang der globalen Handelswege, die sog. Belt and Road Initiative (BRI), und nutzt in vielen beteiligten Ländern seine neue Wirtschaftsmacht zur Verfolgung eigener ökonomischer und geopolitischer Interessen. 2015 verkündete sie den Plan Made in China 2025, demzufolge das Land in den nächsten Jahren zur technologisch führenden Weltmacht werden will. Zudem hat China in den letzten Jahren militärisch stark aufgerüstet und fordert so die Hegemonialmacht USA heraus. Wie hängt der globale Expansionskurs mit die vielen sozialen Kämpfen in China zusammen? Was bedeutet Chinas Vorgehen für die Entwicklung des kapitalistischen Weltsystems? Und wie soll eine globale Linke darauf reagieren?
Ralf Ruckus hat zum Thema einen Artikel in der WOZ veröffentlicht, gibt in Kürze die deutsche Fassung des Buches “Die andere Kulturrevolution” von Wu Yiching heraus und arbeitet an dem Buchprojekt “Der kommunistische Weg zum Kapitalismus. Bruch und Permanenz in China seit 1949”.
Am 29.05.2018 hat Felix Klopotek im Conne Island einen Vortrag über den Politikwissenschaftler, Philosophen und sozialrevolutionären Denker Johannes Agnoli gehalten. Dabei legte er einen Fokus auf eines der wichtigsten Bücher Agnolis: Die Transformation der Demokratie (gemeinsam mit Peter Brückner, 1967). Der Vortrag geht recht ausführlich auf die Biographie Agnolis und den Vorwurf (u.a. von Wolfgang Kraushaar) ein, Agnoli habe faschistisches Gedankengut in seine Staats- und Demokratiekritik aufgenommen. Anschließend rekonstruiert er einige Aspekte der Staatskritik Agnolis und dessen Problematisierung der Demokratie als Form. Hier geht es zentral um das Problem, dass sich mit dem verallgemeinerten Staatsbürgerbewusstsein soziale Konflikte in politische auflösen. Zuletzt spricht Klopotek über den Klassencharakter des Staates, wobei er sich neben Agnoli auch auf Adam Smith und Marx bezieht. Siehe auch Klopoteks Text Das Unbehagen in der Demokratie.
Johannes Agnolis Thesen zur »Transformation der Demokratie« (erstmals im Herbst 1967 erschienen) waren nicht als ein aktivistischer oder interventionistischer Text gedacht. Aber sie trafen auf eine sich gerade formierende außerparlamentarische Opposition, der – nicht zuletzt durch die Ereignisse vom 2. Juni 1967 – ziemlich rüde mitgeteilt wurde, dass demokratische Willensbildung nur als Akt der Unterwerfung unter den bundesrepublikanischen – sprich: antikommunistischen – Konsens erlaubt ist. Und so kam es, dass Agnolis Thesen, die eigentlich »nur« der damals an Verfassungsidealen orientierten sozialistischen oder sozialdemokratischen Linken argumentativ den Boden unter den Füßen wegziehen wollten, der Wut und Verzweiflung der Studentinnen und Studenten eine angemessen intellektuelle Form gaben: Ihr Unbehagen am Parlamentarismus, an der »formierten Gesellschaft« und an der Sozialpartnerschaft waren berechtigt! Agnoli zeigte, dass noch die hehrsten Ideale und Ansprüche der parlamentarischen Demokratie einen herrschaftsaffirmativen und kapitalförmigen Gehalt haben, und er erinnerte an das revolutionäre Subjekt, das außerhalb dieser Institutionen seine Kämpfe zu führen hat.
Alles lange her. Die präzise Arbeit Agnolis an der negativen Dialektik des Parlamentarismus wich in den 70er Jahren der abstrakten Generalanalyse der »Staatsableitung«, und dann kamen ja auch schon die Grünen und die neue Lust am Mitmachen. Agnoli wurde zum akademischen Einsiedler des Linksradikalismus, seine Thesen galten als »legendär«, waren schon fast anekdotisch, wurden jedenfalls nicht mehr gelesen.
Heute kann keiner genug von Demokratie und Partizipation bekommen: Die Rechten träumen von der illiberalen Demokratie, in der qua Volksabstimmung endlich Schluss gemacht werden soll mit Schutz- und Minderheitenrechten; die Linken träumen von der verallgemeinerten Demokratie, die in allen möglichen öffentlichen und halböffentlichen Institutionen Einzug halten soll, um dort Machtverhältnisse abzubauen; die Mitte träumt von der Renaissance des Bundestages, um so die Rechten und Linken einhegen zu können. Keiner kann mit keinem, aber alle schwören auf Demokratie. Von Agnoli kann man immer noch lernen, dass genau dieser Demokratie-Hype paradoxerweise auf die Transformation der Demokratie verweist – auf ihre negative Selbstaufhebung im kapitalistischen Totalitarismus. (via)
Eine Aufnahme, die weniger Theorie als gewohnt bietet, dennoch durchaus interessant ist, weil sich der Mitschnitt mit Orten beschäftigt, die eine linksradikale Praxis über mittlerweile mehr als zwei Jahrzehnte (zumindest mit)bestimmt haben: Das Conne Island in Leipzig und die Rote Flora in Hamburg. Vertreterinnen beider Zentren fanden im Golem zusammen, um über die jeweilige Geschichte, Strukturen, Unterschiede und Spannungsfelder zu diskutieren.
Im Abstand von rund 400 km steht jeweils ein Bürgerschreck aus Mörtel und Ziegelstein. Im Hamburger Schanzenviertel hält sich seit 25 Jahren die Rote Flora. An den Ausläufern von Leipzig Connewitz residiert seit 23 Jahren das Conne Island. Einladend und abweisend, luzide und behäbig, störrisch und befriedet. Die „Terrorzentralen“, um die die Lustangst von CDU und Boulevard kreist, geben Verfassungsschutz und Polizei die Gelegenheit Tonbänder zu füllen und Planstellen zu rechtfertigen. Alle anderen gehen dort saufen, Skateboard fahren oder diskutieren.
Die beiden linksradikalen Zentren teilen eine wechselhafte Geschichte. Sie ist sowohl von internen Konflikten um die Ausrichtung des eigenen Ladens, als auch von politischen Auseinandersetzungen mit und gegen die Mehrheitsgesellschaft durchzogen. Auch wenn es punktuell einen Austausch gab – wie uns die Betreiber versichern – wurden die gleichen, sich stellenden Fragen in der Roten Flora und dem Conne Island getrennt voneinander durchgekaut:
Versteht man sich als linker „Freiraum“, in dem sich ohne Verwertungsdruck abhängen lässt oder nimmt man die Totalität des Kapitalismus an, der quasi auch in Viertelautonome einfährt wie der heilige Geist und den man selbst über die Schwelle der eigenen Haustür trägt? Wie hält man es mit der Nachbarschaft? Wohnt nebenan die Vielheit freundlicher Subjekte, die dem eigenen Treiben wohlwollend gegenüber stehen oder hausen dort verkniffene Rassisten, die man häufiger erschrecken muss, damit sie nicht auf dumme Ideen kommen? Welchen Stellenwert haben Konzerte und Partys? Wird Pop als Vehikel zur Politisierung und Geldbeschaffung nur benutzt oder meint man in der Musik und der Kunst selbst eine genuin politische und subversive Praxis zu erkennen? Wie geht man mit den Umarmungen des etablierten Betriebs um? Ersticken bezahlte Stellen oder eine institutionalisierte Kultur- und Projektförderung die politischen Ansprüche und lassen einen ungewollt zum anerkannten Teil der Zivilgesellschaft heranreifen? Begünstigen linksradikale Zentren mit ihrer Protestfolklore nicht noch die Attraktivität der sogenannten Szeneviertel und befeuern so Umstrukturierungs- und Verdrängungsprozesse?
Die technische Qualität ist nicht die Beste, der Mitschnitt bricht abrupt ab und das Gesagte ist recht anekdotisch. Dennoch sind die Ausführungen von Thomas Ebermann zur Konsumkritik als kapitalistische Selbstoptimierung aus dem Conne Island eine Empfehlung.
Im Zuge der Leipziger Buchmesse lud die Jungle World ins Conne Island um über den Antirassismus im Zeichen der Nazi- und Bürgerproteste gegen Flüchtlingsheime diskutieren zu lassen. Der knapp zweistündige Mitschnitt der Veranstaltung gibt einen bemerkenswerten Einblick in den Zustand der hiesigen Linken im Jahr 2014: Christian Jakob weist zu Beginn sachlich auf die (durchaus verbesserte, aber weiterhin desaströse) Situation von Flüchtlingen in Deutschland hin, Jennifer Stange erinnert daran, dass es Proteste gegen Notunterkünfte nicht nur in der Zone gab/gibt und während Felix Fiedler in den Flüchtlingsprotesten eine neue Perspektive für die radikale Linke sieht, macht Jan (Georg) Gerber auf das instrumentelle Verhältnis dieser in Bezug auf Flüchtlinge aufmerksam.
Die Zahl rechtsextremer Angriffe auf Flüchtlingsheime hat sich 2013 im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt. Bürger protestieren gemeinsam mit Nazis gegen die Unterbringung von Asylsuchenden. Das erinnert an die neunziger Jahre. Gleichzeitig haben Flüchtlinge den Widerstand gegen das Migrationsregime mehr und mehr selbst in die Hand genommen und die Flüchtlingsabwehr hat sich an die europäischen Außengrenzen verlagert. Wie geht die Linke mit dieser Situation um? Muss sich antirassistische Arbeit zuerst gegen den gesellschaftlichen Rassismus wenden oder gegen die staatliche Flüchtlingspolitik? Ist wieder klassische Antifa-Arbeit gefragt? Oder geht es jetzt darum, vor allem Flüchtlinge bei ihrem Kampf zu unterstützen?
Die Wochenzeitung „Jungle World“ diskutiert dies mit Christian Jakob, Felix Fiedler, Jennifer Stange, Jan-Georg Gerber. Moderation: Ivo Bozic
Im September 2010 ist, völlig überraschend, der Poptheoretiker, Musikkritiker und Herausgeber der Zeitschrift Testcard, Martin Büsser, an Krebs gestorben (Nachruf des Ventilverlags, Nachruf von Roger Behrens). Er schrieb unrastsam zahlreiche Bücher und Artikel zur Geschichte der Popmusik, zu Popnationalismus, Geschlechterverhältnissen und vielen anderen Themen. Mit seinem Tod ist eine wertvolle und herausragende Stimme in der linken Presse, sowie ein sympathischer Mensch verlorengegangen. Ihm sei hier in Form einer unvollständigen Zusammenstellung von Vortragsmitschnitten und Radiobeiträgen von Martin Büsser gedacht. Einige weitere unveröffentlichte Audio-Beiträge von Martin Büsser werden in Kürze nachgereicht.
1. Wie klingt die neue Mitte – Vortrag über rechte und reaktionäre Tendenzen in der Popmusik
5. I can’t relax in Deutschland – Diskussion mit Marvin Alster (Conne Island), Martin Büsser, Elena Lange (Stella), Markus Moll (ISF) und Marvin (I can’t relax in Deutschland) – mit einem Beitrag von Martin Büsser über die Geschichte der nationalen Radioquote
7. Martin Büsser über Tine Plesch, Kultur und Feminismus im Rahmen einer Reihe zur Erinnerung an Tine Plesch – die Einleitung und die weiteren Audio-Beiträge im Rahmen der Tine-Plesch-Lesung (mit Beiträgen von Jörg Sundermeier, Dagmar Brunow, Wally Geyermann und Conny Lösch) gibt es hier
1. Radio Island #63 beinhaltet eine leicht geschnittene Aufzeichnung der Veranstaltung mit dem oben genannten Titel, auf der zwei Kritiken des Geschlechterverhältnisses gegenübergestellt werden.
2. *Update*:Unter demselben Titel hat die Gruppe sous la plage eine Veranstaltung in Hamburg durchgeführt, aufgezeichnet und mit Musik und Moderation beim FSK gesendet.
* Entfernt wurde die Musik zu Beginn (vor der ersten Moderation) und zum Ende, zudem wurde die Lautstärke angehoben und vereinheitlicht. Die Qualität ist vielleicht minimal vermindert, für mp3-Player sollte es allerdings günstig sein.
Im BFR-Net findet sich ein Gespräch mit Hannes Gießler und Peter Christoph Zwi über Scheitern und Möglichkeit des Kommunismus und die Kategorie der Verdinglichung. Das ganze ist eine Ankündigung zur Veranstaltung unter gleichem Titel, die am 21.05. im Conne Island in Leipzig stattgefunden hat. Letztere wurde ebenfalls aufgezeichnet, der Mitschnitt ist aber noch nicht veröffentlicht.