Bayern 2 RadioWissen hat kleine biographische Features über Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht gesendet.
Download: Rosa via BR via RS (19 min, 18 MB) || Karl via BR | via RS (23 min, 21 MB)
Bayern 2 RadioWissen hat kleine biographische Features über Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht gesendet.
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Nach einiger Verzögerungen können wir nun einige weitere Beträge der Berliner Améry-Tagung vom 17. November 2012 dokumentieren. Es handelt sich um zwei Vorträge des zweiten Podiums, das einen philosophischen Schwerpunkt hatte, sowie um den Abschlussvortrag der Améry-Biografin Irene Heidelberger-Leonard, die viele Motive der Tagung noch einmal aufgreift und einige neue Aspekte anspricht. Das Literatur-Podium wurde nicht aufgezeichnet. Es ist nach Aussage der VeranstalterInnen allerdings ein Tagungsband geplant, in dem alle Beiträge schriftlich dokumentiert werden.
Podium 2: Philosophie im Spannungsfeld von Erfahrung und Abstraktion
Gerhard Scheit, Folter und Vernichtung. Jean Amérys immanente Kritik an der Philosophie Jean-Paul Sartres
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Deborah Hartmann, »Was mir anliegt, das ist die Beschreibung der subjektiven Verfassung des Opfers.« Jean Améry, Theodor W. Adorno und das Jude-Sein nach Auschwitz
Deborah Hartmann, Studium der Politikwissenschaft und Geschichte in Wien, seit 2007 Pädagogische Mitarbeiterin der International School for Holocaust Studies Yad Vashem, lebt seit 2011 in Berlin und repräsentiert die pädagogische Abteilung Yad Vashems in den deutschsprachigen Ländern. [via]
Download: via AArchiv | via RS | via Archive.org (0:17 h, 8 MB)
Festvortrag:
Irene Heidelberger-Leonard, Was bleibt? – Jean Améry zum 100. Geburtstag
Download: via AArchiv | via RS | via Archive.org (0:43 h, 20 MB)
Vom Festvortrag gibt es auf Youtube eine Videoaufzeichnung mit mäßiger Klangqualität.
Ein kleines, aber feines Feature über Walter Benjamin.
Download via WDR (0:15 h, 7 MB)
Vor hundert Jahren, am 31. Oktober 1912 wurde Jean Améry als Hans Chaim Mayer in Wien geboren. Der politische Essayist und Schriftsteller, von den Nazis als Jude und Widerstandskämpfer verfolgt, interniert, gefoltert, wählte 1978 den Freitod. Die folgenden Beiträge, welche teilweise aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, teilweise aus den freien Radios stammen, erinnern an Améry, an seine leidvolle Biographie ebenso wie an sein leidenschaftlich-engagiertes Schreiben nach 1945.
1. 100 Jahre Jean Améry: Die Unmöglichkeit weiterzumachen.
Roger Behrens geht u.a. Amérys Kritik des linken Antisemitismus und seiner Auseinandersetzung mit Philosophie und Literatur nach.
Jean Améry wurde im April 1945 von den Engländern aus Bergen-Belsen befreit – nach zwei Jahren in verschiedenen Konzentrationslagern, darunter Auschwitz.
Der Schriftsteller polemisierte in den folgenden Jahren gegen alle diejenigen, die die existenzielle Bedeutung des Staates Israels nicht sehen wollten. Denn das Bestehen dieses Staates, so Améry, sei nur vor dem Hintergrund der Katastrophe Auschwitz und der darin enthaltenen Möglichkeit eines zweiten Auschwitz zu sehen. Améry hatte sich selbst immer als der Linken zugehörig betrachtet. Die Ignoranz gegenüber der andauernden Bedrohung Israels und der zunehmende und nur schlecht als „Antizionismus“ verhüllte Antisemitismus ausgerechnet innerhalb der Linken ließen ihn jedoch schließlich an dieser Linken verzweifeln. Wir hören Roger Behrens über Améry, der am (heutigen) Mittwoch 100 Jahre alt geworden wäre.
Auf der Homepage des ORF steht unter diesem Titel ein sehr hörenswertes Audio-Feature zum Anhören zur Verfügung. Es handelt von den Geschwistern der Eisler-Familie Gerhart und Ruth Eisler (beide Gründungsmitglieder der Kommunistischen Partei Österreichs, dieser später strammer Komintern-Funktionär, letztere später linksradikale Abweichlerin, dann glühende Anti-Kommunistin) sowie Hanns Eisler (Schönbergschüler, experimenteller Komponist und langjähriger Mitarbeiter von Bertolt Brecht) – also drei sehr interessante und schillernder Figuren in der Geschichte der kommunistischen Bewegung. Das materialreiche Feature skizziert ein biografisches Portrait der drei Geschwister und berichtet dabei von der Erfahrung des ersten Weltkriegs, der Zwischenkriegszeit und des zweiten Weltkriegs, erzählt von der Situation im Exil und der Nachkriegszeit in der DDR. Neben Aufnahmen von Aussagen vor dem »Ausschuss für unamerikanische Tätigkeiten«, sind dabei einige sehr seltene und interessante Tondokumente zu hören.
Text zum Feature: Weiterlesen
Seite A: Alexander Mitscherlich – »Wie zeitgemäß ist Toleranz?« (1969) – Alexander Mitscherlich (u.a. »Die Unfähigkeit zu trauern«) spricht über den Begriff der Toleranz, den er aus kulturhistorischer, anthropologischer, vor allem aber aus psychoanalytischer Perspektive einkreist. Als Zeitdokument ist dieser Radiovortrag bspw. interessant, wenn Mitscherlich einige Vorbilder der Gegenwart anführt und dabei Che Guevara, Frantz Fanon, Lenin und Mao nennt…
Seite B: Stéphane Mallarmé und sein Entwurf eines absoluten Buches – Ein hörenswert gestaltetes Feature über den symbolistischen Dichter Stéphane Mallarmé, dessen dichterisches Schaffen (u.a. das Experimentieren mit visueller Poesie), seine für die Moderne so verhängnisvolle wie charakteristische Schaffenskrise und die Berührung des Nichts in seinem letzten großen Entwurf…
Als Anarchokommunist, der es geschafft hat, es sich mit anarchistischen und kommunistischen Organisationen gleichermaßen zu verscherzen, scheint uns Erich Mühsam nicht die unsympathischste historische Gestalt der deutschen Linken zu sein. Deshalb möchten wir hier in loser Folge auf biographische Features, Lesungen und Vorträge aufmerksam machen, die sich mit Mühsams Leben und Schaffen beschäftigen. Bei der Aufarbeitung des Materials hat uns Mühsam mitunter zum Lachen gebracht, wobei klar ist, dass sein theoretisches Wirken auch eine kritische Betrachtung verdient; es handelt sich aber auch um einen sehr ernsten Teil einer unabgegoltenen und abgebrochenen Geschichte, wenn man sich gewahr wird, welches Schicksal damit verbunden ist. Anlass für die Idee zu dieser Reihe, für die wir inzwischen eine ganze Menge Material gesammelt haben, war die Herausgabe seiner Tagebücher, die 2011 beim Verbrecher Verlag begonnen hat.
1.) Poesie und Revolution: Ihr hört zuerst ein biographisches Feature von Kurt Kreiler. U.a. kommen darin Lotte Loebinger und Augustin Souchy zu Wort, die Mühsam persönlich gekannt haben; es sind einige Auszüge aus theoretischen Texten und aus Tagebucheinträgen, sowie Vertonungen seiner Gedichte zu hören. Man erfährt einiges über seine Liebesaffären und finanzielle Probleme, sein Engagement gegen den Krieg, seine Tätigkeit in der Novemberrevolution und der Münchner Räterepublik – schließlich über seine Haft, seinen Zwist mit Parteikommunismus und Sozialdemokratie und seinen Kampf gegen die Nazis, die ihn brutal gefoltert und 1934 ermordet haben.
2.) 17 Grad / Ausgabe 115: Erich Mühsam: Die 17-Grad-Redaktion hat einige interessante Tagebucheinträge von Erich Mühsam aus den 1910er Jahren herausgesucht und vorgelesen. Man erfährt Persönliches, aber auch Einschätzungen Mühsams zu politischen Entwicklungen seiner Zeit und zur Entwicklung proletarischer Kämpfe in Deutschland – zwischen verächtlichem Spott über die deutsche Arbeiterbewegung und überraschter Sympathie für selbstorganisierte Gegenwehr der Arbeiter. Zudem ist eine ausführliche Auslassung über den Vegetarismus enthalten. Die vollständige Sendung wird auf der Homepage von 17 Grad zur Verfügung gestellt, auf dem AArchiv-Server findet ihr eine nachbearbeitete Version, in der die Musik herausgeschnitten ist.
Liebe Zuhörerinnen, geschätzte Zuhörer: wenn jemand der ehemaligen Reichs- und heutigen nur –hauptstadt weniger zugetan ist als der Bayerischen, wenn einer Vegetarier und andere Abstinent- und Verzichtler verspottet, wenn er es schafft, sich sowohl mit anarchistischen als auch mit kommunistischen Organisationen zu überwerfen, ohne politischen Verve einzubüßen, dann kann das kein so schlechter Mensch sein. Gewesen sein, müsste man genauer sagen. Denn der Anarchist und gleichzeitige Bohemian Erich Mühsam wurde 1934 von den Nazis im KZ Oranienburg ermordet. Dieser Tage erscheint nun der erste Band seiner Tagebücher im Berliner Verbrecherverlag. Die Berliner Morgenpost nennt dies ein literarisches Mammutprojekt, immerhin sind insgesamt 15 Bände und damit ca. 7000 Seiten geplant. Wir nennen es – bodenständig wie wir sind – großartig, wollen aber, wenn es um den vollbärtigen Zausel aus Lübeck geht, der während der Münchner Räterepublik so einiges auf die Beine gestellt und unter die Tische getrunken hat, von der Prämisse der werbefreien Sendungen Abstand nehmen: Sie hören in der Folge eine Reklame in Reinkultur, eine Hommage an den Autor mit seinen eigenen Worten quasi. Kaufen Sie diesen und die folgenden 14 Bände. Und wenn Sie dann noch Barmittel übrig haben: Sie wissen ja, wo Sie unsere Spendenaktion „Pate 2.0“ im Netz finden. [via]
Nachdem der Rausch des Weihnachtsfestes mich auf erholsame Weise vorerst funktions-untüchtig gemacht hat und ich daher auch im Januar kaum dazu kam, an das Audioarchiv zu denken, folgt nun ein zweiteiliger Beitrag zur Reihe »Lost Tapes«:
Seite A: Auf der ersten Seite hört ihr ein Radio-Essay von Hans-Jürgen Schulz über Erich Fromm, aus der Reihe »Portraits deutsch-jüdischer Geistesgeschichte«. Es enthält zahlreiche Informationen aus der Biographie Fromms, rekonstruiert seine spezifische Verbindung von Marxismus und Psychoanalyse in einer durch die jüdische Tradition geprägten Lesart; man erfährt aber auch einiges über Fromms Verirrungen, etwa seine Zuwendung zum Buddhismus. Weitere Stationen sind Fromms Beziehung zu Marcuse und dem Institut für Sozialforschung, die Debatten und Konflikte, die er mit MarxistInnen, TheologInnen und PsychoanalytikerInnen geführt hat und seine Rezeption in der ’68er-Bewegung und in der Neuen Linken. Man erfährt Wissenswertes über das Menschenbild Fromms, bzw. seinen Begriff von Menschheit im Verhältnis von Herrschaft und Utopie.Zuletzt gibt es einen ausführlichen Exkurs über Fromms Verhältnis zu Albert Schweizer, Albert Einstein und Bertrund Russell und die Auseinandersetzung dieser Intellektuellen mit der atomaren Aufrüstung. Das Essay ist dahingehend interessant, da der Autor Erich Fromm und einige seiner Zeitgenossen selbst gekannt hat und über persönliche Gespräche berichten kann. Am Anfang sind leider einige empfänger-bedingte Sendestörungen enthalten.
Seite B / 1: Zu hören sind Marginalien von Werner Ross über das Verhältnis von heiligem Geist und schnödem Mammon. Dieses Verhältnis stellt Ross als einen Zweikampf zwischen Religion und Finanz dar, in dem die Religion oftmals unterliege. Die Predigt ist dahingehend aktuell, als dass sie von einer moralisch-religiösen Empörung über die Habgier der Finanziers und Geldverleiher gezeichnet ist und dabei auf altbekannte zinskritische Ressentiments zurückgreift. Nichtsdestotrotz erfährt man einige wissenswerte historische Zusammenhänge, für deren Rekonstruktion der Autor die Bibel und andere religiöse Dokumente nach einer darin enthaltenen Thematisierung des Geldes absucht. Die HörerInnen des Audioarchivs werden diesen Beitrag mit einem amüsierten Augenzwinkern zur Kenntnis nehmen.
Seite B / 2: Ein sehr hörenswerter Essay aus dem Nachlass von Roman Karst (dem polnischen Herausgeber der Kafka-Werke) über das Verhältnis von Erotik und Tod im Werk Kafkas. Er interpretiert sehr ausführlich Passagen aus ›Das Schloss‹, ›Der Prozess‹, ›Die Strafkolonie‹, ›Die Verwandlung‹, u.a., untersucht diese auf die Darstellung von Weiblichkeit und nimmt dabei Bezug auf Foucault, Walter Benjamin, George Bataille, Kirkegaard, Sigmund Freud und Schopenhauer. Er rekonstruiert dabei, wie Kafka eine mystisch-mythische Gestalt der Frauen zeichnet, die bei ihm als begehrte aber nicht geliebte, erotische aber nicht schöne und in ihrem Wesen geheimnisvolle Figuren erscheinen. Auch wenn dabei einige Charakteristika des Geschlechterverhältnisses in der Darstellung Kafkas herausgearbeitet werden, geschieht dies nicht explizit aus einer Perspektive der Kritik von Geschlechterverhältnissen oder gar aus einer feministischen Perspektive heraus.
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Seite A: Der Vortrag »Sinnlichkeit, Sprache, Unbewusstes – Die Hörwelt der Psychoanalyse« von Joachim Küchenhoff untersucht verschiedene Dimensionen, in denen das Hören eine zentrale Rolle in der psychoanalytischen Praxis spielt. Dabei geht es um Sprachlichkeit und Versprachlichung, Musikalität und Bildlichkeit, Signifikanz und Synthese, nachträgliche Verstehens- und Rekonstruktionsprozesse. Neben Freud nimmt Küchenhoff unter anderem Bezug auf Jaque Lacan, aber auch auf Beispiele aus Literatur und Neuer Musik. Der Beitrag erfordert (ebenso wie auf Seite B) etwas die Geduld der radiophilen HörerInnen, da die ersten Minuten aufgrund einer Beschädigung der Kasette leicht verzerrt sind – der Rest des Beitrags ist allerdings gut hörbar.
Seite B: »Im Spiel versinken bis zum Rausch – Annäherungen an den Homo Ludens« – Das ziemlich spielerische Feature, das trotz seiner etwas naiven Herangehensweise auch Walter Benjamin zitiert, beschäftigt sich mit Idee und Kultur des Spiels. Es geht um den nutzlosen Charakter des Spiels, die Konstruktion regelgeleiteter Spielabläufe, Phantasie und Erfindung, sowie um Spaß und Glück. Zudem geht es um eine Untersuchung psychologischer Abläufe im Spiel und das Verhältnis des Spiels zu Kunst, Literatur, Arbeit, Religion, Kult/Kultur, Philosophie, Mythos, Rätsel, Spielsucht und Flow etc. …
Wir sind im Übrigen sehr dankbar, wenn jemand Hinweise auf besser hörbare Versionen der in der Reihe Lost Tapes dokumentierten Beiträge hat oder diese zur Verfügung stellen kann.
Für all diejenigen, die zu den Hochzeiten der BRD groß geworden sind, gehörte er zum Inventar. In der DDR war er als Teilnehmer an den Festivals des politischen Liedes präsent. Er sang über das Leben der Boheme und den kommunistischen Widerstand im 3. Reich, er hoffte auf die Kämpfe junger Arbeiter und Angestellter gegen Autoritarismus, Wiederbewaffnung und alte Nazis. [via]
Werner Pomrehn (recycling-Redaktion) und Günther Jacob haben sich in einer Sendung auf dem FSK zwei Stunden lang dem Leben, Wirken und der Musik Franz Josef Degenhardts gewidmet, der am 14.11.2011 verstorben ist. Empfehlenswert auch der Nachruf von Beatpunk. Danke an W. für’s Zuspielen.
Bei Zündfunk ( Bayern2) ist ein hörenswertes Feature über das Leben von Martin Büsser erschienen. Die Produzenten haben sehr ausführlich recherchiert, neben den Eltern von Martin Büsser kommen zahlreiche Menschen zu Wort, die ihn kannten und mit ihm zusammengearbeitet haben. Es geht um das, was Martin Büsser mit »Popkritik« denken wollte, was er mit seinen zahlreichen Texten hinterlassen hat, welche Perspektive eine Auseinandersetzung mit Pop und Gesellschaft nach seinem Tod haben kann und natürlich: um Musik.
Auch wenn es sich um ein hörenswertes Feature handelt – ich finde man hört hier an einigen Stellen schon die beginnende Eingemeindung Büssers in die unkritische Gemeinde der Poptheorie, etwa wenn davon die Rede ist, dass er ein anderes Deutschland wollte (ich glaube er war gegen Deutschland). Daher sei an dieser Stelle noch einmal auf den Nachruf von Roger Behrens verwiesen, den er unmittelbar nach Martins Tod verfasst und eingesprochen hat und der m.E. viel gesellschaftskritischer und damit auch mehr im Sinne von Martin Büsser ist. (Nachzulesen bei Beatpunk)
Auf meinem Schreibtisch liegen 19 handbeschriftete Tapes. Ich habe sie von einem Freund mitgenommen, der eine stattliche Sammlung von ca. 1.000 Tapes besitzt, auf denen Radiosendungen enthalten sind, die er in den 80’er und 90’er Jahren aufgenommen hat. Ich werde jeden ersten Tag im Monat jeweils eines dieser Tapes vorstellen, die schwerpunktmäßig Radiosendungen zu den Themen Psychoanalyse, Romantik, Literatur und allerlei Bildungsbürgerliches, gleichwohl Wissenswertes enthalten.
Seite A: Zu hören ist ein essayistischer Radiovortrag von Prof. Gerhart Baumann von 1992 mit dem Titel »Dichtung ohne Eigenschaften« zum 50. Todestag von Robert Musil. Er spricht über das Verhältnis von Dichtung, Wahrheit, Wirklichkeit und Möglichkeit und setzt Musil u.a. in Bezug zu Marcel Proust und Paul Valéry. Durch den Vortrag zieht sich eine existentialistisch anmutende Verdinglichungskritik, etwa wenn Baumann die Dichtung als »Selbstbehauptung gegen das Maschienenwesen« charakterisiert – sicher nicht zufällig schwingt hier auch im Klang der Stimme etwas mit, was man charakteristisch etwa von Hans-Georg Gadamer kennt.
Seite B: Das Radiofeauture »Hölderlins fatale Reise« von Werner Dürrson erzählt von den Irrfahrten des Lebens des als unglücklichster aller deutschen Dichter charakterisierten Friedrich Hölderlin: seine unglückliche Liebesbeziehung zu Diotima (Susette Gontard), seine widersprüchliche Karriere als Schüler einer evangelischen Klosterschule, Dichter und Hauslehrer, seine Beziehungen und Kontakte zu Hegel, Schelling, Schiller und Fichte. Im Zentrum des Feautures steht aber sein Weggang aus Deutschland und seine Reise nach Frankreich – an deren Ende seine Heimkehr in geistiger Zerrüttung stand.
Im Folgenden sei eine etwas ältere Veranstaltung dokumentiert, die 2007 für einigen Trubel gesorgt hat: Die Werbeveranstaltung für das Buch »Rote Armee Fiktion« mit Jan Gerber und Joachim Bruhn auf der linken Literaturmesse in Nürnberg am 15.12.2007. Im ersten Part referiert Bruhn und streift darin in gewohnter Polemik zahlreiche Aspekte zum Thema RAF und Deutscher Herbst: Das Attentat als Berufsrisiko für Politiker in der Klassengesellschaft, die RAF als Naturkatastrophe der bürgerlichen Gesellschaft usw. Er formuliert sowohl eine Kritik an der Aufregung über die RAF, als auch an der RAF selbst – diese hat, so Bruhn, dem revolutionären Projekt geschadet, da sie den Begriff der Charaktermaske ruiniert hat und zudem nicht auf die Aneignung von Reichtum, sondern auf das Anzünden von Kaufhäusern gesetzt hat. Zentral ist dabei auch der Antizionismus der RAF und der RZ. Jan Gerber versucht die RAF in eine Geschichte der Protestbewegung nach ’68 einzuordnen und kritisiert ebenfalls sowohl die Herrschaft, die, sobald es um die RAF geht, in ein Gestammel des gesunden Menschenverstandes verfällt, als auch die RAF selber, die er als »ideelle Gesamtlinke« bezeichnet. Ob es sich bei der Kritik der beiden an der RAF nun um eine »solidarische Kritik« handelt oder nicht, ist dann zentraler Gegenstand der Diskussion.
Am obigen Beitrag ist es also möglich nachzuprüfen, ob oder wie Joachim Bruhn und Jan Gerber die Gesprächskultur auf der linken Literaturmesse zerstört oder dies zumindest versucht haben – dies war nämlich der zentrale Vorwurf, mit dem schließlich der Ausschluss des ça ira Verlags von der linken Literaturmesse begründet wurde (siehe die Erklärung des ça ira Verlags). In einem Gespräch mit dem FSK haben dann Norbert von der AG Kritische Theorie und Joachim Bruhn ihre Sicht auf die Vorgänge des Ausschlusses geschildert. Das Interview enthält sowohl eine Vorstellung des ça ira Verlags als auch der AG Kritische Theorie, welche den ça ira Verlag damals auf der Literaturmesse vertreten hatte:
Nachprüfbar ist ebenfalls, ob Joachim Bruhns Seitenhieb gegen Jutta Ditfurths Ulrike-Meinhof-Biographie zutrifft, die er in seinem Vortragsteil als »Terror-Soap« unter dem Niveau bürgerlicher Geschichtsschreibung beschreibt und sie vor allem als Ideal- bzw. Wunschbiographie Ditfurths selbst versteht. In zwei Interviews mit Ditfurth erfährt man, neben einigen Details über die Person Meinhof und die bisherige Behandlung dieser Person im allgemeinen Kanon der bundesdeutschen Literatur und Presse, auch einiges über Ditfurth selbst: dass sie cool und mit Profis gegen Verleumdungen in der Presse vorgeht, wie sie aufopferungsvoll viele Jahre an dieser Biographie gearbeitet hat, dass Kunst, Literatur und Politik ihr Leben sind und dass sie meint, dass Veränderung und Gegenöffentlichkeit eher aus einer anderen Welt kommen (dass eine solche möglich ist, wissen wir ja bereits):
Die Göttinger Gruppe OLAfA hat in einem Anfang 2011 gesendeten, hörenswerten Radioprojekt Auszüge aus Schriften Jean Amérys zu einem fiktiven Interview komponiert. Améry (1912-1978), der als (areligiöser) Jude in der Résistance die Nazis bekämpfte und das KZ überlebte, berichtet in seinen Texten u.a. von seinen Erfahrungen als von Antisemiten Verfolgter und von seinem Engagement für die juristische Belangung der Täter nationalsozialistischer Verbrechen. Schließlich geht es auch um Israel und den Antizionismus der Linken.
Skript Teil 1: via AArchiv, via MF, via OLAfA (PDF)
Skript Teil 2: via AArchiv, via MF, via OLAfA (PDF)
Lieber Herr Professor, zuletzt wäre ich sehr viel lieber Baseler Professor als Gott; aber ich habe es nicht gewagt, meinen Privategoismus so weit zu treiben, um seinetwegen die Schaffung der Welt zu unterlassen…1
[…] wenn die Notstände Philosophie treiben, wie bei allen kranken Denkern – und vielleicht überwiegen die kranken Denker in der Geschichte der Philosophie -: was wird aus dem Gedanken selbst werden, der unter den Druck der Krankheit gebracht wird? […] Nicht anders als es eine Reisender macht, der sich vorsetzt, zu einer bestimmten Stunde aufzuwachen, und sich dann ruhig dem Schlafe überläßt: so ergeben wir Philosophen, gesetzt daß wir krank werden, uns zeitweilig mit Leib und Seele der Krankheit – wir machen gleichsam die Augen vor uns zu.2
Friedrich Nietzsche bejahte die Krankheit als Kraft der Erkenntnis, die den Gedanken unter Druck setzt und in der Genesung, im Moment des Erwachens, „den Geist auf der Tat ertappt“. Anekdotisch beginnt Thomas Mann seinen Vortrag über „Friedrich Nietzsche im Lichte unserer Erfahrung“ mit einer Auseinandersetzung mit Nietzsches eigener Krankheit. Der Schriftsteller und Weltbürger Mann referierte zur Eröffnung des XIV. Kongresses des internationalen PEN-Clubs am 3. Juni 1947 in Zürich über die Ambivalenz des Vermächtnis von Friedrich Nietzsche. Er gibt dabei zunächst einen biographischen Überblick, führt dann in das Werk Nietzsches ein, um ihm schließlich aus einer liberal-bürgerlichen Perspektive eine Affinität zum Nationalsozialismus nachzuweisen – nicht ohne auf humanistische und aufklärerische Züge Nietzsches hinzuweisen und hieraus eine Perspektive für seine Zeit zu eröffnen. Auch wenn es sich bei diesem Vortrag gewiss nicht um eine materialistische Kritik handelt, ist er ein sehr hörenswertes Zeitdokument. [Nebenbei sei auf einen kürzlich bei Beatpunk erschienenen Text über Nietzsches Sprachphilosophie hingewiesen – ähnlich wie Thomas Mann Nietzsche mit Oscar Wilde vergleicht, werden hier Nietzsche und Baudelaire gegenübergestellt.]
Download: via AArchiv (Mp3; 1:08:39; 26,9 MB)