In mehreren Beiträgen des Audioarchivs, die sich mit Prostitution auseinandersetzen, sind bisher eher sexarbeit-positive Positionen zu Wort gekommen:
Wir dokumentieren hier einen Beitrag, der eine dezidierte Kritik der Sexarbeit formuliert: Einen Vortrag von Naida Pintul, den diese im März 2018 in Stuttgart bei Emanzipation und Frieden gehalten hat. Im Vortrag schildert sie zunächst Erfahrungen aus ihrer Arbeit bei einer Beratungsstelle für Prostituierte und geht auf einige soziologische Daten zur Prostitution in Deutschland ein. Anschließend skizziert sie kurz Positionen von „klassischen“ MarxistInnen zur Prostitution: Alexandra Kollontai, Friedrich Engels, Clara Zetkin, Karl Marx und Rosa Luxemburg. Es folgen drei weitere Punkte: Wer sind eigentlich die Freier? / Was spricht gegen die Betroffenheitsperspektive? / Psychische Folgen und Mechanismen in der Prostitution.
Prostitution kann zu Recht als eines der Goldenen Kälber des Feminismus bezeichnet werden: Kaum ein Thema erzeugt innerhalb feministischer Kreise so viele, teils erbittert geführte Kontroversen. Der liberale und queere Feminismus der Dritten Welle hat sich mittlerweile die Deutungshoheit erobert, Prostitution in »Sexarbeit« umbenannt und ihr empowerndes, gar emanzipatorisches Potential zugeschrieben. So heißt es, dass selbstbestimmte Sexarbeit mit dem Feminismus nicht nur vereinbar, sondern per se auch feministisch sei. Veranstaltungen wie die Ladyfeste lassen regelmäßig Frauen referieren, die das Narrativ der glücklichen Sexarbeiterin bedienen, in aller Regel in individualistisch-liberaler Manier. Was hier oft zu kurz kommt, ist jedoch zum einen die Frage, wie Prostitution in ihrer aktuellen Ausprägung gesellschaftlich ermöglicht wird, zum anderen sind es die Stimmen derjenigen Frauen in der Prostitution, die nicht das Narrativ vom »Job wie jeder andere« bedienen. Der Vortrag wird Prostitution vor dem Hintergrund patriarchaler Geschlechterverhältnisse aufrollen und ein Grundgerüst liefern, um diese Institution über individuelle Betroffenengeschichten hinaus zu analysieren.
Naida Pintul arbeitet ehrenamtlich in einer Beratungsstelle für Frauen in der Prostitution und fokussiert sich in ihrer politischen Arbeit als Feministin in der Tradition der Zweiten Welle neben der Sexindustrie auf den Islam bzw. die islamische Bedeckung, in dessen Verklärung zum Empowerment-Tool seitens Queerfeministinnen sie Parallelen zum Umgang mit Prostitution sieht.
Eine Veranstaltung in Kooperation von Laboratorium und Emanzipation und Frieden [via]
- Download: via AArchiv (mp3; 59.1 MB; 43:05 min) | bei Youtube
Wir verweisen außerdem auf den Blog von Huschke Mau, in dem immer wieder Texte zur Kritik der Prostitution erscheinen – ihr Text „Ich habe die Schnauze voll“ hatte 2014 für einige Diskussionen gesorgt. Verwiesen sei außerdem auf einen Podcast, in dem Huschke Mau ausführlich zu Wort kommt und über ihre eigenen Erfahrungen als Prostituierte spricht: hier (Triggerwarnung: hier wird explizit und detailliert sexualisierte Gewalt beschrieben).