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Liebe und Anarchie

Als Nachtrag zu unserer Erich Mühsam-Reihe präsentieren wir euch einen Teilmitschnitt der von Rolf Cantzen gestalteten Langen Nacht, die im Deutschlandfunk am 06/07.04.2013 Lieder, Gedichte, theoretische Texte von und viel Biographisches über Erich Mühsam vorstellte. Unvollständig ist der Mitschnitt aus schierer Verplantheit – die erste der drei Stunden fehlt leider. Vielleicht kann jemand diese nachliefern?

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Update: Das ging schnell! Per Mail kam nun ein vollständiger Mitschnitt. Ich ergänze hier die erste Stunde:
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Liebe und Anarchie
Eine Lange Nacht über Erich Mühsam
Von Rolf Cantzen

Erich Mühsam (1878 bis 1934) saß zwischen allen Stühlen – fast sein ganzes Leben lang. Den schreibenden Bohemien in München und Berlin war er zu anarchistisch: Er agitierte Arbeiter und das Lumpenproletariat und wurde wegen diverser politischer Straftaten verurteilt.

Den ernsthaften Anarchisten war er zu sehr Boheme: Er dichtete zu unpolitisch, trank zu viel und vergnügte sich zu sehr – nicht nur, so der Vorwurf, mit Frauen. Nach dem Ersten Weltkrieg beteiligte er sich an der Münchener Räterepublik, redete vor Zehntausenden von Arbeitern und Soldaten.

Im Gegensatz zu vielen anderen Genossen überlebte Mühsam die Niederschlagung der Räterepublik. Weil Mühsam mit den Kommunisten kooperierte, um den Aufstieg des Nationalsozialismus zu verhindern, wurde er von vielen anarchistischen Freunden verlassen.

Weil er an der Staatskritik und am Individualismus der Anarchisten festhielt, wurde er von den Kommunisten als Kleinbürger kritisiert, auch noch nach seiner Ermordung in einem KZ nahe Oranienburg. Doch immer beschreiben ihn Zeitgenossen als einen herzlichen, großzügigen und gütigen Menschen.

Libertärer Literat und Lebemann #5

Glos­sen von und über Erich Müh­sam

Im letzten Jahr hat die Audioarchiv-Redaktion mit einer Themen-Reihe über den Anarchisten Erich Mühsam begonnen – Anlass war dabei die Herausgabe einer kritisch-historischen Edition der Tagebücher Mühsams im Verbrecher-Verlag (bisher erschienen Band 1, Band 2, Band 3), inklusive einer Online-Edition der Tagebücher. Zum Abschluss dieser Reihe soll es deshalb noch einmal (siehe auch Beitrag #1) um die Tagebücher Mühsams gehen. Zusätzlich findet ihr ein Feature über Mühsam, das kürzlich auf BR2 zu hören war.

9.) Am 18.12.2011 fand im Rahmen der Reihe „Die Untüchtigen“ in der Hamburger Hafenschenke „Golem“ eine Lesung aus dem ersten Band der Mühsam-Tagebücher (1910-1911) statt. Der Mitherausgeber der Tagebücher, Chris Hirte, hat die Lesung kommentiert und über die Entstehung der Tagebücher berichtet. Philipp Meier von Rouden hat ausführlich aus den Tagebüchern vorgetragen. Im Vordergrund der Lesung stehen dabei Erinnerungen Mühsams an seine Kindheit und Jugend, die wohl einige Bitterkeiten enthielten, sowie seine Münchner Bohéme-Zeit. Mühsam stellt darin einige Beobachtungen über das kulturelle und städtische Leben Münchens an, portraitiert einige Zeitgenossen, berichtet über seine Lebensumstände und notiert Einschätzungen der politischen Lage. Die auf dem AArchiv-Server gespeicherte Datei ist kleiner komprimiert, während die FRN-Version größer und daher auch besser im Radio verwendbar ist.

ERICH MÜHSAM »Tagebücher – Band 1 / 1910–1911«Livemitschnitt aus dem GOLEM (Hamburg) vom 18.12.2011 Gelesen von Philipp Meier von Rouden

Durch allerhand Anekdoten und Anmerkungen garniert sowie Kommentiert durch den Herausgeber Chris Hirte, der ebenfalls der Lesung beigewohnt hat.

15 Jahre lang, von 1910 bis 1924, hat Erich Mühsam, der berühmteste deutsche Anarchist, sein Leben festgehalten: ausführlich, stilistisch pointiert, schonungslos auch sich selbst gegenüber und niemals langweilig. Was diese Tagebücher so fesselnd macht, ist der wache Blick des Weltveränderers. Mühsam wollte Anarchie praktisch ausprobieren. Anarchie hieß für ihn: Leben ohne moralische Scheuklappen, ohne Rücksicht auf Konventionen – und er bewies, dass es geht. Auch das Schreiben ist Aktion, in allen Sätzen schwingt die Erwartung des Umbruchs mit, den er tatsächlich mit herbeiführt: Die Münchner Räterevolution ist auch die seine, und die Rache der bayerischen Justiz trifft ihn hart. Mühsams Tagebücher sind ein Jahrhundertwerk, das es noch zu entdecken gilt, sie erscheinen in 15 Bänden – und zugleich als Online-Edition. Die von Chris Hirte und Conrad Piens gewissenhaft edierten Textbände werden im Internet veröffentlicht, begleitet von einem Anmerkungsapparat mit kommentiertem Namenregister, Sacherklärungen, ergänzenden Materialien, Suchfunktionen – es entsteht eine historisch-kritische Ausgabe.
In dem ersten Band geht es vor allem um Mühsams zentrale Rolle in der Münchener Boheme.

Erich Mühsam, geboren am 6. April 1878 in Berlin, war ein Dichter und politischer Publizist. Er war maßgeblich an der Ausrufung der Münchner Räterepublik beteiligt, wofür er zu 15 Jahren Festungshaft verurteilt wurde. 1933 wurde er verhaftet und am 10. Juli 1934 im KZ Oranienburg von der SS-Wachmannschaft ermordet.

Chris Hirte war Mitherausgeber der Erich-Mühsam-Werkausgabe beim Verlag Volk und Welt (1978-1985). Seine Mühsam-Biographie erschien 1985 im Verlag Neues Leben. 1994 veröffentlichte er bei dtv München eine Auswahl aus den Tagebüchern. Seit 2009 arbeitet er gemeinsam mit Conrad Piens an der Gesamtausgabe der Tagebücher. [via]

    Download: via AArchiv (mp3; 45,1 MB; 1:33:53 h) | via FRN: Teil 1 / Teil 2 | hören bei Soundcloud

10.) Ebenfalls im Golem fand am 08.04.2012 eine musikalische Lesung statt, die von äußerst prominenten Sprechern und Musikern gestaltet wurde – teilgenommen haben Thomas Ebermann, Harry Rowohlt, Frank Spilker (Die Sterne), Knarf Rellöm und Manuel Schwiers (School of Zuversicht). Dabei wechseln sich Auszüge aus Mühsams Tagebüchern mit musikalischen Beiträgen ab, die zum Teil aus Vertonungen von Mühsams Gedichten, zum Teil aus Bearbeitungen und Interpretationen von Mühsams Texten bestehen. Zusätzlich steht eine Lesung zum gleichen Thema und mit gleicher Besetzung (aber leicht differierendem Inhalt) zur Verfügung, die bereits 2010 im Festsaal Kreuzberg stattfand – bearbeitet und kommentiert vom Dschungelfunk.

    Download:

    A.) Hamburg: via AArchiv (mp3; 369,4 MB; 2:33:54 h) | bei Soundcloud hören

    B.) Kreuzberg: via FRN: Teil 1, Teil 2 | per Stream via Dschungelfunk | via RS

Eine Rezension zum ersten Band der Mühsam-Tagebücher findet sich hier.

11.) Das Leben schreit!Ein Feautre über Erich Mühsam von Carola Zinner. In diesem hörenswerten Feature erhält man einen Überblick über Mühsams Leben und seine Aktivitäten – vor, während und nach der Münchner Räterepublik. Es sind Auszüge aus politischen Reden Mühsams, so wie aus sehr persönlichen Reflexionen zu hören. Unter anderem kommen sein Biograph Günther Gerstenberg, so wie seine Frau Zenzl Mühsam im O-Ton zu Wort.

Erich Mühsam – der „Schwabinger Kaffeehausliterat“ mit scharfem Verstand und ausschweifendem Liebesleben. In die Geschichte eingegangen aber ist Mühsam vor allem als Vertreter der Münchner Räterepublik und – als eines der ersten Opfer in einem nationalsozialistischen Konzentrationslager. [via]

    Download: via BR2 | via Mediafire (mp3; 20,6 MB; 21:22 min)

Dies, meine Damen und Herren, ist im Übrigen der 600. Audio-Beitrag im Audioarchiv. Daher gibt es untenstehend eine kleine musikalische Zugabe: Weiterlesen

Libertärer Literat und Lebemann #4

Glos­sen von und über Erich Müh­sam

7.) 1920 bis 1924 saß Erich Mühsam, dessen einziges Verbrechen darin bestand, an einem sozialrevolutionären Versuch der Abschaffung von Herrschaft und Ausbeutung beteiligt gewesen zu sein, wie viele andere zur Strafe in Festungshaft ein (gemeint ist die Münchner Räterepublik – siehe dazu Beitrag 4 der Reihe). Auch dort wollte er auf die Abfassung seines Tagebuchs nicht verzichten, selbst nachdem der reaktionäre Strafvollzug sich dieser seiner privaten Aufzeichnungen wiederholt bemächtigt hatte, um sie, teilweise öffentlich, gegen ihn und seine GenossInnen zu verwenden. Von diesem Zermürbungsversuch und den wenig erfolgreichen Versuchen Mühsams, mit ihnen umzugehen, handelt ein hörenswertes Feature von Johannes Ullmaier. Unter dem Titel »Selbstgespräche mit der Macht« vollzieht er den gesamten Prozess nach und reflektiert durchgängig auf die Frage, »inwieweit das, was im Rückblick als Entgleisung präfaschistischen Klassenjustizvollzugs erscheint, heute mit den Möglichkeiten digitaler Überwachung nicht allgemeiner Standard zu werden droht und wie man sich dagegen wehren kann«.

Weitere Informationen zu Feature und Autor:

Selbstgespräche mit der Macht. Erich Mühsams Tagebücher
BR Nachtstudio vom 17.01.2012

Vier Jahre saß der Dichter Erich Mühsam in Ansbach in Festungshaft, vier Jahre, in denen er fleißig Tagebuch führte. Mehrmals hat die Gefängnisleitung das Buch konfisziert. Das hat den Autor und seinen Text sehr beeinflusst.

Die schlimmen und absurden Konsequenzen, die daraus erwuchsen, werfen die Frage auf, inwieweit das, was im Rückblick als Entgleisung präfaschistischen Klassenjustizvollzugs erscheint, heute mit den Möglichkeiten digitaler Überwachung nicht allgemeiner Standard zu werden droht und wie man sich dagegen wehren kann. Johannes Ullmaier durchleuchtet Erich Mühsams Tagebücher in der Festungshaft von 1920 bis 1924 auch unter dem Aspekt des Vorscheins digitaler Überwachung durch den Staat.

Außergewöhnliche Tagebücher

Unter den vielen Arten, tägliche Aufzeichnungen zu führen, bilden die ca. 10.000 Seiten, die Erich Mühsam ab 1910 beschrieben hat, einen einmaligen Fall. Chris Hirte, Herausgeber der bislang veröffentlichten Teile, hat sie als „Selbsterziehung eines Anarchisten“ charakterisiert, als unermüdlichen Versuch, eine ordnende Reflexionsinstanz in den eigenen, turbulenten Lebensvollzug einzuziehen. Abgesehen davon diente das Tagebuch dem Dichter auch als Werkstatt für bei Gelegenheit ’spontan‘ zu verschießende Bonmots und künftige Publikationen, mit dem Effekt, dass der Stil zwischen Mühsams Tagebuch und seinen Veröffentlichungen, anders als etwa bei Thomas Mann, kaum differiert: Seien es heimlichste Geständnisse oder leitartikelnde Pamphlete, überall hört man den schwungvollen Rhetor; immer spricht er wie vor einem Auditorium.

Was ist privat, was ist öffentlich?

Nach der Konfiszierung seines Tagebuchs schreibt Erich Mühsam weiter, allerdings mit einem anderen Bewußtsein. Von nun an schreibt er immer mit der Angst im Hinterkopf, dass sein Tagebuch jederzeit von den Gefängniswärtern gelesen werden könnte. Dieses private Schreiben im Schein der Öffentlichkeit in den 1920er Jahren vergleicht Johannes Ullmaier in dieser Sendung mit dem unseren Tagebuch und Blogeinträgen heute. Denn heute ist, zumindest alles Schreiben im digitalen Raum, tendenziell immer öffentlich, genauso wie jedes Foto, jeder Film und jeder Ton jedezeit im Internet auftauchen kann. Was ist dann aber noch privat?

Erich Mühsam war Schriftsteller und Politiker. Er gehörte zu den wesentlichen Protagonisten der Münchner Räterepublik 1919. Geboren am 6. April 1878 in Berlin, am 10. Juli 1934 von SS-Männern im KZ Oranienburg ermordet. Erich Mühsam schrieb Dramen, Lyrik und Lieder. Außerdem war er als Journalist und Publizist tätig.

Über den Autor:
Johannes Ullmaier, Literaturwissenschaftler, als Akademischer Rat am Deutschen Institut der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Mitbegründer und -herausgeber des Magazins „testcard„, Autor des Buches „Von Acid nach Adlon und zurück“ (2001).

Download: via BR | via MF (~1 h, 55 MB)

8.) Johannes Ullmaier hat bereits 2008 beim Chaos Computer Club einen Vortrag zum selben Thema gehalten: »Erich Mühsams Tagebücher in der Festungshaft. Ein Idyll aus der Analogsteinzeit der Überwachung«. Vermutlich ist das Feature hörenswerter als Vortrag.

Libertärer Literat und Lebemann #3

Glos­sen von und über Erich Müh­sam

5.) Die Psychologie der Erbtante: Wir nähern uns nun langsam dem literarischen Vermächtnis Erich Mühsams, wobei es sich doch bei seinem Buch »Die Psychologie der Erbtante« (1905) um eine streng wissenschaftliche Abhandlung handelt, zu der sich Mühsam durch eine chronische Finanznot getrieben sah. In alphabetischer Reihenfolge präsentiert uns Mühsam die Ergebnisse empirischer Forschung über das Erbtantenwesen und lotet von Fall zu Fall die Möglichkeiten der – dann doch immer misslingenden – Erberschleichung aus…

Wir verweisen auf zwei Versionen:

  1. Gelesen von Wolfram Huke, mit Musik von Robert Elvin und Richard Walker: via etwas ist immer (zip, 136 min, 150 MB) | via Mediafire
  2. Gelesen von Herbert Schäfer, via DSR 2: Teil 1 (33:20 min; 30,7 MB), Teil 2 (34:56 min; 32,1 MB), Teil 3 (33:17 min; 31 MB), Teil 4 (34:00 min; 16,1 MB) | via Mediafire

6.) Die Affenschande: Auch die Kurzgeschichte »Die Affenschande« (als Text via zeno.org: Teil 1 | Teil 2) handelt von Familien-Verhältnissen, wobei es eher um die Verwandschaft zwischen Menschen und Affen geht: Nelly Pritschke, eine empirisch forschende Zoologin, überredet ihren künftigen Gatten, den asketischen Moralisten Felix Klötschipper, dazu, an einem zoologischen Experiment zur Erforschung der Ähnlichkeit von Menschen und Affen teilzunehmen. Ein Experiment mit unerwarteten Folgen… Die Geschichte ist ein spöttischer Schlag gegen die Naturforscher der Rassenhygiene. Hier gelesen von Steffen Lukas:

    Download: via Vorleser.net (mp3; 19,9 MB; 21:41 min) | via Mediafire

Libertärer Literat und Lebemann #2

Glossen von und über Erich Mühsam

3.) Erich Mühsam – Ein Leben für die Revolution – Ihr hört einen Vortrag von Johannes K.F. Schmidt, den dieser 2007 im Rahmen einer Veranstaltungsreihe der Anarchistischen Gruppe Mannheim gehalten hat. Er führt in einige theoretische Aspekte des Anarchismus Mühsam’scher Prägung ein, spricht über sein Verhältnis zur Sozialdemokratie, Parlamentarismus, Reformismus so wie Gewalt und gibt einen kleinen Exkurs zur Geschichte der Gasbeleuchtung. Er berichtet außerdem über Mühsams Versuch der Organisation des Subproletariats und weitere revolutionäre Umtriebe, behandelt einige literarische Erzeugnisse und Theaterstücke und rezipiert selbst ein paar Schüttelreime. Er streift die Münchner Ereignisse von 1919 und spricht über Mühsams Berührungen mit der Justiz. Insgesamt ein eher essayistischer Vortrag im authentisch-anarchistischen Sinne.

    Download: via AGM (ogg; 55,3 MB; 56:12 min) | via AArchiv (mp3; 32,1 MB; 56:05 min)

4.) 17 Grad / Ausgabe 85: Münchner Räterepublik: Da Johannes K.F. Schmidt die Geschichte der Münchner Räterepublik nur streift, fügen wir einen Beitrag zu diesem Thema hinzu: in einer Audio-Collage gibt die Redaktion 17 Grad einen Überblick über die Ereignisse in München 1919. Dabei wechseln sich chronologische Berichte über die Ereignisse mit der Verlesung von damals verbreiteten Flugblättern, Bekanntmachungen und Proklamationen.

    Download: via Mediafire (mp3; 82,3 MB; 59:56 min)

Libertärer Literat und Lebemann #1

Glossen von und über Erich Mühsam

Als Anarchokommunist, der es geschafft hat, es sich mit anarchistischen und kommunistischen Organisationen gleichermaßen zu verscherzen, scheint uns Erich Mühsam nicht die unsympathischste historische Gestalt der deutschen Linken zu sein. Deshalb möchten wir hier in loser Folge auf biographische Features, Lesungen und Vorträge aufmerksam machen, die sich mit Mühsams Leben und Schaffen beschäftigen. Bei der Aufarbeitung des Materials hat uns Mühsam mitunter zum Lachen gebracht, wobei klar ist, dass sein theoretisches Wirken auch eine kritische Betrachtung verdient; es handelt sich aber auch um einen sehr ernsten Teil einer unabgegoltenen und abgebrochenen Geschichte, wenn man sich gewahr wird, welches Schicksal damit verbunden ist. Anlass für die Idee zu dieser Reihe, für die wir inzwischen eine ganze Menge Material gesammelt haben, war die Herausgabe seiner Tagebücher, die 2011 beim Verbrecher Verlag begonnen hat.

1.) Poesie und Revolution: Ihr hört zuerst ein biographisches Feature von Kurt Kreiler. U.a. kommen darin Lotte Loebinger und Augustin Souchy zu Wort, die Mühsam persönlich gekannt haben; es sind einige Auszüge aus theoretischen Texten und aus Tagebucheinträgen, sowie Vertonungen seiner Gedichte zu hören. Man erfährt einiges über seine Liebesaffären und finanzielle Probleme, sein Engagement gegen den Krieg, seine Tätigkeit in der Novemberrevolution und der Münchner Räterepublik – schließlich über seine Haft, seinen Zwist mit Parteikommunismus und Sozialdemokratie und seinen Kampf gegen die Nazis, die ihn brutal gefoltert und 1934 ermordet haben.

    Download: via Mediafire (mp3; 54,8 MB; 59:52 min)

2.) 17 Grad / Ausgabe 115: Erich Mühsam: Die 17-Grad-Redaktion hat einige interessante Tagebucheinträge von Erich Mühsam aus den 1910er Jahren herausgesucht und vorgelesen. Man erfährt Persönliches, aber auch Einschätzungen Mühsams zu politischen Entwicklungen seiner Zeit und zur Entwicklung proletarischer Kämpfe in Deutschland – zwischen verächtlichem Spott über die deutsche Arbeiterbewegung und überraschter Sympathie für selbstorganisierte Gegenwehr der Arbeiter. Zudem ist eine ausführliche Auslassung über den Vegetarismus enthalten. Die vollständige Sendung wird auf der Homepage von 17 Grad zur Verfügung gestellt, auf dem AArchiv-Server findet ihr eine nachbearbeitete Version, in der die Musik herausgeschnitten ist.

Liebe Zuhörerinnen, geschätzte Zuhörer: wenn jemand der ehemaligen Reichs- und heutigen nur –hauptstadt weniger zugetan ist als der Bayerischen, wenn einer Vegetarier und andere Abstinent- und Verzichtler verspottet, wenn er es schafft, sich sowohl mit anarchistischen als auch mit kommunistischen Organisationen zu überwerfen, ohne politischen Verve einzubüßen, dann kann das kein so schlechter Mensch sein. Gewesen sein, müsste man genauer sagen. Denn der Anarchist und gleichzeitige Bohemian Erich Mühsam wurde 1934 von den Nazis im KZ Oranienburg ermordet. Dieser Tage erscheint nun der erste Band seiner Tagebücher im Berliner Verbrecherverlag. Die Berliner Morgenpost nennt dies ein literarisches Mammutprojekt, immerhin sind insgesamt 15 Bände und damit ca. 7000 Seiten geplant. Wir nennen es – bodenständig wie wir sind – großartig, wollen aber, wenn es um den vollbärtigen Zausel aus Lübeck geht, der während der Münchner Räterepublik so einiges auf die Beine gestellt und unter die Tische getrunken hat, von der Prämisse der werbefreien Sendungen Abstand nehmen: Sie hören in der Folge eine Reklame in Reinkultur, eine Hommage an den Autor mit seinen eigenen Worten quasi. Kaufen Sie diesen und die folgenden 14 Bände. Und wenn Sie dann noch Barmittel übrig haben: Sie wissen ja, wo Sie unsere Spendenaktion „Pate 2.0“ im Netz finden. [via]

    Download: via 17 Grad (mp3; 82,3 MB; 59:56 min) | via AArchiv (nachbearbeitet; 19,1 MB; 33:19 min)