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Der eindimensionale Mensch wird 50

Vor 50 Jahren erschien Herbert Marcuses »Der eindimensionale Mensch«, ein Text der dem studentischen Protest um 1968 die Stichworte (»Große Weigerung«) lieferte und zu einem der meistgelesenen Bücher jener Zeit avancierte. Nun ist nicht nur bei zu Klampen eine Neuausgabe erschienen, sondern wurde auch mit Hilfe eines Konzerttheaters an den Text erinnert. Aus Anlass der von Thomas Ebermann konzipierten Tournee sprachen Dietmar Dath und Hermann Gremliza mit den Künstlern (neben Ebermann; Robert Stadtlober und Andreas Spechtl) der Inszenierung. Der Text ist in der konkret zu finden, die Audioaufnahme hier.

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Konsumkritik als subversive Praxis oder kapitalistische Selbstoptimierung?

Anfang September fanden in Leipzig knapp 3000 Menschen zusammen, um über das Wachstum der kapitalistischen Ökonomie zu diskutieren. „Degrowth“ hieß die Konferenz, deren Tenor auch über Leipzig hinaus zu vernehmen war: Trotz Wachstumsdogma geht es den Leuten beschissen. Stattdessen solle die Schrumpfung von Produktion und Konsum ein Leben ohne Angst und Zwang ermöglichen. Kritikerinnen, allen voran aus dem Umfeld der translib, warfen ein, dass keiner der Ansätze von Degrowth ein besseres Leben herbeiführen wird. Man wolle den Kapitalismus gesund schrumpfen, träume den Traum einer „natürlichen Wirtschaftsordnung“, eines Kapitalismus mit menschlichen Antlitz. Man predige Verzichtsideologie, Asketismus, während die Schrumpfung in Griechenland, Spanien und anderswo, längst angeordnete Realität ist. Die Gruppe Kritische Intervention aus Halle fragte ebenfalls danach, woher die Attraktivität eines solchen Spektakels rührt und hat Ulrich Schuster und Lydia Jacobi (Roter Salon, Leipzig) eingeladen, um über den Gehalt und die Übergänge der Postwachstums- und Konsumkritikbewegung in affirmative Denk- und Verhaltensweisen zu sprechen. Dabei kritisieren die Beiden die Postwachstumsbewegung und Konsumkritik als Teil einer immanenten Bestätigung des schlechten Bestehenden, als Vorreiter des Kapitalismus.

Lebensmittel aus ökologischer Landwirtschaft, vegetarische und vegane Kost, fair gehandelte Produkte, sauberer Strom, Tauschbörsen und Aufrufe zum Shoppingverzicht – der Trend geht zum kritischen Konsumbewusstsein. Längst hat Konsum- und Wachstumskritik die Nischen des politischen Aktionismus und der Subkultur verlassen. Die im September in Leipzig durchgeführte degrowth-Konferenz wurde nicht nur von etablierten Stiftungen und staatsnahen Bildungseinrichtungen unterstützt, es kamen auch Tausende, um dabei zu sein.
Doch worauf zielt eine Bewegung, deren Aufrufe zum Maßhalten und Verzicht die ohnehin gestressten Individuen zu mehr Selbstkontrolle anhalten? Was kommt heraus, wenn sich die Kritik nicht gegen Standortkonkurrenz und Mehrwertproduktion wendet, sondern glaubt das kapitalistische Wachstumsmonster durch „Widerstand gegen sich selbst“ und gelebte Utopien besänftigen zu können?
Gegenüber der Aufmotzung der als Spektakel daherkommenden Konsumkritik zur Befreiungsperspektive ist Skepsis angebracht. Doch worauf läuft sie hinaus? Dem Unbehagen an den negativen Folgen der kapitalistischen Warenwelt für den Menschen und dem Wunsch, nachhaltig zu leben, lässt sich angesichts der Produktion von Giftmüll und minderwertigen Lebensmitteln und im Wissen um den Raubbau an Naturressourcen nicht jegliches kritisches Potential absprechen.

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Vor dem Referat sprach Radio Corax mit einem der Referenten, mit Ulrich Schuster.

EDIT: Bereits Anfang September lud die IG Robotercommunismus zu einer Veranstaltung in Leipzig unter dem Titel: „Bhutan: Fluchtpunkt der Postwachstumsbewegung – Ein ideologiekritischer Kommentar zur Harmony, zur Happiness und zum Horror der Degrowth-Bewegung“. Im ersten Teil werden einige Erfahrungen mit Degrowth-Aktivisten geschildert. Im zweiten Teil versucht der Referent den autoritären Charakter der Postwachstumsideologie aus scheinbar randständigen Details herauszuarbeiten. Abschließend gibt es noch eine längere Diskussion.

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Thomas Ebermann – Widerstand gegen sich selbst

Die technische Qualität ist nicht die Beste, der Mitschnitt bricht abrupt ab und das Gesagte ist recht anekdotisch. Dennoch sind die Ausführungen von Thomas Ebermann zur Konsumkritik als kapitalistische Selbstoptimierung aus dem Conne Island eine Empfehlung.

Über kapitalistischen Realismus

Inkasso Hasso (Radio Corax) hat ein hörenswertes Feature zusammengestellt, das sich mit dem Verhältnis von Warenästhetik, Kulturindustrie, Kritik und revolutionärem Potential auseinandersetzt. Manfred Prisching (Soziologe, Graz), Diedrich Diederichsen, Tilman Reitz (Soziologe, Jena), Schorsch Kamerun (Sänger, Autor, Theaterregisseur) und Ulrich Bröckling (Soziologe, Halle) sprechen darin über Konsumismus, Gegenkultur und die Funktion von Kritik und Kreativität für den Kapitalismus. Das Feature ist an das im letzten Jahr erschienene Buch „Kapitalistischer Realismus“ angelehnt, in dem einige der zu Wort Kommenden einen Beitrag veröffentlicht haben.

Das neueste Arrangement des marktwirtschaftlichen Systems ist das Eindringen des Freizeitvokabulars in die Arbeitswelt: Kreativität und Selbstbestimmung, einst emanzipatorische Kategorien, sind mittlerweile Vorraussetzung für den kapitalistischen Konkurrenzkampf. Wo einst der Arbeiter am Fließband stand, im schweren Kapitalismus, stehen nun mobile Arbeitskräfte, auf den ersten Blick selbstorganisierte Einheiten. Es ist immer schwieriger eine Grenze zwischen Freizeit und Arbeitszeit zu ziehen. Meetings finden in lockerer Freizeitatmosphäre statt, durch das Internet wird jeder Ort jederzeit zum potentiellen Produktionsort und wichtige Entscheidungen werden immer öfter beim Feierabendbier oder Afterwork-Cocktail getroffen. Eine Collage über die Auswüchse des „leichten Kapitalismus“, die Ideologie des Konsumismus, Subversionsstrategien und Möglichkeiten widerständiger Praxis. [via FRN]

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