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Zur marxistischen Kritik des Kolonialismus und Rassismus

1.) Negrophobie – Grundsätzliches zum Rassismus gegen schwarze Menschen

Im ersten Teil seines Vortrags, den Dennis Schnittler am 18.04.2019 in der Translib Leipzig gehalten hat, rekonstruiert er den Zusammenhang von Kapitalismus und Kolonialismus, wie daraus eine globale Trennung innerhalb des Proletariats entsteht und wie dies im Rassismus naturalisiert wird. Im zweiten Teil stellt er einige psychoanalytische Überlegungen an, wobei es insbesondere um sexuelle Projektionen auf Schwarze geht. In einem dritten, politischen Teil geht es um die Stellung der Geflüchteten in der bundesdeutschen Ökonomie und wie darauf aus kommunistischer Sicht zu reagieren wäre. Der Vortrag basiert in großen Teilen auf einem Beitrag, den Schnittler zum Sammelband „Freiheit ist keine Metapher – Antisemitismus, Migration, Rassismus, Religionskritik“ (Querverlag) beigetragen hat. Überlegungen zum Thema gibt es auch auf dem Blog marias first und einen Podcast zum Thema hier.

Die stereotypen Ressentiments, die viele weiße Menschen gegen schwarze Menschen hegen und das Phänomen des anhaltenden, weit verbreiteten Rassismus überhaupt werden heutzutage primär soziologisch und psychologisch gedeutet. In den Vorstellungen, auch linker Antirassistinnen und Antirassisten, erscheint der Rassismus immer wieder als eine Art ‚toxischer Volksglaube’, als bloße Herrschaftsideologie, die mit engagierter Aufklärung und staatlichen Antidiskriminierungsmaßnahmen aus der Welt geschafft werden könnte. Dass dies so nicht funktionieren kann, zeigen die diversen, rassistisch motivierten Angriffe, z.B. gegen geflüchtete Menschen. Es reicht jedoch nicht aus, die traurige Don Quijoterie vieler bürgerlich-antirassistischer und linksradikaler Kampagnen zu bejammern und den mangelhaften Interpretationen des Phänomens zu widersprechen. Was zu bewerkstelligen wäre, ist zuvorderst eine materialistische und historische Untersuchung des negrophoben, bzw. rassistischen Syndroms, das über alle gesellschaftlichen Entwicklungen hinweg, in allen „zivilisierten“ Ländern des Westens, mindestens in den letzten 150 Jahren, in seinem Charakter weitgehend gleich geblieben ist.

Dabei sind zwei Fragen zentral:

1. Warum hat der Rassismus gegen Schwarze seine grundsätzlichen Wesenszüge beibehalten, obwohl sich die kapitalistische Gesellschaft immer wieder verändert hat und Schwarze inzwischen alle Rechte innehaben und nahezu alle Bastionen erobert haben, die zuvor häufig nur Weißen vorbehalten blieben?

2. Aus was besteht der gesellschaftliche Nährboden, aus dem sich die rassistisch-stereotypen Denkweisen speisen, die sich immer wieder (v.A. in Zeiten der persönlich erlebten, gesellschaftlichen Krise) zum mörderischen Hass aufpeitschen?

Dennis Schnittler ist Autor gesellschaftskritischer Texte und Vorträge und unterhält den Blog Marias First. Zuletzt beschäftigte er sich mit Verschwörungstheorien. Der Vortrag umfasst einen ökonomischen, einen psychoanalytischen und einen politischen Teil und dauert circa 120 Minuten. Zum Vortrag gehört ein ausführlicher Reader, der hier heruntergeladen werden kann und bei der Veranstaltung ausliegen wird. Nach dem Vortrag kann diskutiert werden.

Triggerwarnung/FSK: Der Vortrag enthält die Darstellung drastischer rassistischer und sexueller Gewalt und die Nennung diverser rassistischer Begriffe in Wort und Bild und ist deswegen nur für erwachsene Menschen ab dem 18. Lebensjahr geeignet.
(via)

    Download: via AArchiv (mp3; 105 MB; 1:16:50 h) | hören bei Youtube

Gruß an S. von L. aus Halle.

2.) Black Marxism

In einem Vortrag, den Christian Frings 2013 bei den linken Hochschultagen in Zürich gehalten hat, arbeitet er Schwachstellen in der marx’schen Theorie heraus: Marx habe keinen ausreichenden Begriff von Kolonialismus und Sklaverei gehabt, reproduziere Vorstellungen von „geschichtslosen Völkern“ und halte Kolonialisierung zum Teil für einen notwendigen Zwischenschritt innerhalb einer Fortschrittsgeschichte. Gleichzeitig verweist Frings auf einen antikolonialistischen Ansatz in Marxens Werk, der u.a. im Fetischkapitel sichtbar wird. Im Anschluss daran gibt er einen Überblick über den „Black Marxism“ (in Anschluss an das Buch „Black marxism: the making of the black radical tradition“ von Cedric Robinson). Dabei geht es insbesondere um den Versuch, den Zusammenhang von Kapitalismus und Sklaverei zu fassen, und u.a. um die Geschichte schwarzer Arbeiterrevolten in den USA und der Revolution in Haiti (siehe: Hegel und Haiti). Ein Text von Frings über Sklaverei und Lohnarbeit findet sich hier.

Mit dem Beginn der weltweiten ökonomischen Krise seit 2007 findet die radikale Kapitalismuskritik von Marx wieder größeres Interesse. Ihr Anspruch war und ist es, in den Widersprüchen der heutigen Gesellschaft Bedingungen und Möglichkeiten einer allgemeinmenschlichen Emanzipation zu finden. Aber dieser Anspruch auf universelle und damit wirklich globale Befreiung bricht sich an westlichen oder eurozentristischen Prägungen dieser theoretischen Kritik, die oftmals ausgeblendet bleiben. Marx und Engels hatten von Hegel unreflektiert dessen Begriff der „geschichtslosen Völker“ übernommen, von dem sie sich erst unter dem Eindruck der großen außereuropäischen Sozialrevolten der 1850er Jahre (der Sepoy-Aufstand in Indien 1857 und die Taiping-Revolte in China 1850-1864) und durch die Orientierung am antikolonialen Kampf der Iren teilweise lösen konnten. Ebenso ungeklärt bleibt in Marx‘ Kritik die Bedeutung des rassistisch eingefärbten globalen NordSüd-Gefälles, und damit auch der modernen Sklaverei, für das Funktionieren und Überleben des kapitalistischen Weltsystems. An dem heutigen Wendepunkt der Weltgeschichte, an dem sich die revolutionäre Dynamik unabweisbar im globalen „Süden“ entfaltet, muss sich die Linke in den Metropolen mit den eurozentristischen Grenzen der Marxschen Kritik auseinandersetzen, gerade um an ihrer radikalen Entmystifizierung der Fetischgestalten des Kapitals festhalten zu können. Im Vortrag sollen auf den Spuren eines „Black Marxism“ (Cedric Robinson) Ansatzpunkte und Perspektiven einer solchen Überwindung metropolitaner Begrenztheiten der Kapitalismuskritik dargestellt und diskutiert werden. (via)

    Download: via AArchiv (mp3; 168 MB; 2:02:34 h) | hören bei Youtube

Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg

Am Zweiten Weltkrieg waren mehr Soldaten aus der Dritten Welt beteiligt als aus Europa. Die Schlachtfelder des Zweiten Weltkriegs erstreckten sich auch über Nordafrika, den Nahen Osten, Südostasien und Ozeanien. Soldaten aus den Kolonien kämpften (meist zwangsrekrutiert) auf Seiten der Alliierten, in den Kolonien wurden Menschen zur Kriegsproduktion gezwungen. Aber es gab auch Kollaborateure in der Dritten Welt, die sich durch eine Zusammenarbeit mit den Nazis Vorteile erhofften und teils deren Ideologie übernahmen. Obwohl sich der Zweite Weltkrieg gerade deshalb als Weltkrieg auszeichnet, weil durch ihn die Peripherie unweigerlich in das Weltgeschehen hineingezogen wurde, spielt ein Zusammenhang mit der Dritten Welt im europäischen Gedächtnis kaum eine Rolle. Wir dokumentieren hier mehrere Beiträge, die sich mit der Rolle der Dritten Welt im Zweiten Weltkrieg auseinandergesetzt haben.

1. Unsere Opfer zählen nicht. Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg

Im März 2005 hat das Rheinische JournalistInnenbüro nach jahrelangen Recherchen ein Buch über die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg herausgegeben. Wir dokumentieren hier den Vortrag eines Mitautors dieses Buches – Karl Rössel -, den dieser im Mai 2009 in Freiburg gehalten hat. Darin wirft er einige Schlaglichter auf die Kriegsschauplätze in der Dritten Welt, wobei er sich vor allem auf Afrika konzentriert. Er schildert Verläufe von einzelnen Gefechten, berichtet über die Behandlung von Kolonialsoldaten und von afrikanischen Kollaborateuren der Nationalsozialisten, es geht um Zwangsarbeit für die Kriegsproduktion und Kriegsverbrechen in den Kolonien. Als Quellen nennt Rössel u.a. das Buch „Hitlers afrikanische Opfer“ von Raffael Scheck sowie den afrikanischen Historiker Joseph Ki-Zerbo. Der Mitschnitt stammt aus einer Radiosendung von Radio Dreyeckland.

    Download: via AArchiv (ohne Musik; mp3; 39.9 MB; 43:36 min) | via MF (mit Musik; mp3; 51.3 MB; 56:02 min)

Kurz nach der Veröffentlichung des Buches „Unsere Opfer zählen nicht“, hat Radio Dreyeckland ein Interview mit der Mitautorin Birgit Morgenrath geführt. In diesem Interview gibt sie einen Einblick in die Motivation und Methode der Forschungsarbeit des Rheinischen JournalistInnenbüros und führt noch einmal einige Aspekte der Verstrickung der Dritten Welt in den Zweiten Weltkrieg an.

    Download: via AArchiv (mp3; 7.8 MB; 16:58 min)

Mit den Ergebnissen seiner Recherchen hat das Rheinische JournalistInnenbüro außerdem eine Wanderausstellung zusammengestellt, die seit 2009 in mehreren Städten zu sehen war. Als diese Ausstellung 2012 im Historischen Museum Frankfurt zu sehen war, hat Heike Demmel ein hörenswertes Feature produziert, das auf Radio Z zu hören war. In der Sendung werden noch einmal Schlaglichter auf Zusammenhänge und Ereignisse des Zweiten Weltkriegs in der Dritten Welt geworfen. Neben Kommentaren von Karl Rössel sind einige Interviews und O-Töne aus den Hörstationen der Ausstellung zu hören.

    Download: via AArchiv | via Radio Z (mp3; 21.7 MB; 23:43 min)

Das Projekt „Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“ hat außerdem eine Webpräsenz, auf der neben ausführlichen Informationen, Verweisen und Quellenangaben auch zahlreiche O-Töne von Zeitzeugen zum Anhören zur Verfügung stehen. Eine Kritik an der Ausstellung aus post-kolonialer Perspektive, die auf Radio Unerhört Marburg gesendet wurde, kann hier nachgehört werden.

2. Erinnerung und Erkenntnis. Der Zweite Weltkrieg in peripherischer Perspektive

Dan Diner (u.a. Simon-Dubnow-Institut Leipzig) hat gemeinsam mit einer Forschungsgruppe gerade ein Projekt begonnen, das sich mit einer Globalgeschichte bzw. mit einer Gedächtnisgeschichte des 2. Weltkriegs auseinandersetzt. Aspekte dieser Forschungsarbeit hat Diner am 20.11.2014 auf Einladung des Wiesenthal-Instituts für Holocaust-Studien in Wien vorgestellt. Er legt in diesem Vortrag an einzelnen Ereignissen und Personen dar, dass der Zweite Weltkrieg in der Erinnerung der kolonialisierten Länder eine andere Bedeutung einnehmen musste, als in Europa. Dies rekonstruiert er u.a. an einer Debatte zwischen Gandhi und Martin Buber und an einem Briefwechsel zwischen Jacques Derrida und Pierre Nora. In der historischen Darstellung konzentriert sich Diner vor allem auf Frankreich und die französischen Kolonien, weil sich in Frankreich kontinentale und koloniale Geschichte auf exemplarische Weise miteinander verknüpften. Außerdem legt Diner einen Focus auf die jüdische Erinnerung an den zweiten Weltkrieg und rekonstruiert, wie durch die kolonialen Grenzziehungen auch auseinandertretende Perspektiven innerhalb des Judentums entstanden sind.

Die Globalisierung der Lebenswelten zieht die Globalisierung von Gedächtnissen nach sich. Damit werden nicht nur Fragen gemeinsamer, verschiedener wie gegenläufiger Erinnerungen aufgeworfen. Auch die Geltung wie die Reichweite dessen, was gemeinhin unter Geschichte verstanden wird, bedarf globalisierender Erwägungen. Dies gilt nicht zuletzt für derartig einschneidende Ereignisse wie den Holocaust. Ist seine Bedeutung als negatives Kernereignis des kontinentaleuropäisch-transatlantischen Kulturzusammenhanges universalisierbar? Lassen sich die von ihm ausgehenden Konsequenzen im Bereich von Moral und historischem Urteilsvermögen übertragen? Der Vortrag unternimmt den Versuch, die Koordinaten der Ereignisgeschichte des Zweiten Weltkrieges neu in den Blick zu nehmen und sie in globalisierender Absicht zu justieren. Dabei werden die Stränge kontinentaler und kolonialer Ereignisse in ihrer Verschränkung präsentiert, wobei der Holocaust aus Gründen von Moral und Urteilskraft ins Zentrum des Erkenntnisinteresses gerückt wird.

Moderation: Sybille Steinbacher (Institut für Zeitgeschichte, Universität Wien und Mitglied des Internationalen Wissenschaftlichen Beirats des VWI).

Dan Diner ist Professor für moderne europäische Geschichte an der Hebrew University of Jerusalem, Professor emeritus für jüdische Geschichte und Kultur an der Universität Leipzig, Leiter des Akademieprojektes Europäische Traditionen – Enzyklopädie jüdischer Kulturen und Ordentliches Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig und zur Zeit Fellow am Swedish Collegium for Advanced Study in Uppsala. Seine Forschungsschwerpunkte sind die jüdische Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, die Gedächtnisgeschichte des Holocaust und die Globalgeschichte des Zweiten Weltkrieges. Er ist Herausgeber der Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur (EJGK) und Autor zahlreichen Monographien, darunter jüngst Zeitenschwelle. Gegenwartsfragen an die Geschichte. [via]

    Download: via AArchiv (mp3; 91.8 MB; 1:40:18 h)
    Video: bei Youtube

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Dschihad

Letztes Jahr wurde viel über den ersten Weltkrieg geredet. Dieses Jahr wird aufgrund der jüngsten Ereignisse heftig über den Dschihad diskutiert. Dass letzterer historisch in einer Verbindung mit dem Deutschen Kaiserreich und dem ersten Weltkrieg steht ist hingegen kaum bekannt. Die GenossInnen von 17 Grad haben diesen Zusammenhang in einer Doppelsendung herausgearbeitet, die wir hier dokumentieren. Zunächst beleuchten Sie, wie der Terminus des „heiligen Krieges“ in der Tradition deutscher Außenpolitik verwendet wurde. Dann rekonstruieren sie, wie die außenpolitischen Beziehungen des Deutschen Reiches zu einer Neubewertung des Islams führten und wie das Deutsche Reich versuchte, dschihadistische Aufstände in britischen und französischen Kolonien zu entfachen. Es werden einzelne Protagonisten der „Operation Dschihad“ vorgestellt, insbesondere Max von Oppenheim. Während in der ersten Sendung die Beziehungen des Deutschen Reiches zur Türkei im Vordergrund stehen, werden in der zweiten Sendung die Beziehungen zu Marokko, Algerien, Lybien und anderen arabischen Staaten beleuchtet.

Sendung 1

    Download: via Mediafire (mp3; 110.5 MB; 1h)

Sendung 2

    Download: via Mediafire (mp3; 39.9 MB; 1h)

Intros zu Verschwörungstheorien, nationalen Befreiungsbewegungen und dem Fetischbegriff bei Marx

Bereits seit 2008 veranstaltet die Associazione delle Talpe in Bremen eine Veranstaltungsreihe, die zwar einführenden Charakter haben soll(te), aber dennoch ein ansprechendes Niveau aufweist. Neben einer Kritik der Verschwörungstheorien und linksnationalistischer Befreiungsbewegungen, können wir hier auch auf Ausführungen Hendrik Wallats (Rote Ruhr Uni) – zu den Begriffen Fetischismus und Verdinglichung bei Marx – verweisen.
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Überlegenheitsgefühle integriert

Zum Wandel des Rassismus in der Krise

Am 17.05.2012 war JustIn Monday im Rahmen der vom »Exit!«-Lesekreis Hamburg organisierten Veranstaltungsreihe Rotten System! Rotten World? eingeladen über den Wandel des Rassismus in der Krise zu sprechen. Seine These ist, dass dem Rassismus von jeher ein Widerspruch eigen ist, der in der Krise bemerkbar wird. Ist in Prosperitätsphasen der Rassismus kolonialer Prägung von der Unterwerfung der als »naturhaft« imaginierten Anderen durch den sich selbst mit Geist/Kultur identifizierenden Weißen Mann gekennzeichnet, so schlägt er in der Rassenbiologie/-hygiene in Selbstrassifizierung um. Dass der Weiße Mann sich nun um seine eigene Naturdeterminiertheit in Gestalt der »Rassenreinheit« sorgt und den Geist in antisemitischer Weise als jüdisches Prinzip verteufelt, ist laut JustIn Monday als kapitalistische Krisenerscheinung zu verstehen. Im letzten Teil vollzieht er dies an Thilo Sarrazin nach (siehe dazu auch Deutschland bildet sich), zuvor zeigt er auf, in welche Probleme die antirassistische Theorie gerät, weil sie diesen Widerspruch innerhalb des Rassismus nicht bemerkt, geschweige denn historisch oder krisentheoretisch, begreift.

Download: Vortrag (1:22 h, 28 MB), Diskussion (0:12 h, 5 MB) via AArchiv | Original via minus (mp3, ogg, flac)

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Hegel und Haiti

Da wir doch gerade bei einer aufklärungskritischen Deutung Hegels waren…

1. Auf FRN erschien gerade erst vorgestern eine Hörbuchfassung des Essays »Hegel und Haiti«. Dieser stammt aus der Feder von Susan Buck-Morss und entfaltet die These, dass es der Sklavenaufstand 1791 im damaligen französischen Kolonialgebiet Saint-Domingue und die schließlich in die Unabhängigkeitserklärung Haitis 1804 mündende Revolution waren, die Hegel zu seiner berühmten Herr-Knecht-Dialektik inspirierten. Aufklärungskritisch ist der Essay, insofern er zum einen recht detailliert darlegt, wie sich die bürgerlichen Freiheits- und Gleichheitsforderungen von Anfang an auf den weißen Mann beschränkten, während die zu ihnen in krassem Widerspruch stehende Institution der Sklaverei überwiegend stillschweigend oder offen apologetisch gebilligt wurde. So richtete sich die Anklage der »Knechtschaft«, vorgetragen von Philosophen wie Rousseau oder Locke, allein gegen den europäischen Absolutismus. Zum anderen bringt er die noch heute allzu oft anzutreffende Geschichtsfälschung zur Sprache, die darin besteht, die im Sinne des Mythos der Aufklärung verdrängte Gewalt- und Kolonialgeschichte Europas großzügig zu beschweigen und auszublenden, wenn es um die Universalität der mit ihr inaugurierten Vernunft und den Aufstieg des durch sie ermöglichten kapitalistischen Reichtums geht.

Klappentext:

1791 revoltierten die Sklaven von Saint Domingue, dem heutigen Haiti, unter Absingen der Marseillaise gegen die französischen Kolonialherren. Die »schwarzen Jakobiner« bewiesen so die Unteilbarkeit der Aufklärung. Diese im Okzident verdrängte Geschichte Haitis wird derzeit angesichts zunehmender weltweiter Ungleichheit wiederentdeckt. Anknüpfungspunkte dafür finden sich ausgerechnet bei Hegel, der die Ereignisse in der Karibik verfolgte. Seine Überlegungen zum Verhältnis von Herrschaft und Knechtschaft lesen sich wie ein Kommentar zum Geschehen – ohne daß Haiti mit einem Wort erwähnt würde. Susan Buck-Morss konfrontiert Hegels Interesse mit seiner Philosophie und skizziert die Grundlinien einer neuen Universalgeschichte.

Das Hörbuch basiert auf der 2011 in der Edition Suhrkamp erschienenen deutschen Übersetzung. Das erstmals im Jahr 2000 veröffentlichte englischsprachige Original inklusive der Bilder kann man hier als PDF beziehen. Sowohl die deutschsprachige Suhrkamp- als auch die englische Buchausgabe enthalten als zweiten Teil noch den hier nicht vertonten Aufsatz »Universal History«.

2. Eine positive Besprechung des Buches liegt in einer Sendung von »Lorettas Leselampe« (FSK) vor. Dort erfährt man noch einiges über Geschichte und Gegenwart Haitis, die Sklaverei und die Revolution sowie über Susan Buck-Morss. Download via FRN (0:52 h, 37 MB).

3. Ein englischsprachiges Interview mit Susan Buck-Morss aus derselben Reihe wie jenes mit Moishe Postone ist hier zu finden. Darin gibt sie u.a. Auskunft über ihren intellektuellen Werdegang und ihre Studienzeit in Deutschland.

Politische Gewalt im 20. Jahrhundert

Eine interessante Reihe zu unterschiedlichsten Formen politischer Gewalt im 20. Jh. hat DRadio Essay & Diskurs gesendet.

  1. Die Dämonen des Terrors

    Das 20. Jahrhundert war das blutigste in der Menschheitsgeschichte. Leider ist die Diskussion über die Ursachen, Manifestationen und Konsequenzen politischer Gewalt allzu oft auf den eigenen Nationalstaat verengt worden. Unsere fünfteilige Serie befasst sich deshalb mit der „politischen Gewalt im 20. Jahrhundert“ in einem europäischen Kontext

    Download via DRadio

  2. „Die größte aller Revolutionen“

    Die deutsche November-Revolution von 1918, die im Vergleich zu den Umbrüchen in anderen Ländern dieser Zeit recht unblutig verlief, gehört zu den zu den umstrittensten Ereignissen der neueren deutschen Geschichte.

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  3. Der Zweite Weltkrieg oder: Gesellschaften im Ausnahmezustand

    In der dritten Folge hören Sie nun einen Essay von Dieter Langewiesche zum Thema „Der Zweite Weltkrieg oder: Gesellschaften im Ausnahmezustand“. Der Autor lehrte bis 2008 mittlere und neuere Geschichte an der Universität Tübingen und war auch Prorektor der neugegründeten Universität Erfurt.

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  4. Das Zeitalter des Völkermordes

    „Wir erleben ein Verbrechen ohne Namen“, beschrieb Winston Churchill 1941 das Morden deutscher Polizeieinheiten in Russland. Ein Verbrechen ohne Namen sollte es nicht lange bleiben: Völkermord. Millionen Menschen fielen im 20. Jahrhundert Genoziden zum Opfer.

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  5. Kolonialkriege – Im Herzen der Finsternis

    In der letzten Folge hören Sie nun einen Essay von Stephan Malinowski zum Thema „Kolonialkriege oder: Im Herz der Finsternis“. Der Autor lehrt seit 2009 deutsche und westeuropäische Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts am University College in Dublin.

    Downlaod

Länge je etwa 30 Minuten, 13 MB. Download aller Teile auch via MF.

Zwischen den Räumen? Postkoloniale feministische und queere Kritik im deutschen Kontext

Auf der Public Information Plattform ist eine interessante Vortrags- & Diskussionsveranstaltung mit María do Mar Castro Varela und Nikita Dhawan zu postkolonialer Theoriebildung dokumentiert, die in der Reihe »When worst comes to worst – Antirassistisches Denken in komplexen Zusammenhängen« 2008 in Leipzig ausgerichtet wurde. Zu dieser Reihe gehört auch ein hier bereits archivierter Vortrag Eske Wollrads.

Download (mp3, mono, 48 kBit/s; 37,8 MB; 1:50 h)

Ankündigungstext: Weiterlesen

Öffentlich-Rechtliches (4) & mehr