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Krise und Faschismus in Europa

[This article includes one lecture in english language – look at the third caption.]

Dass die Krisen des Kapitalismus immer wieder faschistische Kräfte mobilisieren ist zur Zeit in drei europäischen Ländern besonders sichtbar: In Griechenland hat in den letzten Jahren die faschistische Partei „Goldene Morgenröte“ an Zulauf gewonnen, eine rassistische Stimmung und daraus folgende Übergriffe haben erheblich zugenommen; in der Ukraine sind im Zuge der Staatenkonkurrenz um diesen Wirtschaftsraum unter deutscher Mithilfe Faschisten in die Übergangsregierung gekommen während auch die von Russland unterstützte Separatistenbewegung im Osten der Ukraine Nationalisten und Rassisten rekrutiert; in Ungarn versucht Victor Orban mit einer völkisch-nationalistischen Kampagne die Macht seiner Clique auszuweiten, während dem Antisemitismus der faschistischen Jobbik-Partei nicht widersprochen wird – Sinti und Roma sind in Ungarn der Diskriminierung und Gängelung durch staatliche Behörden schutzlos ausgeliefert. Im Folgenden jeweils ein Beitrag über Ungarn, die Ukraine und Griechenland.

1.) Ágnes Heller im Gespräch über Ungarn

Am 22. Januar 2014 war die ungarische Philosophin Ágnes Heller im Republikanischen Club in Wien zu Gast. Im Gespräch mit Gerhard Scheit hat sie über verschiedene Aspekte der ungarischen Verhältnisse berichtet: Der spezifische Charakter des Antisemitismus in Ungarn, Charakterisierung der Fidesz-Regierung (Heller beschreibt sie als „bonapartistisch“), Verhältnis von Oligarchie und Politik in Ungarn, Jobbik und die Ungarische Garde, Opposition in Ungarn u.a..

Im April 2014 finden in Ungarn Parlamentswahlen statt. Die Macht des Systems Orban scheint dabei nicht in Gefahr. Weiterhin wird in Ungarn auf die Erzählung von „nationalen Tragödien“, von Trianon bis zur Sowjetzeit, bei gleichzeitiger Tradierung von Antisemitismus und Gewohnheiten der autoritären Machtausübung, gesetzt.

Ein Gespräch zu den aktuellen Entwicklungen und ihren historischen Ursachen mit der Philosophin Ágnes HELLER. Moderation: Gerhard SCHEIT (Autor und Essayist), Begrüßung: Thomas WALLERBERGER (RC) [via]

    Download: via AArchiv (mp3; 47,4 MB; 1:21:17 h)
    Ansehen: auf Youtube

Die Parlamentswahlen im April, über deren Ausgang in der Veranstaltung noch spekuliert wurde, hat eine eindeutige Zwei-Drittel-Mehrheit von Fidesz ergeben – eine Einschätzung von kurz nach den Wahlen findet sich hier. Kritische Nachrichten über Ungarn gibt es bei Pusztaranger.

2.) Ukraine – Zwischen Demokratisierung, Faschismus, Bürgerkrieg und Zerfall

Jörg Kronauer (Autor von Konkret) und Jörn Schulz (Jungle-World-Redakteur) haben am 13.06.2014 im Hamburger Golem über die Entwicklungen in der Ukraine sowie über die Einschätzung der deutsch-europäischen und der russischen Außenpolitik diskutiert:

Der aktuelle Konflikt begann mit dem – in der bundesrepublikanischen Debatte heute weitgehend vergessenen – Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine. Hinter diesem relativ harmlos klingenden Technokratenbegriff steckte ein radikales Sparprogramm, das die verarmte Post-Sowjet-Ökonomie aus den Fängen Russlands reißen sollte. Der bis dato regierende autoritäre (Post-)Oligarch Viktor Janukowitsch wollte dieses letzte Ultimatum hinauszögern, um die gleichermaßen zu Russland und der EU bestehende ökonomische Abhängigkeit der Ukraine nicht einseitig zu Lasten Russlands (und damit der günstigen russischen Gaslieferungen) aufzulösen.

Der Rest dürfte allseits bekannt sein: Der antiwestliche Kurs von Janukowitsch brachte eine heterogene Protestbewegung auf die Straße, die allein die Ablehnung des herrschenden Regimes vereinte. Neben EU-Anhängern und Demokraten waren vor allem die Faschisten des »rechten Sektors« tonangebend bei der Zuspitzung des Konflikts. Auf dem Maidan-Platz in Kiew und andernorts tobten Straßenschlachten, in deren Verlauf etliche Menschen starben. Janukowitsch musste fliehen und spülte die Protestbewegung an die Macht. Separatistische Truppen tauchten in der Folgezeit zunächst auf der Krim und später in der Ostukraine auf. Sie setzten das staatliche Gewaltmonopol aus Kiew weitgehend außer Kraft und bereiteten eine Ablösung der Regionen aus dem ukrainischen Nationalstaat vor. Seitdem flackern in der Ostukraine immer wieder militärische Auseinandersetzungen zwischen Regierungseinheiten und Separatisten auf.

Die Rezeption der Ereignisse in der Ukraine ist in Deutschland von einer bemerkenswerten Einseitigkeit geprägt. So stellt die paramilitärische Formierung und die damit einhergehenden faschistische Parolen der Maidan-Proteste für die staatstragende deutsche Politik kein Problem dar: Im Gegensatz zu den hierzulande von der Polizei mit der ganzen Berechtigung demokratischer Staatsgewalt niedergeprügelten »linken Chaoten« (wie etwa in Hamburg am 21. Dezember 2013) erblickte die deutsche Politik in den dortigen Auseinandersetzungen ausschließlich »Freiheitskämpfer« und »Europa-Freunde« (Rebecca Harms, Bündnis90/Die Grünen). Auch die vorübergehende Regierungsbeteiligung der faschistischen Swoboda-Partei stieß auf keine nennenswerte Empörung. Wie irrlichternde Einseitigkeit anders herum funktioniert, bewies hingegen der Großteil der hiesigen antiimperialistischen Linken: die Reaktion Russlands auf die EU-Annäherung der Ukraine mit der Annektierung der Krim und Einflussnahme in der Ostukraine werte sie als »antifaschistische Aktion« gegen die »NATO-Kriegspropaganda«.

Wie ist die erneute Frontstellung des kalten Krieges – der Westen mit den USA und der EU auf der einen, Russland auf der anderen Seite – zu bewerten? Sollte linke Kritik das außenpolitische Programm des »Hauptfeinds Deutschland« und der EU in den Fokus rücken? Oder müssten die Waffen der Kritik eher gegen das geopolitische Agieren Russlands und die prorussische Querfront von Teilen der Linkspartei über die Alternative für Deutschland bis hin zur extremen Rechten gezückt werden?

Wie die Situation in der Ukraine einzuschätzen ist und wie sich eine Linke, die es ernst meint mit der »Assoziation der Freien und Gleichen«, hinsichtlich des Konflikts zu positionieren hätte, wollen wir auf einem der seltenen Gipfeltreffen mit Vertretern der beiden linken Publikumsblätter Jungle World und konkret diskutieren. Zu Gast sind der freie Journalist und konkret-Autor Jörg Kronauer, sowie dem Jungle World Redakteur Jörn Schulz. [via]

    Download: via FRN (mp3; 57,5 MB; 1:56:41 h)

3.) Greece behind the Scenes

[English description further down.]

Im März dieses Jahres haben die Falken Erfurt einen Genossen aus Griechenland von der antigriechischen Zeitschrift 0151 eingeladen, der über die gegenwärtige Situation in Griechenland berichtet hat. Im Vortrag berichtet Panos Dionisos dabei weniger von den ökonomischen Folgen der Krise, sondern vor allem über die Situation von MigrantInnen in Griechenland. Er beschreibt eine Gesellschaft voll von Rassismus, wobei nicht nur organisierte Nazis oder der Staat ins Blickfeld geraten. Er beschreibt eine gesellschaftliche Atmosphäre im Ganzen und hat auch an der griechischen (radikalen) Linken einiges zu kritisieren.

Am Anfang des Vortrags hat Panos einen Film gezeigt, der hier (oder untenstehend) zu sehen ist. Der Vortrag wird auf englisch gehalten und ins Deutsche übersetzt. Siehe auch: Dawn of the Greeks.

Griechenland hinter den Kulissen!

Ein Vortrag mit Leuten aus dem Umfeld der neuen griechischen, antifaschistischen Zeitschrift „0151“ zur gegenwärtigen Situation in Griechenland und deren historischen Wurzeln.

Bei den letzten Wahlen in Griechenland, welche im Mai und Juni 2013 stattfanden, bekam die Neo-Nazi-Partei „Goldene Morgenröte“ eine halbe Million Stimmen und damit 7% aller abgegebenen. Schlimmer noch, in den Meinungsumfragen der letzten Monate bekannten 15-17% der Griechen, die Neo-Nazi-Partei zu unterstützen und bekundeten ihre Sympathie für die Aktivitäten der „Goldenen Morgenröte“. Zugleich sind Angriffe auf MigrantInnen in Athen und anderen Städten Griechenlands in den letzten Jahren zur Normalität geworden.

Jedoch sind Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus, Homophobie und Faschismus auch schon während der letzten Jahrzehnte sowie während aller vorhergehenden Epochen der nationalen Geschichte dauerhafte Bestandteile der griechischen Gesellschaft gewesen.

Die griechische Gesellschaft weiß, wie mit Fremden umzugehen ist, und zeigt sich gastfreundlich.

Von den geschäftigen Stadtvierteln Athens bis zu den Feldern des griechischen Hinterlandes gab es in den vergangenen Jahrzehnten Erschießungen, Vergewaltigungen, Morde und staatliche Gefangennahmen von GastarbeiterInnen, Geflüchteten und Roma. Diese Übergriffe wurden von der griechischen Mehrheitsgesellschaft unterstützt oder beschwiegen. Doch auch andere, die von den Normen der nationalen Mehrheit abweichen (LGBTQ, FeministInnen, politische Radikale usw.), sahen sich immer wieder Feindseligkeit und gesellschaftlicher Ächtung ausgesetzt.

(Die griechische Zeitschrift „0151“ versucht sich an einer Dokumentation, Untersuchung und Zurückdrängung des Antisemitismus, des Rassismus, des Faschismus, der Homophobie und des Sexismus der griechischen Gesellschaft und ihrer Avantgarden.) [via]

In March 2014 the group „Falken Jena“ invited a comrade from greece (who’s author of the anti-greec magazine 0151), to report of the current situation in Greece. In his presentation Panos Dionisos didn’t talk so much about the economic consequences of the crisis, but more about the situation of immigrants in Greece. He describes a society full of racism and he focusses not only organized Neonazis or the state. He describes the atmosphere of a whole society and he also criticizes the (far) Left-Wing movement.

On the beginning of the presentation Panos showed a movie, that is available here. The presentation is hold in english and translated into german language. Also have a look at: Down of the Greeks.

Greece behind the scenes!

A public presentation regarding the current situation in Greece and its historical roots: pogroms, assassinations, police repression, fascist speech, society of control, detention camps, greek borders.

In the last Greek elections, in May as well as in June 2012, the neonazi party Golden Dawn took 7% with half a million votes. Worse than that, in the recent pulse surveys of the past months approximately the 15%-17% of greeks support the neonazi party and they sympathize with the neonazi party activities. At the same time attacking immigrants in Athens and various other greek cities has become mainstream in the last years.

However racism and antisemitism, nationalism, homophobia and fascism have been permanent features of the greek society for all the previous decades and historical periods of the country.

Greek society knows how to treat and show hospitality to strangers.

From the busy districts of Athens to the fields of the greek countryside, migrant workers, refugees, Roma people ) were shot, raped, murdered, detained by the state all the past decades with the support or silence of the greek majority. But also others who are considered abnormal by the national majority (LGBTQ, feminists, radicals etc.), face hostility and marginality.

This event is organized by people involved with a new antifascist magazine called 0151.
0151 attempts to document, research and push back the Antisemitism, the Racism, the Fascism, the Homophobia and the Sexism of the Greek society and its avant-gardes. [via]

    Download: via AArchiv (mp3; 67,3 MB; 1:13:28 h)

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Das Jahrzehnt der Gleichgültigkeit

Nichts ging mehr in den Nuller Jahren. Statt die Welt zu verändern, sind wir auf ihre Interpretation zurückgeworfen.

Roger Behrens verliest in der letzten Ausgabe der Hallenbaduniversität eine längere Version seines Artikels „Das Jahrzehnt der Gleichgültigkeit„, der in der letzten Jungle World erschienen ist und gibt darin einen pessimistisch-realistischen Rückblick auf das letzte Jahrzehnt. Er konstatiert darin, dass die „Nuller Jahre“ gewissermaßen als eine farce-mäßige Wiederholung der 20er Jahre erscheinen, in der Geschichte zunehmend zu einer kulturellen Endlosschleife wird.

Download: via FRN (42,2 MB), via MF (10.56 MB)

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