Adorno vs. Arnold Gehlen: Freiheit und Institution. Streitgespräch über Begriff und Realität gesellschaftlicher Institutionen und über Möglichkeit wie Gehalt ihrer Kritik. Fernsehsendung von 1965 auf Vimeo. 0:30 h. Download (mp3)
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Adorno über Erziehung nach Auschwitz
Zur Aktualität Adornos für die feministische Theorie
Kritische Theorie, Geschlechterverhältnis und Aufklärungskritik
Adornos Gesellschaftskritik ist im Zuge einer allgemeinen Marxrenaissance wieder in aller Munde. Kritische Theorie war allerdings vor dem „cultural turn“ schon einmal zentraler Ausgangspunkt feministischen Denkens. Vernachlässigt wurde dabei jedoch die Kritik der gesellschaftlichen Formbestimmung; den Bezug bildete vor allem die soziologisch-analytische Dimension. Demgegenüber gilt es heute, die grundlegende Kritik der Wert-Abspaltung, also des Zusammenhangs von allgemeiner Form und Geschlechterverhältnis, im Hinblick auf die Theorie Adornos zu thematisieren. Dabei werden auch Aspekte einer Aufklärungskritik berücksichtigt, die übrigens in der Vor-Gender-Phase des Feminismus ansatzweise bereits vorhanden war, im veränderten Kontext allerdings neu zu formulieren ist.
Zunächst zeichnet Roswitha Scholz (Exit!) in diesem im August 2011 aufgezeichneten Referat einige Ansätze feministischer Adorno/Horkheimer-Rezeption und -Kritik im deutschsprachigen Raum nach, um zu zeigen, dass in diesen sowohl die Aufklärungskritik als auch die Ebene der basalen gesellschaftlichen Formbestimmung zu kurz gekommen oder falsch gefasst worden ist. Im zweiten Teil knüpft sie an einschlägige Passagen aus der Dialektik der Aufklärung an; im dritten akzentuiert sie die Bedeutung einer Kritik der Aufklärung im Kontext der Wert-Abspaltungs-Kritik. Die Diskussion kreist um das Verhältnis und den jeweiligen Status von (aufklärerischer) Erkenntnistheorie, »Relationalität« und Dialektik. Die Diskussionsbeiträge stammen u.A. von JustIn Monday, Georg Gangl und Daniel Späth.
Die Aufnahmequalität ist leider nicht optimal, da es einige kurze Unterbrechungen durch Störgeräusche gibt. Als Ergänzung und zum Nachvollzug einiger zentraler Referenzen kann der online verfügbare Text »Die Theorie der geschlechtlichen Abspaltung und die Kritische Theorie Adornos « zu Rate gezogen werden.
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via AArchiv: Vortrag (1 h, 24 MB), Diskussion (0:27 h, 11 MB)
via MF: Vortrag, Diskussion
Dialektik und Existenzphilosophie
Mit drei Vorträgen über Dialektik von Existenzphilosophie und westlichem Marxismus hat die Frankfurter Translib noch einmal die Reihe »Existentialism Revisited« fortgesetzt und damit einen Beitrag zu einer Debatte geleistet, die zur Zeit in einem (post-)antideutschen Umfeld ihre Wellen schlägt. Die Diskussion über das Verhältnis von Adorno und Sartre bzw. Existenzialismus und Kritischer Theorie begann zum einen in der vierzehnten Ausgabe der Zeitschrift Prodomo, mit einem Beitrag von Ingo Elbe über Sartres Antisemitismusanalyse, die bereits in der selben Ausgabe eine Erwiderung von Tjark Kunstreich fand. Die Diskussion setzte sich dann in der fünfzehnten Ausgabe mit einem Beitrag von Philipp Lenhard und einem ausführlichen Text zu Sartres Freiheitskonzeption von Manfred Dahlmann fort, war aber bspw. auch zentrales Thema der Tagung der Wiener Sonntagsgesellschaft und ist u.a. Gegenstand in Gerhard Scheits letztem Buch.
1. Roswitha Scholz: »Simone de Beauvoir heute«
Roswitha Scholz (EXIT!) diskutiert die Theorie Simone de Beauvoirs anhand ihrer Rezeption im Spannungsfeld von Gleichheitsfeminismus, Differenzfeminismus, dekonstruktivistischem und materialistischem Feminismus. Dazu referiert sie zunächst die Grundlagen des Existenzialismus in seinem Verhältnis zum Marxismus, insbesondere das Verhältnis von Subjekt-Objekt-Dialektik und dem Verdinglichungstheorem und untersucht diese Debatte auf das Geschlechterverhältnis hin. Im letzten Teil skizziert sie die Grundlagen der Wertabspaltungskritik, arbeitet Gemeinsamkeiten und Unterschiede heraus und wirft abschließend einen Blick auf postmoderne Theoriebildung und inwiefern dort de Beauvoir wieder auftaucht (hierbei kritisiert sie u.a. Heinz-Jürgen Voß, aber auch »neo-situationistische« Positionen). Scholz richtet sich eindeutig gegen eine Neuauflage des Existenzialismus. Ein für die Debatte m.E. interessanter Bezugspunkt ihres Vortrags ist der Aufsatz »Phänomenologie und Marxismus in geschichtlicher Perspektive« von Winfried Dahlmeyer. In der Diskussion dreht es sich vor allem um das Theorem der Wertabspaltung und den Begriff des (warenproduzierenden) Patriarchats.
Simone de Beauvoirs Buch Das andere Geschlecht spielte in der feministischen Theorie/Genderforschung lange keine Rolle mehr. In letzter Zeit taucht de Beauvoir aber nicht nur in neu erstellten Überblickswerken zu Klassikerinnen des Feminismus wieder auf, zu ihr und ihrer Theorie wurden inzwischen auch vermehrt Tagungen und Veranstaltungen angeboten (was wohl mit ihrem hundertsten Geburtstag 2008 zusammenhängt). Hie und da erinnert man/frau sich wieder an sie. Dies dürfte nicht zuletzt einem Selbstreflexivwerden von Feminismus und Genderforschung in der gegenwärtigen Krisensituation geschuldet sein. Dabei stellen sich die Fragen des „Wie weiter?“ und „Was kommt nach der Genderforschung?“. In den 1970er Jahren hatte sich insbesondere ein Gleichheitsfeminismus mit dem Slogan „Man wird nicht als Frau geboren, sondern dazu gemacht“ auf de Beauvoir berufen. Ein Differenzfeminismus bezichtigte sie sodann, männliche Normalitätskriterien auf Frauen anzuwenden. Schließlich wurde ihr in den 1990er Jahren von einem dekonstruktiven Feminismus vorgeworfen, trotz all ihrer Kritik der hierarchischen Geschlechterverhältnisse einem dualistischen Denken verpflichtet geblieben zu sein und eine erneute Herstellung von Zweigeschlechtlichkeit betrieben zu haben. In dem Vortrag wird eine zeitliche Einordnung des „anderen Geschlechts“ und seiner Bedeutung vor dem Hintergrund der Wert-Abspaltungskritik versucht sowie auf Aspekte hingewiesen, die durchaus noch heute Aktualität beanspruchen können. [via]
- Download (via AArchiv): Vortrag (mp3; 35,5 MB; 1 h 2 min) | Diskussion (mp3; 26,2 MB; 45:51 min)
2. Christoph Zwi: »Die Heidegger-Kritik von György Lukács«
Zwi gibt einen Überblick über die verschiedenen Anläufe, in denen Georg Lukács den Versuch unternahm, eine grundlegende und immanente Kritik Heideggers Philosophie zu leisten. Während dies in »Die Zerstörung der Vernunft« im Zuge der Kritik des dekadent-bürgerlichen Irrationalismus geschah, entwickelte Lukács in seiner unvollendet gebliebenen »Ontologie des gesellschaftlichen Seins« eine Kritik Heideggers Pseudo-Ontologie, indem er selbst den Ansatz für eine kritische, materialistische und historische Ontologie entwarf. Im größten Teil des Vortrags gibt Zwi einen Überblick über das Verhältnis von Heidegger und Lukács, weist Bezüge und Abgrenzungen auf. Auch hier ist das Subjekt-Objekt-Verhältnis, zwischen bzw. jenseits der idealistischen Figur des identischen Subjekt-Objekt, sowie Subjektivismus und Objektivismus, von zentraler Bedeutung. Außerdem geht es zentral um das Verhältnis von Kategorien, Geschichtlichkeit und Sprache. Ein interessanter Punkt ist die Frage, inwiefern Adorno Ontologie grundlegend verwarf, oder ob er selbst einen kritisch-ontologischen Ansatz hatte. Die Diskussion ist vor allem in der zweiten Hälfte noch einmal sehr spannend – neben interessanten Ergänzungen zu Lukács‘ Ontologie, werden hier konkret einige Sätze von Heidegger unter die Lupe genommen. Mit seiner zentralen Positionierung für eine kritische Ontologie, bezieht Zwi Stellung gegen die meisten Beiträge in der bisherigen Existenzialismus-Debatte.
Der philosophische Dichter und Denker im Lande der Richter und Henker – der (prä- und post-) NS-Ideologe Martin Heidegger – hat vor allem auf einem Gebiet zu siegen nicht aufgehört: bis heute wird „Ontologie“ in einem stereotypen Reflex gerade auch von Linken allererst mit seinem Namen in Verbindung gebracht. Dass es sich dabei jedoch um eine Pseudo-Ontologie handelt, welche vom „Dasein“, „Seienden“ und „Seinsgrund“ usw. faselt, während sie die begriffliche Bestimmung aller Kategorien und Beziehungen von gesellschaftlichem Sein, Bewusstsein sowie last but not least naturhaften Seinsgrundlagen verbietet und durch Mystizismus ersetzt, dies materialistisch aufzudecken gelang dem Begründer des „westlichen Marxismus“, Georg Lukács, dessen ontologische Kritik aber noch immer weithin verdeckt wird von der Adornoschen Ontologiekritik. Ohnehin wird im fachphilosophischen herrschenden Universitätskanon „Ontologie“ noch stets pauschal als „vor(erkenntnis)kritische Metaphysik“ tabuisiert.
In der bisherigen transLib-Reihe zum Existenzialismus (2010/2011) wurde indes ein spannender Aspekt sichtbar: Es gibt auch Bemühungen um eine kritische Methode der Gesellschaftsanalyse und ihr entsprechende Ethik, die von Karl Marx‘ Feuerbachthesen und der Kritik der politischen Ökonomie ausgeht, sich in dieser Perspektive als kommunistisch-revolutionär versteht und gleichwohl sich durchaus als ontologisch basiert begreift. Die phänomenologische oder spekuläre Ontologie von J.P.Sartre, die spektakelkritische der Situationisten und eben die historisch-genetische Gesellschaftsontologie von Lukács wurden bisher benannt. Wenn nun letztere ins Zentrum dieses Vortrags gestellt wird, dann geht es um ein Resümee des Weges, den eine „Neue Ontologie“ seit dem Ende des Ersten Weltkrieges in der Heidegger- und in der Lukács-Richtung in unversöhnlicher Divergenz eingeschlagen hat.
An jeder Wegmarke erwies er sich erneut als Scheideweg: – ob Kategorien oder ob „Existenzialien“ herauszuarbeiten sind, – ob es einen „dritten Weg“ zwischen „Idealismus“ und „Materialismus“ oder zwischen „Rationalismus“ und „Irrationalismus“ geben kann, – ob Philosophie, Wissenschaft, Theorie und Denken miteinander und mit gesellschaftlicher Praxis revolutionär zusammengehen können, – ob Geschichtlichkeit mit theologischen Deutungsmustern zu interpretieren ist oder immer nur als Veränderung der Gegenständlichkeit durch die Menschen begriffen werden kann, – ob die Subjektivität oder die Objektivität im gesellschaftlichen Sein, in Raum und Zeit für die Analyse der Bewusstseinsformen und Gesellschaftsformen das Entscheidende ist, – und welche Funktion in alledem die Sprache hat … Jede dieser Entscheidungsfragen wurde von Lukács seit 1920 bis 1970 diametral entgegen den Heideggerschen Denkvoraussetzungen gestellt und beantwortet. „Das eigentliche Sein zum Tode, d.h. die Endlichkeit der Zeitlichkeit ist der verborgene Grund der Geschichtlichkeit des Daseins.“ (Heidegger) Lukács denunziert dies als Pseudogeschichtlichkeit. „Heidegger will eine theologische Geschichtsphilosophie für den ‚religiösen Atheismus‘ schaffen.“ Die Lukács’sche Ontologie arbeitet ideologiekritisch, indem sie materialistisch bloßlegt, dass und wie Sein wesentlich permanentes Anderswerden ist. „Es ist nicht so, dass sich die Geschichte innerhalb des Kategoriensystems abspielt, sondern es ist so, dass die Geschichte die Veränderung des Kategoriensystems ist. Die Kategorien sind also Seinsformen“.
Wenn die menschlichen Bewusstseinskategorien die Seinskategorien reflektieren, dann bedeutet ontologische Methode die Analyse von Erscheinungen und Scheinformen in ihrer objektiven Wirkungsmächtigkeit als dialektisches, wesentliches Aufeinandereinwirken der Menschen. Sowohl Lukács als auch Heidegger sprechen von „Verdinglichung“. Doch genau mit der fetischismuskritischen Entfaltung dieses Begriffs legt Lukács die „Pseudoobjektivität“ der „Fundamentalontologie“ Heideggers als subjektivistische, ungeschichtliche – und immer wieder suggestive – Fixierung kapitalistischer Alltagsunmittelbarkeiten bloß. Ihre „philosophische“ Mystifikation hilft Menschen in der „Sorge“ der gesellschaftlichen Krise, sich dem vorgeblichen „Seinsgeschick“ und der „Entschlossenheit“, der „Gelassenheit zu den Dingen“ und dem „Sein zum Tode“ zu unterwerfen. [via]
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3. Magnus Klaue: »Abschied von der Geschichtsphilosophie: Adorno, Sartre und die Sehnsucht nach der positiven Freiheit«
Man muss nur denken: „Na, was schadet schon das Wandern?“
Und man darf weder sich noch and’ren Leuten grollen
Denn man muss wissen: Man ist ganz so wie die Andern
Nur dass die Andern grade das nicht wissen wollen
(Georg Kreisler)
In der Verweigerung, zu erkennen, dass man wie die anderen ist, sieht Magnus Klaue einen wesentlichen Impuls des Existenzialismus. Während Heideggers Existenzialontologie gerade in diesem Punkt – sich im willigen Vollzug des schlechten Allgemeinen noch als etwas Besonderes zu wähnen – im Nationalsozialismus verwirklicht wurde, konnte dieses Bedürfnis in Deutschland nach dem NS nicht mehr ohne weiteres über Heidegger geäußert werden, sondern musste seinen Umweg über Frankreich (also die Beerbung Heideggers im Strukturalismus, Poststrukturalismus und in Sartres Existenzialismus) nehmen, so eine zentrale These im Vortrag von Klaue. Er untersucht unterschiedliche historische Ausgangsbedingungen von Sartres Philosophie und der Kritischen Theorie Adornos und inwiefern diese auch die jeweilige Reflexion über Antisemitismus gefärbt haben. Skizzenhaft widmet er sich zudem den unterschiedlichen ästhetischen Konzepten von Sartre und Adorno, indem er Adornos Beckett-Rezeption mit den Dramen von Sartre im Bezug auf das Konzept der Absurdität vergleicht. Klaue begründet eine Kritik am erneuten Aufgreifen von Sartres Freiheitsphilosophie.
Seit einiger Zeit findet in antideutschen Kreisen verstärkt die zuerst von Jean Améry unter dem Schlagwort vom „Jargon der Dialektik“ aufgestellte These Anklang, wonach im geschichtsphilosophischen Entwurf der „Negativen Dialektik“ und in der negativen Anthropologie, wie die „Dialektik der Aufklärung“ sie entwerfe, eine Verwischung der Grenze zwischen Tätern und Opfern der Shoah und eine Leugnung der moralischen Zurechenbarkeit individueller Handlungen wie auch individueller Leiderfahrung angelegt sei. Dadurch mache sich die Kritische Theorie, entgegen ihren Möglichkeiten, blind für die in keine „Dialektik“ auflösbaren Widersprüche der Empirie. In Rückgriff auf die Existenzphilosophie, insbesondere auf Amérys Begriff der Leiberfahrung und Sartres Theorem der „Entscheidung“, versucht etwa Gerhard Scheit in seiner Studie „Der quälbare Leib“, diesem Defizit beizukommen. Der Vortrag möchte es demgegenüber unternehmen, gerade das oft als „negative Teleologie“ abgelehnte Moment des Adornoschen Denkens als notwenige Bedingung geschichtlicher Wahrheitserkenntnis auszuweisen, und daran erinnern, daß an den „Schwierigkeiten mit der Geschichtsphilosophie“ (Odo Marquard), in die jeder denkende Mensch durch die reflektierte Erfahrung der Wirklichkeit gestürzt wird, nicht die Philosophie, sondern die Geschichte schuld ist. [via]
- Download (via AArchiv): Vortrag (mp3; 35,9 MB; 1 h 2:41 min) | Diskussion (mp3; 28,1 MB; 49:08 min)
Hingewiesen sei noch auf zwei Veranstaltungen zum Thema in Halle: Am 13.12.2011 wird Birte Hewera über »Engagement und Desengagement. Jean-Paul Sartre – Michel Foucault – Jean Améry« referieren und am 15.12.2011 spricht Lars Quadfasel über »Die Abgründe der Autonomie. Zur Kritik von Freiheit und Subjektivität«. Beide Veranstaltungen finden im Melanchthonianum am Uniplatz in Halle statt (via Bubizitrone | via Hintergrundrauschen).
Bild & Ideologie
Wär’ nicht das Auge sonnenhaft,
Wie könnten wir das Licht erblicken?
Lebt’ nicht in uns des Gottes eig’ne Kraft,
Wie könnt’ uns Göttliches entzücken?
Mit diesem Vers des alten Goethe beginnt Christopher Zwi seinen Vortrag über »Bildlichkeit und Sehen in der Gesellschaft des Spektakels«, den er am 27.10. in Weimar im Rahmen der Reihe »Kunst, Spektakel und Revolution« gehalten hat. In Kontrast zu diesem göttlichen Sehen der Aufklärung stellt Zwi dann die Erfahrungen des französichen Buchenwaldhäftlings Jaques Lusseyran, der blind gewesen ist und der Buchenwald dementsprechend mit den verbleibenden vier Sinnen erfuhr: »Das Licht kommt nicht von außen; es ist in uns, auch wenn wir keine Augen haben« [Jaques Lusseyran: Das wiedergefundene Licht, München 1966, dtv]. Anhand dieser Gegenüberstellung rekonstruiert er eine geschichtlich-gesellschaftliche Dialektik von Sehen und Blindheit. Das Theorem des Verhältnisses von Bild, Wirklichkeit, Widerspiegelung und Reflexion umkreist er mit Marxens Anthropologie der Sinne und der Dialektik der Auflärung von Adorno und Horkheimer (hier vor allem das letzte Fragment »Zur Genese der Dummheit«). Im Übergang von der kritischen Theorie Adornos zu jener der Situationisten thematisiert er zudem das Proletariat im Bezug zu den Fetischformen der bürgerlichen Gesellschaft. Entscheidend sind am Ende dann drei thematische Stränge: die Spektakeltheorie der Situationisten, die Reflexionsbestimmungen Hegels und die kritische Ontologie des späten Lukács und gibt damit schon einen kleinen Einblick in den demnächst im ça ira-Verlag erscheinenden Lukács-Band.
Teil 1
- Download: via AArchiv (mp3; 29,8 MB; 52:08 min)
Teil 2
- Download: via AArchiv (mp3; 41,3 MB; 1h 12:12 min)
Die weiteren Vorträge der Reihe »Kunst, Spektakel und Revolution«, die zum größten Teil bereits hier dokumentiert sind, werden nach und nach direkt auf den AArchiv-Server hochgeladen.
Zum Ankündigungstext: Weiterlesen
Wo keins ist, ist eins #2
Während sich die erste Ausgabe der Sendung »Wo keins ist, ist eins« mit dem Anfang (des Denkens, der Logik) befasste, geht es in der zweiten Ausgabe um die Frage, wie voranzuschreiten sei, wo es hingehen soll. Wir hören zunächst ein ausführliches Referat, welches sich ausgehend von Hegels Logik mit den Bestimmungen des Denkens, der Abstraktion, der Reflexion, dem Übergehen von Sein und Nichts in ihr Entgegengesetztes und dem Werden auseinandersetzt. Die Diskussion, die diesmal zu zweit (Martin Blumentritt und Michael Löbich) stattfand, streift dann unter anderem die philosophiegeschichtliche Entwicklung des Idealismus, das Verhältnis von Endlichem und Unendlichem, Materialität und antagonistische Gesellschaft. Einen besonderen Fokus legen die beiden dabei diesmal auf den Begriff der Totalität und des Ganzen. Immer wieder kommen die beiden dabei auf Adorno zu sprechen, dessen Gesellschafts-Begriff sie am Ende als einen dialektischen gegen den Positivismus diskutieren.
- Download: via AArchiv (mp3; mono; ohne Musik; 58,8 MB; 1:43 h) oder via hotfile (mp3; stereo; mit Musik; 163,6 MB; 2 h)
Wo keins ist, ist eins
Theoretische Veranstaltungen können durchaus auch Praktisches nach sich ziehen: ein Ergebnis der Veranstaltung der Gruppe Kritikmaximierung mit Stefan Müller über Aspekte der Dialektik, die am 18.08.2011 in Hamburg stattfand, ist, dass sich Susanne Sippel, Michael Löbich und Martin Blumentritt zusammengetan haben, um die Diskussion über Dialektik im Radio weiterzuführen. Am 09.10.2011 war die Sendung »Wo keins ist, ist eins« zum ersten mal auf FSK zu hören. Nach einer kurzen Einleitung diskutieren die drei über Hegels Anfang aller logischen Bestimmungen: wie kann das Denken aus der Gleichzeitigkeit und Antinomie von reinem Sein und dem Nichts zum prozesshaften Werden übergehen? Das Radiogespräch versucht sich dann aus verschiedenen Richtungen Hegel zu nähern und sein Denken zu charakterisieren. Hierbei sind auch Marx und Adorno als dialektische Denker immer wieder wichtige Bezugspunkte. In der zweiten Stunde der Sendung entfernt sich die Diskussion ein wenig vom eher grundlegend philosophischen Thema, hin zu der Frage: was können wir tun? Eine Frage, die nicht umhinkommt, die Gesellschaft, die doch Ausgangspunkt dieser Fragestellung ist, als Totalität zu begreifen – als Totalität, die zu bestimmen wäre. Die Sendung »Wo keins ist, ist eins« wird nun monatlich auf FSK zu hören sein – wir werden die Sendereihe aufmerksam verfolgen und an gleicher Stelle dokumentieren. [Da der Stream etwas brüchig war, ist die Sendung an zwei Stellen kurz unterbrochen – die Musik wurde in der Audiodatei entfernt.]
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Brimboria – Die subversive Strategie des Fake
Im April letzten Jahres organisierte das Brimboria-Institut in Leipzig einen Kongress zur subversiven Strategie des Fakes. Inzwischen stehen die Videoaufnahmen der dort gehaltenen Vorträge bei vimeo zur Verfügung. Hier sind die Vorträge als Audiodateien dokumentiert:
1. Der im letzten Jahr verstorbene Martin Büsser referiert über die Bewegungen der Kunstavantgarde und das Paradox des Versuches, die Kunst aufzuheben. Er diskutiert zahlreiche Beispiele, auch der jüngeren Kunstgeschichte. Im Grunde ist es eine kürzere Version seines bereits dokumentierten Vortrages „Von der Avantgarde zur Selbstreferenzialität“ (Mitschnitt | Text).
- Download: via AArchiv (mp3; 15,6 MB; 27:20 min)
2. Lars Quadfasel kritisiert die Vorstellung, dass es anstrebenswert wäre, eine Einheit von Theorie und Praxis herzustellen. Er kritisiert den Praktizismus als eigentliche Simulation von Praxis, die eine Reflexion des eigenen Handelns verunmöglicht und entweder auf eine Zuweisung der Schuld am eigenen Scheitern an sabotierende Bösewichte oder auf eine protestantische Selbstkasteiung hinausläuft. Begrifflich diskutiert er das Verhältnis von Theorie und Praxis mit Marx, Adorno und Wolfgang Pohrt („Vernunft und Geschichte bei Marx„). Goethes Faust kommt natürlich auch vor. Der Mitschnitt enthält leider einige störende Nebengeräusche.
- Download: Vortrag (mp3; 24,7 MB; 43:13 min) | Diskussion (mp3; 19,9 MB; 34:43 min)
3. Roger Behrens spricht über das Fake im Spannungsfeld von Ästhetik und Kulturindustrie: Er bestimmt mit Stefan Römer den Fake als mimetische Nachahmung eines Kunstwerkes, womit eine kunstimmanente Definition gegeben wäre. Darüber hinausgehend ist die zentrale These des Vortrags: »Fake ist ein der Kulturindustrie immer schon inhärentes Verfahren, gerade wo die Produkte (auch die Kunst) in die Warenform eingepasst werden.« Damit geht es aber auch um die Unterscheidung von wahr und falsch und damit um die Bedingungen von Ideologiekritik. Roger verknüpft seine Ausführungen wie gewohnt mit allerlei wissenswerten Geschichten aus der Entwicklung der modernen Welt. Sowohl Lars, als auch Roger sind dem »Fake als subversive Praxis« nicht sonderlich zugetan.
- Download: via AArchiv (mp3; )
Wer ein wenig weiterlesen will, sei auf das im Vorfeld des Kongresses geführte Interview mit dem Brimboria-Institut und auf die Nachbetrachtung von rebelart.net hingewiesen. Der Vortrag von Robert und Zwi über »Détournement und Fälschung in der situationistischen Theorie und Praxis« steht leider nicht als Videoaufnahme zur Verfügung, dafür ist das Script bei Kriegstheater dokumentiert. Zum Ankündigungstext des Kongresses: Weiterlesen
Das Verhältnis von kritischer Theorie und Praxis
im Spannungsfeld von Ideologie, Organisation und Alltag
Inwiefern führt ein unbedingtes Setzen auf unmittelbare, verändernde Praxis nur noch tiefer in das bestehende Falsche hinein? Enthält eine Theorie, die Abstand von der Praxis nimmt, in der Benennung des falschen Ganzen schon einen Index des erstrebenswerten Besseren? Inwiefern handelt es sich bei dem Alltagsverstand der nicht-intellektuellen Menschen nicht doch schon stets um intellektuelle Tätigkeit? Inwiefern birgt das technische Wissen jeder verrichteten Arbeit nicht auch ein Potential von Reflexion und Kritik? Diese Fragen diskutiert Martin Krempel (BiKo) in seinem Vortrag, den er am 08.07.2011 in Jena gehalten hat. Er referiert jeweils mehrere Thesen zum Theorie-Praxis-Verständnis von Theodor W. Adorno und Antonio Gramsci, die er gegenüberstellt und aneinander abarbeitet, um das Vermittlungsproblem zwischen Theorie und Praxis in den analytischen Blick zu bekommen, ohne letztlich beide miteinander wie auch immer zu versöhnen.
Seit über einem Jahrhundert werden in gesellschaftskritischen Gruppen grundlegende Fragen immer wieder diskutiert. Vorrang der individuellen oder der kollektiven Bedürfnisse? Spontaneismus oder Organisation? Revolution oder Reformation? etc. Neben diesen Dauerbrennern wird eine Frage jedoch immer relevanter für politische Arbeit: »Wie ist das Verhältnis von Theorie und Praxis zu bestimmen?« Dieses Problem lässt nicht nur Differenzen im politischen Verständnis auftauchen, sondern es verhindert auch ganz explizit Bündnisse und schafft es ganze Assoziationen zu spalten. Die Fraktion einer »ohnmächtigen Theorie« steht dann häufig der Fraktion einer »blinden Praxis« gegenüber. Die »Theoretiker_innen« sehen meistens als die wichtigste Aufgabe von linker Politik die ideologiekritische Aufklärung über den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang an. Die »Praktiker_innen« dagegen präferieren die direkten Aktion und Organisation gegen Herrschaftsmechanismen. Beide idealtypischen Parteien finden sich jedoch in der heutigen Zeit zu einem großen Teil blockiert und fragmentiert vor. Eingeklemmt zwischen bürgerlicher Hegemonie und dem Alltagsverstand der Leute stößt jede kritische Theorie und Praxis auf eminente Probleme. So ist kritische Theorie isoliert, der antikapitalistischen Bewegung fehlen Anknüpfungspunkte in die Gesellschaft und eine Aufbruchsstimmung ist auch nicht in Sicht. Um die Möglichkeiten und Grenzen kritischer Handlungsfähigkeit auf dem theoretischen wie dem praktischen Terrain zu erkunden lädt das »Biko« zu einem Vortrag über das spannungsgeladene und widersprüchliche Verhältnis dieser beiden »Praxen« ein. Der Theorie/ Praxis- Komplex soll durch den Rückgriff auf die unterschiedlichen Gedanken von Theodor W. Adorno und Antonio Gramsci »neu« aufgerollt und durchleuchtet werden. Erstens um über das schwierige Verhältnis von Theorie und Praxis – mit einem kühlen Kopf nachzudenken und zweitens dadurch einen kleinen Schritt zur Überwindung eines innerlinken Grabenkampfes leisten zu können. Der Diskurs über den Theorie/ Praxis- Nexus soll im Vortrag zugespitzt werden, nicht um ihn zu schließen, sondern im Gegenteil um ihn unter Spannung verhandelbar zu machen. [via]
Download: via AArchiv (mp3; 35,8 MB; 1h 2:35 min)
Der postmoderne Beitrag zur Barbarisierung der Gesellschaft
Während es im letzten Beitrag einen groben Überblick darüber gab, was die Postmoderne eigentlich ist, können wir uns nun der Kritik derselben widmen: Die Gruppe Monaco stellt einen Mitschnitt der Buchvorstellung des kürzlich im ça ira Verlag erschienenen Sammelbandes „Gegenaufklärung. Der postmoderne Beitrag zur Barbarisierung der Gesellschaft“ zur Verfügung, die am 17. Juni 2011 in München stattfand (danke für den Hinweis, KayOhKayn). Im ersten Teil rekonstruiert Alex Gruber (Café Critique) den Poststrukturalismus als deutsche Ideologie: er umreißt erst den Begriff der Deutschen Ideologie, wie ihn erst Marx und Engels und später Adorno verwendet haben und gleicht diesen dann mit Nietzsche, Heidegger, Derrida und Butler ab. Im zweiten Teil referiert Philipp Lenhard (Redakteur der Zeitschrift Prodomo), mit einem Umweg über Heidegger und Freud, über den Zusammenhang von deutscher Ideologie und politischem Islam.
Download:
- via zippyshare: Teil 1 (mp3; 54,1 MB; 59:03 min), Teil 2 (mp3; 47,8 MB; 51:15 min), Diskussion (mp3; 30,7 MB; 33:34 min)
- via AArchiv: Teil 1 (33,8 MB), Teil 2 (29,2 MB), Diskussion (19,2 MB)
Zwei der Texte aus dem Buch stehen inzwischen schon im Internet zur Verfügung: “Deutsche Ideologie”: Von Stirner zum Poststrukturalismus (leicht abgewandelt in der Jungle World) | Dekonstruktion und Regression. Der Poststrukturalismus als Masseverwalter Carl Schmitts und Martin Heideggers
Der postmoderne Körper
1. Die Antiquiertheit des Sexus – Zur Kritik der postmodernen Körpertechnologie: Im Rahmen der Reihe „Hab mich gerne, Postmoderne. Zur Kritik des Poststrukturalismus“ der Gruppe AG No Tears for Krauts referierte Magnus Klaue am 18. Mai 2011 über die Ersetzung des Leib-Begriffs durch den des Körpers in der postmodernen Körperpolitik. Er geht dabei zunächst auf das Konzept der Polyamorie ein, das er als einen rationalisierten, technisierten Umgang mit eigenen Gefühlen kritisiert. Während in der Polyamorie über Sexualität eigentlich gar nicht mehr gesprochen wird, ist die Austreibung der Sexualität auch für postmoderne Körperkonzepte kennzeichnend. Während im Begriff des Leibes auf etwas nicht Verfügbares verwiesen ist und zudem mit der Thematisierung des Alterns Geschichtlichkeit impliziert, ist hier der Körper als etwas bloß Erzeugtes nur noch ein Ensemble von Technologien, das keine Geschichte mehr hat. Die Aufnahmequalität ist leider nicht sonderlich gut.
Zur neuesten Tendenz postmoderner Genderpolitik gehört der Versuch, die geschlechtertheoretischen Prämissen der Arbeiten von Judith Butler et al. in einer Weise praktisch werden zu lassen, die die altlinke Formel vom Privaten, das politisch sei, in denkbar bedrohlichster Weise zu verwirklichen verspricht. Beatriz Preciados „Kontrasexuelles Manifest“, das den Hass auf Sexus und Trieb selbstbewusst im Titel führt, sowie die „gendertechnologischen“ Schriften Donna Haraways sind die Referenztexte einer gender- und queerlinken Bewegung, die jeden Einzelnen auffordert, die Abschaffung des Leibes zugunsten des „Körpers“ und den Rückbau des Ich zum bewusstlosen Knotenpunkt blinder „Konstitutionsprozesse“ mit Haut und Haaren an sich selbst zu exekutieren. Der anti-humanistische „neue Mensch“, der dabei entstehen soll und wahlweise als „Mensch-Maschine“ oder „Cyborg“ figuriert, hat kein Unbewusstes und kein Triebschicksal, keine Geschichte und kein Begehren mehr. Seine Symbolwelt steht Preciado gemäß nicht mehr im Banne des „Phallus“, sondern des „Dildos“, des puren Konstrukts, das die reale Erfahrung der Verschränkung von Sexualität und Herrschaft liquidiert, indem es Intersubjektivität und Herrschaft konvergieren lässt. In seiner Welt gibt es weder Intimität noch individuelle Liebe, die Impulse der kindlichen Sexualität sind ebenso getilgt wie die Erfahrung der Sterblichkeit des menschlichen Körpers. Sexualität, von jedem Einzelnen als angstbesetzt und rätselhaft empfunden, soll kommensurabel gemacht werden, indem sie zum puren Vollzug eines allgemeinen Gesetzes erniedrigt wird: lästig, aber nötig, frei von jedem Glücksversprechen und damit auch von der Angst vor Enttäuschung. In Anschluss an Günther Anders’ Theorem von der „Antiquiertheit des Menschen“ möchte der Vortrag zeigen, dass die Postmoderne damit endgültig zur praktischen Ethik individueller Selbstauslöschung wird, wie Anders sie in Heideggers Technikbegriff, den der deutsche Faschismus zu verwirklichen suchte, angelegt sah. Magnus Klaue ist freier Autor und schreibt unter anderem für „Bahamas“ und „Jungle World“. [via]
- Download: via AG No Tears (mp3; 47,6 MB; 52 min) oder via AArchiv (29,8 MB)
2. Der (post-)moderne Körper – Ort der gelebten Möglichkeiten?: In ihrem Vortrag über den postmodernen Körper im Rahmen der Reihe „Kunst, Spektakel und Revolution“ kritisieren Katja und Korinna (siehe ihren Artikel Fat is a feminist Issue hier oder zum anhören hier) aus einer dezidiert feministischen Perspektive ebenfalls das postmoderne Verhältnis zum Körper. Grundthese ist hier mit Marx und Adorno, dass das verdinglichte Gesellschafts-Naturverhältnis in der kapitalistischen Produktionsweise neben einer Beherrschung der äußeren Natur auch die des eigenen Leibes bedeutet. Die so beherrschte und verdrängte Natur kehrt im bürgerlichen Konzept der Weiblichkeit wieder – die verdrängte menschliche Leiblichkeit wird auf die Frau projiziert. Mit der Emanzipation der Frau zum bürgerlichen Subjekt verschärft sich das weibliche Verhältnis zum eigenen Körper jedoch: sie muss Natur zugleich repräsentieren und beherrschen. Was diese Veränderung für weibliche Körperlichkeit bedeutet, hat dabei etwas mit den Veränderungen im Produktionsprozess zu tun: während im industriellen Zeitalter der Körper ein Mittel der Produktion darstellt, wird er im post-industriellen Zeitalter aus dem Produktionsprozess ausgeschlossen und selbst zu einem Gegenstand der Produktion: er wird zu einem gestaltbaren, jederzeit verfügbaren Produkt. Was dies für viele Frauen bedeutet, ist Gegenstand des Vortrags. In Weimar haben Katja und Korinna ihrem Vortrag ein Musikvideo vorangestellt, welches hier angesehen werden kann.
Die Entwicklung des bürgerlichen Subjekts war notwendig verbunden mit der Spaltung des Menschen in Geist und Körper. Die Herrschaft des sich autonom dünkenden Geistes über den Körper bedeutete seitdem, immer einen Teil der körperlichen Bedürfnisse zu verleugnen. Unterdessen zeichnet sich der gegenwärtige Trend eher durch eine tiefe Sorge um den Körper aus. Er ist zu einem Ort der unendlichen Gestaltung avanciert, in dem sich Bilder von Ästhetik, Fitness und Selbstkompetenz vereinen sollen. Dies scheint jedoch zunächst weniger ein Zeichen von Autonomie zu sein als vielmehr der Gewalt gesellschaftlicher Zwänge geschuldet, von denen vor allem Frauen betroffen sind. Diese äußern sich nicht zuletzt darin, dass der Körper zum bevorzugten Austragungsort innerer Konflikte geworden ist. Spiegelt der destruktive Umgang mit dem Körper einerseits die leidvollen Konflikte des Subjekts mit der Gesellschaft wider, so bleibt ebenso zu fragen, welches emanzipatorische Potential sich im Körperkult ausdrückt. Steckt im Bedürfnis nach der Umgestaltung des eigenen Körpers womöglich ebenso die Anklage gegen das schlechte Bestehende wie der verborgene Wunsch der individuellen Emanzipation? Eine feministische, emanzipatorische Kritik am Körper hieße eine bewusste Reflexion auf dieses Verhältnis von Wünschen und Zwängen, dem versucht wird, nachzuspüren. Katja und Korinna leben in Leipzig. In der letzten Ausgabe der „Outside the Box Zeitschrift für feministische Gesellschaftskritik“ schrieben sie über die feministische Kritik des postmodernen Körperverhältnisses. [via]
- Download: via archive.org (mp3; 49,2 MB; 53,46 min) oder via AArchiv (30,8 MB)
Wer denkt, ist nicht wütend
Die Nazis und der Swing
1. SWR2 Wissen: Goebbels‘ Swing-Band. Musik als Propagandamittel.
Von Mechthild Müser
Swing und Jazz waren im nationalsozialistischen Deutschland als „entartete Musik“ diffamiert und verboten. Das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda selbst veranlasste jedoch 1939, vermutlich sogar angestoßen von Joseph Goebbels, die Gründung einer Big-Band: Charlie and his Orchestra. Mit Sendung der Lieder dieser Combo im Auslandrundfunk sollte der Feind demoralisiert und verspottet werden – einige der bekanntesten und begabtesten Jazzmusiker Deutschlands schlossen sich so zu einer NS-Propaganda-Jazz-Band zusammen. Das Feature von Mechthild Müser berichtet über Geschichte und Hintergründe der Band „Charlie and his Orchestra„.
Download: via SWR2 (mp3; 25,7 MB; 28:01 min)
2. »… in the way of Lindy Hop«. Swingtanzen zwischen Anpassung und Widerstand
Vortrag mit Juliane Hummitzsch
Juliane Hummitzsch zeigt in ihrem Vortrag, wie sich in der Form des Tanzstils „Lindy Hop“ auf spezifische Weise die Widersprüchlichkeit kapitalistischer Subjektivität widerspiegelt. Dazu rekonstruiert sie in einem historischen Teil die Geschichte der Jazz-Musik, die Entstehung des Lindy Hop in den USA und die Rolle der Swing-Kultur in Deutschland, um anschließend mit Bezug auf Adorno, Kracauer und Gerhard Scheit einige Überlegungen zum Verhältnis von Anpassung und Widerstand in der Kulturindustrie im Allgemeinen und im Lindy Hop im Besonderen anzustellen. Der Versuch, einen Zusammenhang zwischen Tanztheorie und Gesellschaftskritik herzustellen, macht den Vortrag sehr interessant. Der Vortrag ist in Textform in der Bremer Zeitschrift Extrablatt erschienen.
Download: via archive.org (mp3; 24,9 MB; 43:24 min)
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Die Situationisten und die Aufhebung der Kunst
Die Dokumentation des internationalen Symposiums Interventionen, das im Oktober 2010 in Paderborn stattfand, enthält den Mitschnitt eines Vortrags von Anselm Jappe (u.a. Autor der Zeitschrift Exit!) mit dem Titel „Die Situationisten und die Aufhebung der Kunst: was bleibt davon nach fünfzig Jahren?„. Jappe gibt dort einen Überblick über die Geschichte und Aspekte der kritischen Theorie der Situationistischen Internationalen, besonders mit einem Fokus auf den Gegenstand der Kunst. Besonders interessant werden die Ausführungen Jappes m.E. am Ende des Vortrags, wo er den Fortschrittsglauben der S.I. kritisiert und die Perspektive der S.I. auf die Aufhebung der Kunst mit ähnlichen und doch entscheidend anderen Ansätzen aus der Ästhetischen Theorie Adornos konfrontiert. Um diesen Aspekt dreht sich dann auch die Diskussion, die wegen des Mittagessens leider vorzeitig abgebrochen werden musste. Die anderen auf dem Symposium gehaltenen Vorträge sind hier dokumentiert. Ein Text von Anselm Jappe zum Vergleich von Adorno und Guy Debord gibt es hier.
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Download: via Audioarchiv Vortrag (20,6 MB, 1h), Diskussion (2,8 MB, 8 min) oder in einer Datei via Interventionen (31,9 MB, 1h 9 min)
Das Gerücht über die Juden. Antisemitismuskritik bei Adorno und Horkheimer
Als erster Beitrag aus der von der Bielefelder Association Critique organisierten Veranstaltungsreihe »Was uns beherrscht« (Okt – Dez. 2010) erscheint hier der leider etwas schnell gesprochene Vortrag von Paul Mentz (RRU) zum Antisemitismusverständnis der kritischen Theorie. Dokumentiert ist ebenfalls (scheinbar allerdings nur teilweise) die Diskussion, in der es u.a. zu einem kleinen Materialismusstreit und zu einer Auseinandersetzung über Israel kam.
Download: Nachbearbeitet via Audioarchiv (1:51 h, 38 MB), via MF | Original via Sound Cloud (102 MB)
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