Alles falsch. Auf verlorenem Posten gegen die Kulturindustrie (II)
Eine Buchvorstellung zu diesem im Verbrecherverlag erschienenen Sammelband haben wir bereits vor einiger Zeit dokumentiert. Nun hat mir ein Genosse aus Frankfurt eine weitere Aufzeichnung zugespielt – herzlichen Dank dafür! In ihr ist Mitherausgeber Dirk Braunstein zu hören, der nach einigen Worten zum Inhalt des Bandes aus seinem eigenen Beitrag liest. Es handelt sich um eine treffsicher-polemisch kommentierte Presseschau zu Adornos 100. Geburtstag (2003). Braunstein behandelt damit in angemessener Weise einige hanebüchenen »Würdigungen« Adornos, die im Schlechten nur noch von den – zu diesem Anlass ebenfalls überreichlich und nicht selten im selben Atemzug verbreiteten – dummdreisten »Kritiken« an »Teddie, dem Schlechte-Laune-Bären« übertroffen werden. Und das ist nicht nur hörens- bzw. lesenswert, sondern stellenweise auch (im Einklang mit der Kulturindustrie?) sehr amüsant.
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Ankündigungstext:
Buch & Kritik
Freitag, 12.10.12, 20 Uhr, Raum IG 311 im I.G.Farben-Haus der Universität Frankfurt, Grüneburgplatz 1:
„Alles falsch. Auf verlorenem Posten gegen die Kulturindustrie“
Buchpräsentation mit dem Herausgeber Dirk Braunstein (Bochum).Während es üblich geworden ist, innerhalb der Kulturwaren zu differenzieren, um so deren vermeintliche Freiheitspotentiale zu entdecken, läßt sich die Kulturindustrie als das kritisieren, was sie ist: Produkt und zugleich Produzentin des falschen Ganzen, als das sie Adorno zu seiner Zeit verurteilte. Konnte er jedoch noch damit rechnen, durch Übertreibung ihre Wahrheit zu treffen, hat die Kulturindustrie unterdessen ihren eigenen Superlativismus übertroffen.
Wenn sich die deutsche kulturschaffende Intelligenz mit demjenigen befaßt, der die Kulturindustrie zuallererst auf ihren Begriff brachte, wird es finster im Lande. Mit dem hundertsten Geburtstag Adornos im September 2003 war ein gerne genutzter Anlaß gefunden, die Kritische Theorie der Gesellschaft auf das eigene Niveau des unverbindlichen Geschwätzes herunterzuziehen und den Philosophen und Soziologen Adorno zum »Teddie« sowie das bestehende Elend zur besten aller Welten zu machen: Kapitalismus, Barbarei, Auschwitz – alles halb so wild und Adorno ein unverbesserlicher Pessimist und Miesmacher.
Das kurrente Philosophiegewerbe ist Teil gerade jener Kulturindustrie, die man hierzulande so gerne in den USA am Werke sieht. Der New-Yorker »Anbruch« registrierte allerding die deutsche »Adorno-Industrie«, derweil im »Spiegel« hingegen eitel Freude darüber herrschte, daß die Feierlichkeiten »nun auch den privaten Theodor Wiesengrund-Adorno« in der Vordergund gerückt hatten. Wird dort Kritik daran geübt, daß die Appartschiks der Kulturindustrie Adorno schlicht überrannt und gefleddert haben, wird hier ein Einvernehmen darüber hergestellt, daß das Private offiziell und das Offizielle, alles, was man ›Werk‹ nennen könnte, privatistische Angelegenheit spinnerter ›Adorniten‹ sei.
Der Vortrag von Dirk Braunstein zeigt, wie dieses Einvernehmen hergestellt wird und was das für die Kritik der Kulturindustrie im besonderen sowie für Gesellschaftskritik im allgemeinen bedeutet.
Dirk Braunstein promovierte über Adornos Ökonomiekritik, ist Gastwissenschaftler am Institut für Sozialforschung und lebt in Bochum.