Vor hundert Jahren, am 31. Oktober 1912 wurde Jean Améry als Hans Chaim Mayer in Wien geboren. Der politische Essayist und Schriftsteller, von den Nazis als Jude und Widerstandskämpfer verfolgt, interniert, gefoltert, wählte 1978 den Freitod. Die folgenden Beiträge, welche teilweise aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, teilweise aus den freien Radios stammen, erinnern an Améry, an seine leidvolle Biographie ebenso wie an sein leidenschaftlich-engagiertes Schreiben nach 1945.
1. 100 Jahre Jean Améry: Die Unmöglichkeit weiterzumachen.
Roger Behrens geht u.a. Amérys Kritik des linken Antisemitismus und seiner Auseinandersetzung mit Philosophie und Literatur nach.
Jean Améry wurde im April 1945 von den Engländern aus Bergen-Belsen befreit – nach zwei Jahren in verschiedenen Konzentrationslagern, darunter Auschwitz.
Der Schriftsteller polemisierte in den folgenden Jahren gegen alle diejenigen, die die existenzielle Bedeutung des Staates Israels nicht sehen wollten. Denn das Bestehen dieses Staates, so Améry, sei nur vor dem Hintergrund der Katastrophe Auschwitz und der darin enthaltenen Möglichkeit eines zweiten Auschwitz zu sehen. Améry hatte sich selbst immer als der Linken zugehörig betrachtet. Die Ignoranz gegenüber der andauernden Bedrohung Israels und der zunehmende und nur schlecht als „Antizionismus“ verhüllte Antisemitismus ausgerechnet innerhalb der Linken ließen ihn jedoch schließlich an dieser Linken verzweifeln. Wir hören Roger Behrens über Améry, der am (heutigen) Mittwoch 100 Jahre alt geworden wäre.
2. Vom Leben nach der Folter. Erinnerung an Jean Améry
Von Astrid Nettling
Dass die Folter das fürchterlichste Ereignis sei, das ein Mensch sich bewahren könne – dieses kompromisslose Urteil stammt von Jean Améry, dem belgischen Schriftsteller österreichischer Herkunft. Nach seinen qualvollen Erfahrungen als KZ Häftling während der Zeit des Nationalsozialismus stellte er immer wieder fest, in der Welt nicht mehr heimisch werden zu können.
3. DRS 2 Reflexe: Jean Améry, Modernist aus Leidenschaft
Der österreichische Schriftsteller Jean Améry (1912-1978) verkörperte einen Typus von Intellektuellen, wie es ihn heute kaum noch gibt. Der gebürtige Wiener war ein blendender Stilist und ein kritischer Analytiker der Zeitläufe.
Er war von der französischen Aufklärung und vom Existenzialismus Sartres geprägt, ein wacher, sensibler und nervöser Geist, der über Foucault und den Strukturalismus ebenso glänzend zu schreiben vermochte wie über seine Erfahrungen als KZ-Häftling in Auschwitz und die moralischen Aspekte des Freitods.
Zum 100. Geburtstag, am 31. Oktober 2012, erinnert Günter Kaindlstorfer an den bedeutenden Schriftsteller und stellt die Frage nach Amérys Aktualität. [via]
4. ZDF: Zeugen des Jahrhunderts
Zuletzt ein Gespräch, das Ingo Hermann mit Améry kurz vor dessen Tod im Sommer 1978 geführt hat. Es kreist u.a. um das Thema politische Gewalt. Die Aufzeichnung ist leider unvollständig.
Vielen Dank für den Hinweis und ebenso für die „Wertschätzung“! Habe die Freigabe geändert.
Die RS-Datei der BR-Sendung müsste noch freigegeben werden damit sie heruntergeladen werden kann.
Einen großen Dank nochmals an alle Betreiber des Archivs für all die Mühe, die vllt. nicht immer zur Kenntnis genommen und entsprechend gewürdigt wird!
Sehr empfehlenswert ist auch diese http://userpage.fu-berlin.de/~ikk/amery/index.php Tagung am 17. November in Berlin.
Ich habe noch eine weitere Sendung gefunden, in der Améry zu hören ist. Im BR Nachstudio wurde eine im Rundfunk begonnene und dann anderweitig publizistisch fortgesetzte Debatte zusammenfassend wiedergegeben, die Améry 1966 mit einem Ex-Nazi führte, welcher sich seine Vergangenheit betreffend apologetisch verhielt. Ich habe den entsprechenden Teil der Sendung ausgeschnitten.
Download via RS (0:25 h, 20 MB)
Im DLF-Büchermarkt gibt es einen Beitrag zu Amérys Diskurs über den Freitod inkl. Originaltonaufnahme.
Download: via DLF | via load.to (0:20 h, 9 MB)
Hat eigentlich jemand solche Originalaufnahmen oder vermodern die in irgendwelchen Rundfunkarchiven?
Auf Deutschlandradio wurde heute außerdem ein Interview über Améry mit Stefan Grigat geführt: via dRadio | via AArchiv
Die Göttinger Gruppe OLAFA hat im letzten Jahr ein dreiteiliges Radio-Projekt über Améry gemacht (wie schon vor einiger Zeit dokumentiert). In einem fiktiven Interview werden ausführliche Zitate von Améry verlesen.
Teil 1: via OLAFA
Teil 2: via OLAFA
Teil 3: via OLAFA