»I was not a member of any Communist Party«

Bertolt Brecht vor dem Ausschuss für un-amerikanische Tätigkeit

Ein historisches Dokument, vorgestellt von Eric Bentley

[English description further down.] Nicht nur die Geschwister Eisler, auch Bertolt Brecht musste im Oktober 1947 vor dem »Ausschuss für unamerikanische Tätigkeit« (House Committee on Un-American Activities) Rede und Antwort stehen, der im Zuge der ersten Welle der Kommunistenhatz nach dem zweiten Weltkrieg in den USA erneut Wichtigkeit erlangte und eher einem propagandistischen Zweck diente, jedoch einige Prozesse gegen Exil-Kommunisten nach sich zog. Im Folgenden ist die Aufnahme des Verhörs von Bertolt Brecht dokumentiert. Die HörerInnen erhalten dabei einerseits einen Eindruck von Brechts schlechtem, aber selbstbewusst vorgetragenem Englisch, für das er im amerikanischen Exil bald bekannt geworden war – zum anderen von der List, mit der Brecht die Fragen der Ausschuss-Mitglieder erwiderte. Interessant und absurd wird das Verhör vor allem an der Stelle, bei der sich Brecht mit den Vorgesetzten des Komittees darüber streitet, wie das Lehrstück »Die Maßnahme« zu interpretieren sei. Die Aufnahmen werden von Eric Bentley eingeleitet und kommentiert. Ein wichtiges und interessantes Dokument der Geschichte des Kommunismus und Antikommunismus sowie der Nachkriegsgeschichte.

Bertolt Brecht at the ‚House Committee on Un-American Activites‘A historical document, presented by Eric Bentley: Like Gerhart and Hanns Eisler, also Bertolt Brecht had to answer the questions of the Members of the House Committee on Un-American Activities (HCUA), that was built to opress communist tendencies, which apparently infiltred the american society. After the Second World War and in aftermath of the first big wave of pursuit against communists, the HCUA get propagandistic importance and prepared some legal proceedings against communist expatriates. Hereafter we offer the recording of the interrogation of Bertolt Brecht in octobre 1947. The listeners get an impression of Bertolt Brechts bad, but self-confident spoken English (the exile-friends of Brecht laugh about and learned to like that pronunciation) and also of the trick of Brecht’s answers. The most interesting and surely absurd part of the questioning begins, when Brecht and the questioners quarrel about the interpretation of Brecht’s play »Die Maßnahme« (The Decision). The original recordings are introduced and commented by Eric Bentley. An important and interesting document of communist and anti-communist history.

    Download (via Mediafire): Seite A (mp3; 28,5 MB; 31:06 min) | Seite B (mp3; 27,9 MB; 30:30 min)

Kurzer Text über Brechts Verhör:

Brecht vor dem unamerikanischen Komitee

Als Winston Churchill im März 1946 in Fulton (Missouri) seine berüchtigte Rede hielt, in der er die militärische Zusammenarbeit zwischen Großbritannien und den USA gegen die Sowjetunion forderte und die Formulierung vom „Eisernen Vorhang“ prägte, begann der Kalte Krieg.

Bald danach inszenierte die Regierung Truman eine beispiellose Hetzjagd auf Kommunisten und alle fortschrittlichen Menschen und Organisationen. Die antifaschistische Einstellung breiter amerikanischer Schichten, die Sympathie mit der Sowjetunion, dem Verbündeten im Krieg gegen Nazideutschland, mußten ausgetrieben werden, sollten dem Haß gegen alles „Rote“ weichen. Das Instrument, dessen sich die Truman-Regierung zu diesem Behufe bediente, war das Kongreß-Komitee gegen unamerikanische Betätigung, im Volksmund unamerikanisches Komitee genannt. Dieses Komitee bestand bereits seit zehn Jahren, führte aber ein unbedeutendes, obskures Dasein. Im Jahre 1947 holte man es quasi aus der Versenkung, und seinen Vorsitz übernahm ein Abgeordneter der Republikanischen Partei, J. Parnell Thomas, ein eingefleischter Kommunistenfresser, ihm zur Seite der Chefberater Robert Stripling und mit von der Partie, neben anderen Mitgliedern, ein junger kalifornischer Senator namens Richard Nixon.

Das Komitee erwählte sich als erstes Opfer den deutschen Antifaschisten Gerhart Eisler, mit dem es das Volk in den USA das Fürchten lehren wollte. Es erklärte ihn zum „Boß aller Roten“, direkt vom Kreml geschickt, um die USA-Regierung mit Gewalt zu stürzen. Am 6. Februar 1947 wurde er vor das Komitee zum hochnotpeinlichen Verhör zitiert. Er verweigerte aber jede Aussage, weil man ihm nicht gestattete, eine Erklärung zu seiner Person und seiner Tätigkeit in den USA während des Krieges abzugeben, auch war er nicht bereit, irgendeinen Amerikaner zu nennen und den Hexenjägern auszuliefern. Das Verhör endete mit einem Eklat und der Verurteilung Eislers zu einem Jahr Gefängnis wegen „Verächtlichmachung des Kongresses“.

Es dauerte nicht lange; bis auch Hanns Eisler eine Vorladung zu dem Komitee erhielt. Ihm warfen sie vor, der „Karl Marx der Musik“ zu sein, strafverschärfend natürlich, daß er der Bruder von Gerhart Eisler war. Und weil Eleanor Roosevelt sich seinerzeit dafür eingesetzt hatte, daß Hanns Eisler die Einreiseerlaubnis in die USA erhielt, verdächtigte das unamerikanische Komitee die Witwe des früheren amerikanischen Präsidenten, eine Sympathisantin der Kommunisten zu sein. Die Schikanen gegen Hanns Eisler lösten einen nationalen Skandal aus.

Das Komitee schuf im ganzen Land eine Atmosphäre der Verdächtigungen, des Mißtrauens, der Angst, eine Welle des hysterischen Antikommunismus. Es genügte, ein entfernter Verwandter von jemandem zu sein, der mal eine kommunistische Versammlung oder ein Solidaritätsmeeting für die Sowjetunion besucht hat, um verdächtig, ein „Sicherheitsrisiko“ zu sein, auf die schwarze Liste gesetzt zu werden.

Ganz besonders hatte man es auf die Filmschaffenden in Hollywood abgesehen, die während des Krieges antifaschistische Filme produziert hatten. Der Fall der „Zehn von Hollywood“, die sich weigerten, auszusagen und für sich den Fünften Zusatz zur Verfassung in Anspruch nahmen, um sich nicht zu inkriminieren, ist bekannt. Dafür wurden sie ebenfalls zu Gefängnis verurteilt und erhielten Berufsverbot.
Es waren aber im ganzen neunzehn Filmleute, einige Regisseure fielen um und denunzierten ihre Kollegen, ein bekannter Filmschauspieler, John Garfield, erlitt vor Aufregung einen Herzinfarkt und starb, ein anderer Filmschaffender beging Selbstmord. Unter den 19 befand sich auch Bertolt Brecht.

Am 19. September 1947 wurde er davon unterrichtet, daß er sich im Oktober in Washington einzufinden habe. Brecht hatte für United Artists am Drehbuch für den Film „Hangmen also Die“ („Auch Henker sterben“) mitgewirkt. Das Verhör fand am 30. Oktober durch Stripling und Thomas statt. Brecht hatte, als er nach Washington ging, bereits das Flugbillett nach Europa in der Tasche und war fest entschlossen, sich den Hexenjägern auf listige Weise zu entziehen, ihnen keine Möglichkeit zu geben, ihn vom Formalen her zu fassen. Als Ausländer nahm er den Fünften Zusatz zur Verfassung nicht in Anspruch (nach Absprache mit seinen Anwälten und jenen Filmschaffenden), sondern beantwortete die politische Gretchenfrage nach der Zugehörigkeit zur Kommunistischen Partei in irgendeinem Lande wahrheitsgetreu mit nein. Als Beruf gab er an „Stückeschreiber und Dichter“. Auf Befragen bekannte er sich zur Freundschaft und Zusammenarbeit mit Hanns Eisler. Mit großer Spannung warteten die Mitglieder des Komitees auf die Antwort Brechts, als er gefragt wurde, ob er auch Gerhart Eisler kenne – eine Frage von besonderer Brisanz. Brecht bejahte. – Worüber sie denn gesprochen hätten miteinander. – Über Politik. – Die Inquisitoren waren über die Antwort frappiert. Brecht rauchte während des ganzen Verhörs Zigarren. Ein schlauer Trick, um zwischen zwei Zügen ein bißchen Zeit zum Nachdenken zu gewinnen: Eine lange Kontroverse zwischen Brecht und Stripling entspann sich über den Satz in dem Song „Lob des Lernens“: „Du mußt die Führung übernehmen“. In der englischen Übersetzung, die Stripling vorlas, hieß es: „Du mußt bereit sein, die Macht zu übernehmen.“ Das betrachtete das Komitee als Aufforderung zum Hochverrat. Brecht erwiderte, die Übersetzung sei falsch und außerdem unschön und bestand darauf, daß der Dolmetscher den Vers richtig mit „Du mußt die Führung übernehmen“ übersetzt. Brecht machte den Ignoranten des Komitees klar, daß er seine Stücke und Gedichte, die ihm da vorgeworfen wurden, in der Periode des Kampfes gegen Hitler geschrieben habe.

Den Mitgliedern des unamerikanischen Komitees ist es nicht gelungen, Brecht in ihre Fänge zu kriegen. Der französische Schriftsteller Vladimir Pozner erklärte, das Verhör Brechts habe auf ihn den Eindruck gemacht, „ein Zoologe sei Gefangener von Affen“ gewesen.
Die Ironie des Schicksals hat es gewollt, daß J. Parnell Thomas noch früher als seine Opfer wegen Bestechung ins Gefängnis wanderte. Später übernahm Senator Joseph McCarthy den Vorsitz des unamerikanischen Komitees.

Hilde Eisler [via]

5 Gedanken zu „»I was not a member of any Communist Party«

  1. Pingback: “5 Difficulties When Writing the Truth” by Bertolt Brecht and Brecht videos | East Los Angeles Dirigible Air Transport Lines

  2. Pingback: Und sonst so? | Golem - Journeys through the Other Space

Kommentare sind geschlossen.