Die politische Ökonomie des Antisemitismus. Über die sogenannten »Protokolle der Weisen von Zion«

Beim Freiburger ça ira Verlag wird zur Zeit ein Band über die bekannten »Protokolle der Weisen von Zion« vorbereitet. Die schon vor langer Zeit und mehrfach als Fälschung aus dem Dunstkreis der zaristischen Geheimpolizei entlarvten Protokolle zählen noch heute zu den einflussreichsten Schriften des Antisemitismus und haben maßgeblich zur ideologischen Wahnvorstellung einer »jüdischen Weltverschwörung« beigetragen. Joachim Bruhn als Mitarbeiter des ça ira Verlages hatte im März 2011 mehrfach Gelegenheit, den o.g. Band vorzustellen. In seinen Vorträgen behandelt er – auch in Abgrenzung zur, wie er sagt, »liberalen Antisemitismusbeforschung« – weniger die Entstehung der Protokolle, als vielmehr die ihnen wie ihrem anhaltenden Erfolg und ihrer Aufklärungsimmunität zugrunde liegende politische Ökonomie, die er in einen Zusammenhang mit der »orientalischen Despotie« (Marx) stellt.

1. Zur materialistischen Kritik des Antisemitismus, veranstaltet und dokumentiert von der Gruppe Sur l’eau Lübeck, vom 19.03.2011.

    Download: via aarchiv (1:25 h; 30 MB) [Die 40 MB große Originaldatei gibt es via Divshare]

2. Die politische Ökonomie des Antisemitismus, aus der Reihe Wahlverwandschaften: Antisemitismus Islamismus Deutschland, vom 16.03.2011, Jüdische Gemeinde Pinneberg

    Download: via aarchiv (1:03 h; 22 MB), via FRN (58 MB)

Da die beiden Versionen weder identisch, noch überschneidungsfrei sind, empfehlen wir allen, die nicht beides hören möchten den erstgenannten, längeren Vortrag.

Ankündigungstext:

Wenn die Rede auf den Antisemitismus kommt, dann mobilisiert diejenige Fraktion der bürgerlichen Gesellschaft in Deutschland, die sich noch irgendwie als „liberal“ und „aufgeklärt“ verstehen möchte, gerne Theoreme und Vokabeln wie „Vorurteil“, „Ressentiment“, „Uninformiertheit“ oder „Deutschtümelei“. Über Begriff und Sache der Ideologie jedoch schweigt man sich lautstark aus. Das kommt davon, daß der Bürger, fühlt er sich auch noch so sehr in der Klemme, immer noch den Aberglauben von wegen „die Gedanken sind frei“ verbreiten möchte: die letzte Notlüge der Herrschaft der Produktionsweise, der er sich auf Gedeih und Verderb verpflichtet fühlt. Aber die Gedanken sind unfrei. Sie denken dem nach und also: hinterher, was man denken muß, um im gesellschaftlich totalisierten System des Warentausches und also: der Kapitalakkumulation bestehen zu können.

Nirgends zeigt sich dies Symptom so deutlich wie in all den Versuchen, über den manifesten Lügencharakter der sog. „Protokolle der Weisen von Zion“ zu informieren, die die Nazis seit 1920 in Umlauf brachten und die bis heute – nicht nur die „Charta der Hamas“ zeigt es – ein Bestseller sind, nicht nur im arabischen Raum. Zigmal ist, seit dem Prozeß von Lausanne 1934, der auch juristische Nachweis erbracht worden, daß es sich bei den „Protokollen“ um eine Fälschung (des zaristischen Geheimdienstes) handelt, niemals wurde der Frage Hannah Arendts nachgegangen, warum diese Lüge, aller rationalen Widerlegung zum Trotz, so gnadenlos durchschlägt.

Anders gesagt: untersucht man, mit Marx und Adorno, die politische Ökonomie der „Protokolle“, dann stößt man auf eben die Vorstellungen von Ware und Geld, von Souveränität und guter Herrschaft, die zur Substanz eben der Vorstellungen (und eigentlich Einbildungen) gehören, die die liberale Gesellschaft sich von sich selbst zu machen gezwungen ist und gesellschaftlich genötigt wird. Die „Protokolle“ erweisen sich als Ideologie im strikten Sinne, d.h. als „objektiv gesellschaftlich notwendige Gedankenform“ (Marx).

Die Kritik des Antisemitismus setzt – so möchte der Vortrag zeigen –, die materialistische Selbstkritik des Liberalismus voraus, sollen das Erbe und der Auftrag der Aufklärung irgend bewahrt werden. Denn die liberale Gesellschaft ist an sich selbst antisemitisch; die Nazis haben „nur“ die barbarische Konsequenz daraus gezogen.

Ein Gedanke zu „Die politische Ökonomie des Antisemitismus. Über die sogenannten »Protokolle der Weisen von Zion«

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