1. SWR2 Wissen: Goebbels‘ Swing-Band. Musik als Propagandamittel.
Von Mechthild Müser
Swing und Jazz waren im nationalsozialistischen Deutschland als „entartete Musik“ diffamiert und verboten. Das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda selbst veranlasste jedoch 1939, vermutlich sogar angestoßen von Joseph Goebbels, die Gründung einer Big-Band: Charlie and his Orchestra. Mit Sendung der Lieder dieser Combo im Auslandrundfunk sollte der Feind demoralisiert und verspottet werden – einige der bekanntesten und begabtesten Jazzmusiker Deutschlands schlossen sich so zu einer NS-Propaganda-Jazz-Band zusammen. Das Feature von Mechthild Müser berichtet über Geschichte und Hintergründe der Band „Charlie and his Orchestra„.
Download: via SWR2 (mp3; 25,7 MB; 28:01 min)
2. »… in the way of Lindy Hop«. Swingtanzen zwischen Anpassung und Widerstand
Vortrag mit Juliane Hummitzsch
Juliane Hummitzsch zeigt in ihrem Vortrag, wie sich in der Form des Tanzstils „Lindy Hop“ auf spezifische Weise die Widersprüchlichkeit kapitalistischer Subjektivität widerspiegelt. Dazu rekonstruiert sie in einem historischen Teil die Geschichte der Jazz-Musik, die Entstehung des Lindy Hop in den USA und die Rolle der Swing-Kultur in Deutschland, um anschließend mit Bezug auf Adorno, Kracauer und Gerhard Scheit einige Überlegungen zum Verhältnis von Anpassung und Widerstand in der Kulturindustrie im Allgemeinen und im Lindy Hop im Besonderen anzustellen. Der Versuch, einen Zusammenhang zwischen Tanztheorie und Gesellschaftskritik herzustellen, macht den Vortrag sehr interessant. Der Vortrag ist in Textform in der Bremer Zeitschrift Extrablatt erschienen.
Download: via archive.org (mp3; 24,9 MB; 43:24 min)
Ankündigungstext: Swingmusik und Lindy Hop-Tanzen waren in den 20er und 30er Jahren groß in Mode. Aus Harlems Tanzsäalen über den Großen Teich kommend stand diese wilde »facon de danser« und der dazugehörige lässig-mondäne Stil als Absage an Konvention, Disziplin und Deutschtümelei, für sexuelle Freizügigkeit, Freiheit und individuelles Glück. Mit ihrer Lust am »Hotten« und »Lottern«, die sich nicht um Hautfarbe und Jüdischsein scherte, wurden die »Swings« von den Nazi-Deutschen bald als oppositionelle Jugendbewegung verfolgt. Dezidierte Gesellschaftskritik übten die meisten Lindy Hopper allerdings nicht, sondern wollten »nur ihren Spass haben« und ein bisschen »Off Beat« sein, was zur Folge hatte, dass die meisten ihre Passion bald aufgaben.
Ein Spiel zwischen »On Beat« und »Off Beat«, zwischen Regel und Anti-Regel findet sich sowohl im Swingjazz als auch in der Form des Lindy Hop-Tanzens selber: in lässiger, aufgelöster Paartanzhaltung ist man immer mal wieder zum Improvisieren und zum Aufbrechen starrer Taktschläge – gemeinsam oder individuell – eingeladen.
In ihrem Vortrag wird sich Juliane Hummitzsch der Darstellung der Vergangenheit und Gegenwart des Lindy Hop-Tanzens in den USA, Europa und Deutschland widmen und sich sowohl historisch als auch tanztheoretisch mit dem Verhältnis von Momenten von Widerstand und Anpassung an gesellschaftliche Verhältnisse und kapitalistische Taktung im Lindy-Hop-Tanzen befassen.
Juliane Hummitzsch hat Psychologie und Philosophie studiert und promoviert derzeit zu einem psychoanalytischen Thema. Sie tanzt selbst seit vier Jahren Lindy Hop und unterrichtet in der Swing-Kantine Bremen. Sie ist Autorin und Mitherausgeberin der Bremer Zeitschrift »Extrablatt. Aus Gründen gegen fast alles«. In der aktuellen Ausgabe hat sie einen Artikel zur Kritik der Gewalt und wie diese in der ästhetischen Erfahrung von Daniel Richters »Dog Planet« erfahrbar wird, veröffentlicht. 2008 erschien dort ihr Text » ›… in the way of Lindy Hop.‹ Swingtanzen zwischen Anpassung und Widerstand.«
Eine Veranstaltung der Dance the Antivolk-Gruppe mit
freundlicher Unterstützung des AStA der FH.
Freitag, 25.03.2011, 19:30 Uhr (via)