Einführung in die Kritische Theorie

Eine weitere* Einführung in die Kritische Theorie, diesmal von Dirk Lehmann, u.a. Autor für Phase 2 und Prodomo.

Vortrag samt Diskussion aus der Veranstaltungsreihe »Was uns beherrscht« (Okt – Dez. 2010), organisiert von der Bielefelder Association Critique.

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Ankündigungstext:

Mitmachen wollte ich nie…
Leo Löwenthal, von dem diese Worte stammen, bringt damit treffend das fundamentale Misstrauen zum Ausdruck, mit dem die kritische Theorie der gegenwärtigen Gesellschaft begegnet. Ist dies doch eine Gesellschaft, die den Menschen einzig und allein als disponible Größe zur Auspressung von Mehrwert kennt und die ihr Anderes, Natur, rein als Gegenstand einer krämerseligen Vorstellung von Nützlichkeit betrachtet. Diese Verhältnisse, in denen Mensch und Natur gleichermaßen erniedrigte und geknechtete, verächtliche und verlassene Wesen sind, umzustürzen, steht im Zentrum aller Anstrengung von kritischer Theorie. Und insofern begreift sie sich auch als die theoretische Seite der Befreiung der Menschheit aus Ohnmacht und Gewalt.
Das ist allein möglich, weil kritische Theorie die Menschen als die Produzenten ihrer gesamten gesellschaftlichen Lebensformen begreift, Gesellschaft also als allein durch menschliche Tätigkeit geworden und so auch als fundamental veränderbar versteht. In dieser grundsätzlichen historisch-materialistischen Weise knüpft kritische Theorie an ihre Begründer, Karl Marx und Friedrich Engels, an, geht zugleich aber über sie hinaus. Der Vorstellung etwa von der grundstürzenden Macht des Proletariats, wesentliche Hoffnung noch bei Marx und Engels, begegnet sie äußerst reserviert. Der Stalinsche Terror zum einen, die Ermordung der Juden in Europa zum anderen steht im Hintergrund der skeptischen Haltung. Dies aber markiert keinen Bruch, sondern bezeugt nur das Selbstreflexivwerden von kritischer Theorie. In anderen Worten ist die bürgerliche Gesellschaft ohne Marx nicht zu begreifen; mit Marx allein aber ist die bürgerliche Gesellschaft ebenso wenig zu begreifen.
Diese Wendung findet dann ihre Zuspitzung in der von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno gemeinsam verfassten Dialektik der Aufklärung, in der nun nicht mehr die kapitalistische Produktionsweise allein Gegenstand der Kritik ist, sondern die abendländische Kultur insgesamt. Damit aber, und das macht die Aktualität dieses Denkens aus, damit ist uns die Möglichkeit eröffnet, herauszutreten aus der immer noch selbstverschuldeten Unmündigkeit in ein ‚Reich der Freiheit’, in dem, so Adorno, die Gewalt gegen Mensch und Natur gleichermaßen endlich aufhören.


Dirk Lehmann hat Soziologie studiert und arbeitet gegenwärtig über den Begriff der Naturbeherrschung der Kritischen Theorie.

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