Differenzen & Gemeinsamkeiten in der Entwicklung der Kritischen Theorie zur Wert-Abspaltungskritik

In seinem Vortrag warf Daniel Späth einen wert-abspaltungskritischen Blick auf die kritische Theorie Adornos. Sein Interesse galt dabei den Differenzen, die auf Seiten Adornos als Beschränkungen der Kritik moderner Fetischverhältnisse gedeutet werden. Seine Gliederung/Themen gehen aus seiner Zitatesammlung (PDF) hervor:

  1. Die kritische Geschichtstheorie Adornos und die wert-abspaltungskritische Theorie der Geschichte als „Geschichte von Fetischverhältnissen“
  2. Das bürgerliche Subjekt und der Status der Vernunft bei Adorno
  3. Die „Kritik der politischen Ökonomie“ und der historische Kontext Adornos
  4. „Natur“ und Wertabspaltung

Durch die Orientierung am Zitatematerial und die rege Beteiligung im Auditorium gewann der Vortrag einen starken Workshopcharakter.

Veranstaltet und aufgezeichnet vom Wert-Abspaltungskritischen Lese- & Diskussionskreis Berlin in Zusammenarbeit mit dem Verein für kritische Gesellschaftswissenschaften e.V. August 2010.

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Ankündigungstext:

Theoretische Gedanken, seien sie von gesellschaftlichen Gruppen oder einem einzelnen Autor, lassen sich nicht konservieren. Die Beschränkung einer Theorie durch den endlichen historischen Kontext, in dem sie sich entfaltet, bleibt ihr nicht äußerlich, sie sedimentiert sich vielmehr in der Theoriebildung selbst. Dadurch aber wird in ihr durch das Bestreben einerseits, mittels des Theorieprozesses über den historisch begrenzten Standpunkt hinauszugelangen, und der Notwendigkeit andererseits, gerade diesen zum Ausgangspunkt der Reflexion machen zu müssen, ein Spannungsfeld erzeugt. Dieses Spannungsfeld drückt sich in Kritischer Theorie als die Verschränkung von reflexiver Positivität, welche in der Beschränktheit der historischen Erscheinungsform des Kapitalismus verbleibt und reflexiver Negativität aus, wobei letztere tendenziell auf die Destruktion der Grundkategorien moderner Vergesellschaftung abzielt.

Insofern kann man das Werk Adornos, analog zu der Differenzierung des „esoterischen Marx“ vom „exoterischen Marx“, auf zwei Ebenen begreifen, nämlich entweder als radikalen Kritiker der kapitalistischen Gesellschaft oder als phasenweise aufklärungsaffinen Philosophen. Diese abstrakte Trennung bleibt an sich zweifelsohne kontrafaktisch – denn das Denken Adornos zeichnet sich meines Erachtens dadurch aus, dass er wie kaum ein anderer Theoretiker, den, oder kaum eine andere Theoretikerin, die ich kenne, in der konkreten Analyse immer auch gegen sich selbst, also auch gegen seine eigene Widersprüchlichkeit denken konnte –, dennoch markiert sie ebenso zwei Fäden seines Werkes, die sich zwar permanent miteinander verschlingend, trotzdem als solche identifiziert werden können.

Ich werde versuchen in dem Vortrag diese zwei Ebenen so gut es geht begrifflich zu fassen und voneinander abzugrenzen, um somit die Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Wertabspaltungskritik und der Kritischen Theorie Adornos anhand einiger Themenkomplexe offenzulegen. Der erste wird hierbei versuchen die Grundzüge der Geschichtstheorie Adornos herauszuarbeiten, wie sie vor allem in der „Dialektik der Aufklärung“ und den schriftlich fixierten Vorlesungen „Zur Lehre von der Geschichte und von der Freiheit“ ihre Begründung erfahren. Nach Adorno wird kritische Geschichtstheorie zwangsläufig mit einer paradoxen Situation konfrontiert: Die Konstruktion von Geschichte als Nachzeichnen eines kontinuierlichen Prozesses von Jahrhunderten oder Jahrtausenden muss in ihrem Vollzug immer auch, so Adorno, die diskontinuierlichen historischen Verschiebungen und Brüche, die einen qualitativen gesellschaftlichen Transformationsprozess markieren, mitdenken. Die von ihm aufgeworfene Frage des theoretischen Abstraktionsniveaus einer Theorie, die diese Dialektik von historischer Kontinuität und Diskontinuität adäquat erfassen kann, soll aufgegriffen und ihr aus heutiger Krisenperspektive nachgegangen werden: Aus wertabspaltungskritischer Sicht wird sie dabei in der Theorie einer „Geschichte von Fetischverhältnissen“ in modifizierter Form aufgenommen.

Das Eingedenken des Ursprungs und der Entwicklung der eigenen gesellschaftlichen Historizität führt bei Adorno auf die kritische Genese der bürgerlichen Subjektform; auf ihren Entstehungs-, sowie Verinnerlichungsprozess. Um seiner Kritik an der Subjektform gerecht zu werden, soll sie mit der Darstellung dieser Subjektivität durch die apologetische Garde verglichen werden: Die Aufklärungsphilosophie (ich werde mich hierbei auf Hegel und Kant beschränken). In der exoterischen, der Aufklärung verhaftet bleibenden Schicht des Denkens Adornos, so viel sei hier bereits gesagt, spielt dabei die Kategorie der Vernunft eine wesentliche Rolle. Sie ist, so könnte man sagen, das Scharnier, durch das die Positivität in sein Denken Einzug erhält und soll deshalb das Zentrum dieses Themenkomplexes bilden. Textgrundlage hierfür werden vor allem Adornos Vorlesungen über Kant („Kants Kritik der reinen Vernunft“, „Probleme der Moralphilosophie“) und seine „Drei Studien zu Hegel“ sein.

Im Zuge dieser Ausführungen wird sich im dritten Teil Adornos ambivalenter Status zur „Kritik der politischen Ökonomie“ herauskristallisieren. Zum einen verweisen die Differenzen in der Behandlung der Grundbegriffe der „Kritik der politischen Ökonomie“ zwischen Adorno und Marx auf den unterschiedlichen Kontext, in dem beide gelebt und gewirkt haben, weshalb es sinnvoll sein wird, ersteren in seinem Denken zu historisieren.

Im letzten Abschnitt werde ich versuchen die genannte Differenz in einer anderen Hinsicht fruchtbar zu machen, indem ich ihre Implikationen für eine Erweiterung des Begriffs einer gesellschaftlichen Totalität untersuchen werde. Dabei soll der Dialektik der Gesellschaft allerdings nicht nur, wie es Marx und Adorno noch für hinreichend angesehen hatten, in der Differenz von dem Wesen und seinen Erscheinungsformen auf die Schliche gekommen werden, sondern auch in der Vermitteltheit der Totalität als solcher, die als eine „gebrochene Totalität“ (Roswitha Scholz) sich darstellt.

4 Gedanken zu „Differenzen & Gemeinsamkeiten in der Entwicklung der Kritischen Theorie zur Wert-Abspaltungskritik

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  2. furchtbar

    ich kann mich nur wiederholen: wahnsinn. daniel s. präsentiert „fiese zitate“ – dieses eingeständnis soll anscheinend sein gewissen beruhigen, weil er doch ahnt, wie unlauter seine verzerrung adornos denken ist – und die runde hält sich die bäuche vor lachen: wie dumm dieser kerl doch gewesen sein muss, wie gut dass wir so viel gescheiter sind. brr! eine sternstunde von „kritik“, der biertisch als sinnbild der vernunft. aber eben doch: ganz wohl scheint es s. dann doch nicht zu sein, auf wieviel zustimmung seine kruden thesen treffen, seiner stimme hört man noch rudimente von skrupeln an, adorno auf diese art in den rücken zu fallen, nachdem er ihm jargon und stil geklaut hat. man muss es ehrlich sagen: daniel s.’s glück ist, dass sein publikum noch weniger von adorno weiß als er.

  3. furchtbar

    wahnsinn. hat sich das wer angehört? daniel s. präsentiert in anscheinend smarter herrenrunde eine karikatur von adornos denken, kommt dabei bei seinen zuhörern allzugut an, sodass er sich sogar gezwungen sieht, adorno vor dem, durch seine absurde präsentation evozierte, vorwurf des antisemitismus verteidigen zu müssen. das hat schon was. natürlich muss es auch unappetitlich werden, wenn entschuldigend angeführt wird, adorno hätte zuviel angst vor dem nationalsozialismus gehabt, um richtig denken zu können. (wie gut für uns dass wer von nichts eine ahnung hat auch vor nix angst haben muss, mag sich das publikum an dieser stelle gedacht haben.)
    wie überhaupt nicht s. adorno verstanden hat, dafür legt der ganze vortrag testament ab, die erste pointe gleich zu beginn: adorno hätte gemeint, man müssen „den mythos brechen“ um den kapitalismus abschaffen zu können…es ist schon eine besondere gemeinheit, so etwas einem zutiefst dialektischen denker vorzuwerfen, zumal ohne quelle und ohne argument (und ohne sinn). was man leider schon gewohnt ist: dass aus der „dialektik der aufklärung“ zitierend jeglichen anflug von dialektik, schon ambivalenz ist s. anscheinend zu krass, unter den tisch fallen gelassen wird. entschuldigend könnte angeführt werden, dass daniel s. höchstwahrscheinlich gar nicht weiß was er da tut, kommt das wörtchen dialektik bei ihm doch nur in der hilflosen formel „das ist die dialektik dabei“ vor, wenn er etwas nicht erklären kann, weil er es offensichtlich nicht verstanden hat – was zugegebenermaßen auch irgendwie niedlich weil retro ist. wie auch überhaupt dieser ganze vortrag an vergangene klugscheißer untergegangener linken szenen erinnert – und darin wieder an die „du machst da diesen fehler!“-oberlehrerfraktion vom gsp. von denen gibt es ja auch ein frankfurter schule-bashing, das eindrucksvoll zeugnis ablegt dass in der deutschen linken zu gelten scheint, je weniger ahnung von einer theorie zu haben umsomehr zu deren kritik befähigt. na und dann ausgerechnet unter diesem fiasko einen sorgenvollen kommentar, erschaudernd beim bloßen gedanken, dieser vortrag könnte der nachwelt nicht im web erhalten bleiben, lesen zu dürfen ist der beste treppenwitz, sozusagen noch das tüpfelchen auf dem i. „danke“ deutschland für dieses unfreiwillige kabarett.

  4. Hanno

    Könnt ihr die Sachen nicht auf archive.org hosten? Das ist imho sympatischer als so ein Filehoster, bei dem man nicht genau weiss, wie lang er noch existiert und ob die Daten dann verloren gehen.

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